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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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Habsburger Albrecht I., Karl V., Matthias und an Alles das denkt, was unter
anderen weniger activen, beschränkten oder indolenten Kaisern dieses Hauses
wie z. B. unter Ferdinand II, und Leopold I. verordnet oder zugelassen
worden ist, so dürfte die moralische Zuversicht des Verfassers ernstlich ge-
trübt werden. Thaten rücksichtsloser und gewaltthätiger Politik finden sich bei
den Sprossen des Hauses Habsburg ebenso zahlreich, wie bei andern großen
Geschlechtern, nur daß dieselben selten den bewegenden Ideen der Zeit und
dem Fortschritt der Menschheit dienstbar waren. Wäre dies der Fall ge¬
wesen, so würden die Geschichte und die von ihrem Urtheil abhängige öffent¬
liche Meinung jenen Habsburger" ihre "unsittliche" Politik ebenso verziehen
haben, wie Joseph II., dessen gewaltthätige Mittel im Dienst höherer sitt¬
licher Zwecke standen. Nicht die von Klopp gerühmte Schweigsamkeit der
im Bewußtsein ihrer Verdienste die öffentliche Meinung verachtenden Habs¬
burger, nicht das von Klopp erfundene Mährchen einer durch die Presse
künstlich erzeugten Verherrlichung Friedrichs und der preußischen Mission,
nicht die von Klopp beklagte thörichte Pflege des Friedericianismus in den
Schulen, nicht die Auszeichnung demoralisirender Historiker (Rankes Wirk¬
samkeit bei der historischen Commission und Giesebrechts Anstellung in Mün¬
chen durch den verewigten König Max II. werden u. A. in diese Kategorie
gebracht) -- haben Friedrich den Großen und Preußen in der deutschen Ge¬
schichte und in der öffentlichen Meinung populär gemacht, diese Popularität
beruht darauf, daß sich aller Fortschritt in der politischen Entwickelung des
deutschen Volkes an Friedrich und an das durch ihn erweckte preußische Volk
knüpft. Ouro Klopp ist bekanntlich ein Meister in der freilich nur fana¬
tische Parteigenossen oder harmlose Idioten täuschenden Sophistik, ein populär
gewordenes Urtheil der gewissenhaftesten Geschichtsbetrachtung als von einer
Partei künstlich verbreitete, der Wahrheit widersprechende Ansicht darzustellen.
Unter seinen Händen wird Gustav Adolf zum nichtswürdigen Schurken, der
seine Popularität in Deutschland einigen.von ihm bezahlten Schriftstellern
verdankt. Klopp weiß nachzuweisen, daß das religiöse Interesse des protestanti¬
schen Volkes während des 30jährigen Kriegs eine Erfindung der protestan¬
tischen Zeloten sei, und in den gelben Blättern*) hat er bereits Andeutungen
darüber gegeben, daß schon zu Luthers Zeiten dem deutschen Volke an der
lutherischen Kirche eigentlich nicht viel gelegen gewesen sei. Er wird uns
dereinst sicher noch auseinandersetzen, daß Luthers welterschütternder Ruhm
als künstliches Product der schlechten Presse des 16. Jahrhunderts anzu¬
sehen sei.



") Die Studien eines protestantischen Forschers über Karl V. in vier neuen Heften der
histor. politischen Blätter für das katholische Deutschland sind doch wohl aus Klnpps Feder.

Habsburger Albrecht I., Karl V., Matthias und an Alles das denkt, was unter
anderen weniger activen, beschränkten oder indolenten Kaisern dieses Hauses
wie z. B. unter Ferdinand II, und Leopold I. verordnet oder zugelassen
worden ist, so dürfte die moralische Zuversicht des Verfassers ernstlich ge-
trübt werden. Thaten rücksichtsloser und gewaltthätiger Politik finden sich bei
den Sprossen des Hauses Habsburg ebenso zahlreich, wie bei andern großen
Geschlechtern, nur daß dieselben selten den bewegenden Ideen der Zeit und
dem Fortschritt der Menschheit dienstbar waren. Wäre dies der Fall ge¬
wesen, so würden die Geschichte und die von ihrem Urtheil abhängige öffent¬
liche Meinung jenen Habsburger« ihre „unsittliche" Politik ebenso verziehen
haben, wie Joseph II., dessen gewaltthätige Mittel im Dienst höherer sitt¬
licher Zwecke standen. Nicht die von Klopp gerühmte Schweigsamkeit der
im Bewußtsein ihrer Verdienste die öffentliche Meinung verachtenden Habs¬
burger, nicht das von Klopp erfundene Mährchen einer durch die Presse
künstlich erzeugten Verherrlichung Friedrichs und der preußischen Mission,
nicht die von Klopp beklagte thörichte Pflege des Friedericianismus in den
Schulen, nicht die Auszeichnung demoralisirender Historiker (Rankes Wirk¬
samkeit bei der historischen Commission und Giesebrechts Anstellung in Mün¬
chen durch den verewigten König Max II. werden u. A. in diese Kategorie
gebracht) — haben Friedrich den Großen und Preußen in der deutschen Ge¬
schichte und in der öffentlichen Meinung populär gemacht, diese Popularität
beruht darauf, daß sich aller Fortschritt in der politischen Entwickelung des
deutschen Volkes an Friedrich und an das durch ihn erweckte preußische Volk
knüpft. Ouro Klopp ist bekanntlich ein Meister in der freilich nur fana¬
tische Parteigenossen oder harmlose Idioten täuschenden Sophistik, ein populär
gewordenes Urtheil der gewissenhaftesten Geschichtsbetrachtung als von einer
Partei künstlich verbreitete, der Wahrheit widersprechende Ansicht darzustellen.
Unter seinen Händen wird Gustav Adolf zum nichtswürdigen Schurken, der
seine Popularität in Deutschland einigen.von ihm bezahlten Schriftstellern
verdankt. Klopp weiß nachzuweisen, daß das religiöse Interesse des protestanti¬
schen Volkes während des 30jährigen Kriegs eine Erfindung der protestan¬
tischen Zeloten sei, und in den gelben Blättern*) hat er bereits Andeutungen
darüber gegeben, daß schon zu Luthers Zeiten dem deutschen Volke an der
lutherischen Kirche eigentlich nicht viel gelegen gewesen sei. Er wird uns
dereinst sicher noch auseinandersetzen, daß Luthers welterschütternder Ruhm
als künstliches Product der schlechten Presse des 16. Jahrhunderts anzu¬
sehen sei.



") Die Studien eines protestantischen Forschers über Karl V. in vier neuen Heften der
histor. politischen Blätter für das katholische Deutschland sind doch wohl aus Klnpps Feder.
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[0120] Habsburger Albrecht I., Karl V., Matthias und an Alles das denkt, was unter anderen weniger activen, beschränkten oder indolenten Kaisern dieses Hauses wie z. B. unter Ferdinand II, und Leopold I. verordnet oder zugelassen worden ist, so dürfte die moralische Zuversicht des Verfassers ernstlich ge- trübt werden. Thaten rücksichtsloser und gewaltthätiger Politik finden sich bei den Sprossen des Hauses Habsburg ebenso zahlreich, wie bei andern großen Geschlechtern, nur daß dieselben selten den bewegenden Ideen der Zeit und dem Fortschritt der Menschheit dienstbar waren. Wäre dies der Fall ge¬ wesen, so würden die Geschichte und die von ihrem Urtheil abhängige öffent¬ liche Meinung jenen Habsburger« ihre „unsittliche" Politik ebenso verziehen haben, wie Joseph II., dessen gewaltthätige Mittel im Dienst höherer sitt¬ licher Zwecke standen. Nicht die von Klopp gerühmte Schweigsamkeit der im Bewußtsein ihrer Verdienste die öffentliche Meinung verachtenden Habs¬ burger, nicht das von Klopp erfundene Mährchen einer durch die Presse künstlich erzeugten Verherrlichung Friedrichs und der preußischen Mission, nicht die von Klopp beklagte thörichte Pflege des Friedericianismus in den Schulen, nicht die Auszeichnung demoralisirender Historiker (Rankes Wirk¬ samkeit bei der historischen Commission und Giesebrechts Anstellung in Mün¬ chen durch den verewigten König Max II. werden u. A. in diese Kategorie gebracht) — haben Friedrich den Großen und Preußen in der deutschen Ge¬ schichte und in der öffentlichen Meinung populär gemacht, diese Popularität beruht darauf, daß sich aller Fortschritt in der politischen Entwickelung des deutschen Volkes an Friedrich und an das durch ihn erweckte preußische Volk knüpft. Ouro Klopp ist bekanntlich ein Meister in der freilich nur fana¬ tische Parteigenossen oder harmlose Idioten täuschenden Sophistik, ein populär gewordenes Urtheil der gewissenhaftesten Geschichtsbetrachtung als von einer Partei künstlich verbreitete, der Wahrheit widersprechende Ansicht darzustellen. Unter seinen Händen wird Gustav Adolf zum nichtswürdigen Schurken, der seine Popularität in Deutschland einigen.von ihm bezahlten Schriftstellern verdankt. Klopp weiß nachzuweisen, daß das religiöse Interesse des protestanti¬ schen Volkes während des 30jährigen Kriegs eine Erfindung der protestan¬ tischen Zeloten sei, und in den gelben Blättern*) hat er bereits Andeutungen darüber gegeben, daß schon zu Luthers Zeiten dem deutschen Volke an der lutherischen Kirche eigentlich nicht viel gelegen gewesen sei. Er wird uns dereinst sicher noch auseinandersetzen, daß Luthers welterschütternder Ruhm als künstliches Product der schlechten Presse des 16. Jahrhunderts anzu¬ sehen sei. ") Die Studien eines protestantischen Forschers über Karl V. in vier neuen Heften der histor. politischen Blätter für das katholische Deutschland sind doch wohl aus Klnpps Feder.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/120>, abgerufen am 24.08.2024.