Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.heute noch genau, was er bei dem neuen Stande der Dinge hoffen oder Eine Thatsache allein wird als unwiderruflich vollendet angenommen, Man vergegenwärtigt sich in Frankreich nicht genug alle die peinlichen heute noch genau, was er bei dem neuen Stande der Dinge hoffen oder Eine Thatsache allein wird als unwiderruflich vollendet angenommen, Man vergegenwärtigt sich in Frankreich nicht genug alle die peinlichen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0130" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117136"/> <p xml:id="ID_365" prev="#ID_364"> heute noch genau, was er bei dem neuen Stande der Dinge hoffen oder<lb/> fürchten soll.</p><lb/> <p xml:id="ID_366"> Eine Thatsache allein wird als unwiderruflich vollendet angenommen,<lb/> die Einheit Deutschlands unter preußischer Suprematie. Jeder unterwirft<lb/> sich ihr, gutwillig oder nicht. Dualismus und Trias sind als historische<lb/> Denksteine zu dem heiligen römischen Reich und seiner alten Verfassung ver¬<lb/> sammelt worden. Ohne Zweifel ist die Einheit Deutschlands noch nicht<lb/> vollständig, ja sie ist sogar noch nirgends definitiv etablirt. Aber nichts<lb/> hindert, anzunehmen, daß die Südstaaten ihrerseits wieder in den Schooß<lb/> der germanischen Nation zurückkehren werden, und der Tag ist vielleicht nicht<lb/> fern, wo selbst die deutschen Provinzen des Hauses Oestreich in derselben<lb/> ihren gebührenden Einfluß wiederfinden. Für jetzt freilich sind Wille und<lb/> Initiative ausschließlich auf Seiten Preußens. Preußen hat bei Sadowa<lb/> jene hundertköpfige Hydra erschlagen, über die man schon zu Zeiten La<lb/> Fontaine's spottete; siegreich und ohne alle Hilfe hat es den deutschen Ge-<lb/> sammtkörper nach sich gezogen. Ein solcher Erfolg hat alle Deutschen in eine<lb/> Art Bezauberung versetzt, und zwar hat dies weniger der Triumph selbst<lb/> gethan, als die Mischung von Voraussicht und Kühnheit, welche die Politik<lb/> der preußischen Staatsmänner und die Strategie der preußischen Generale<lb/> charakterisirte. Man verglich diese seltenen Eigenschaften mit der Langsam¬<lb/> keit, den groben Fehlern, den unheilvollen Selbsttäuschungen des wiener<lb/> Hofes, mit der lächerlichen Ohnmacht des Bundestags, und das deutsche<lb/> Nationalgefühl, das in den letzten Zeiten so tief gedemüthigt war, es rief'.<lb/> „Dort ist unser Führer!"</p><lb/> <p xml:id="ID_367" next="#ID_368"> Man vergegenwärtigt sich in Frankreich nicht genug alle die peinlichen<lb/> Schläge, welche die Eigenliebe Deutschlands seit Jahren hat verschmerzen<lb/> müssen. Bis 1849 war die liberale Bewegung in einer anfangs legalen, dann<lb/> revolutionären Form der Ausdruck des Einheitsgedankens gewesen. Seit sie<lb/> zurückgedrängt wurde, hat Deutschland immer vergeblich auf jene äußere<lb/> Machtstellung geharrt, welche despotische Regierungen stets den unterdrückten<lb/> Völkern in Aussicht zu stellen pflegen, und so oft eine große europäische<lb/> Frage ohne Zuthun Deutschlands entschieden wurde, erblickte dieses darin eine<lb/> persönliche Insulte. Während des Krimkrieges, in welchem seine Sympa¬<lb/> thien mit uns waren, sah es seinen Einfluß durch den Antagonismus zwischen<lb/> Preußen und Oestreich neutralisirt. Später, 1839, wollte es gegen uns<lb/> interveniren, aber Monate waren nöthig, um das Räderwerk des Bundes<lb/> in Bewegung zu setzen, und als derselbe endlich schlagfertig war, beeilte sich<lb/> Oestreich, stets eifersüchtig auf Preußen, diesem durch den Frieden von Villa-<lb/> franca den Anlaß zu entzieh'en. Seit Herr von Bismarck am Nuder ist,<lb/> haben die Deutschen die Empfindung, daß es eine deutsche Politik gibt-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0130]
heute noch genau, was er bei dem neuen Stande der Dinge hoffen oder
fürchten soll.
Eine Thatsache allein wird als unwiderruflich vollendet angenommen,
die Einheit Deutschlands unter preußischer Suprematie. Jeder unterwirft
sich ihr, gutwillig oder nicht. Dualismus und Trias sind als historische
Denksteine zu dem heiligen römischen Reich und seiner alten Verfassung ver¬
sammelt worden. Ohne Zweifel ist die Einheit Deutschlands noch nicht
vollständig, ja sie ist sogar noch nirgends definitiv etablirt. Aber nichts
hindert, anzunehmen, daß die Südstaaten ihrerseits wieder in den Schooß
der germanischen Nation zurückkehren werden, und der Tag ist vielleicht nicht
fern, wo selbst die deutschen Provinzen des Hauses Oestreich in derselben
ihren gebührenden Einfluß wiederfinden. Für jetzt freilich sind Wille und
Initiative ausschließlich auf Seiten Preußens. Preußen hat bei Sadowa
jene hundertköpfige Hydra erschlagen, über die man schon zu Zeiten La
Fontaine's spottete; siegreich und ohne alle Hilfe hat es den deutschen Ge-
sammtkörper nach sich gezogen. Ein solcher Erfolg hat alle Deutschen in eine
Art Bezauberung versetzt, und zwar hat dies weniger der Triumph selbst
gethan, als die Mischung von Voraussicht und Kühnheit, welche die Politik
der preußischen Staatsmänner und die Strategie der preußischen Generale
charakterisirte. Man verglich diese seltenen Eigenschaften mit der Langsam¬
keit, den groben Fehlern, den unheilvollen Selbsttäuschungen des wiener
Hofes, mit der lächerlichen Ohnmacht des Bundestags, und das deutsche
Nationalgefühl, das in den letzten Zeiten so tief gedemüthigt war, es rief'.
„Dort ist unser Führer!"
Man vergegenwärtigt sich in Frankreich nicht genug alle die peinlichen
Schläge, welche die Eigenliebe Deutschlands seit Jahren hat verschmerzen
müssen. Bis 1849 war die liberale Bewegung in einer anfangs legalen, dann
revolutionären Form der Ausdruck des Einheitsgedankens gewesen. Seit sie
zurückgedrängt wurde, hat Deutschland immer vergeblich auf jene äußere
Machtstellung geharrt, welche despotische Regierungen stets den unterdrückten
Völkern in Aussicht zu stellen pflegen, und so oft eine große europäische
Frage ohne Zuthun Deutschlands entschieden wurde, erblickte dieses darin eine
persönliche Insulte. Während des Krimkrieges, in welchem seine Sympa¬
thien mit uns waren, sah es seinen Einfluß durch den Antagonismus zwischen
Preußen und Oestreich neutralisirt. Später, 1839, wollte es gegen uns
interveniren, aber Monate waren nöthig, um das Räderwerk des Bundes
in Bewegung zu setzen, und als derselbe endlich schlagfertig war, beeilte sich
Oestreich, stets eifersüchtig auf Preußen, diesem durch den Frieden von Villa-
franca den Anlaß zu entzieh'en. Seit Herr von Bismarck am Nuder ist,
haben die Deutschen die Empfindung, daß es eine deutsche Politik gibt-
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