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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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andern für den preußischen, eine merkwürdige Uebergangszeit, welche bis zur
Gegenwart währt. Einige politische Privilegien, die er als Stand im Staate
besessen, waren gleich den Rechten und Beschränkungen der übrigen Stände
aufgehoben, das Vorrecht des adeligen Grundbesitzes und der Standschaft,
die fast ausschließliche Bevorzugung bei Offiziers- und höhern Beamtenstellen.

Aber er dauert als ein besonderer politischer Stand im Staate, die
Regenten fahren fort, den Adel als erbliches Familienvorrecht oder auch als
persönliche Auszeichnung zu ertheilen. Schon im Jahre 1812 ward in Preußen
ein verlebter Orden neu constituirt, der nur Adeligen verliehen wurde, auch
bei andern Orden fordert die oberste Klasse den Adel. Bedenklicher war,
daß für gemeine Verbrechen adeligen Individuen ihr Adel aberkannt wurde,
denn alsdann mußte der Richter, allem Volke fühlbar aussprechen, daß über
dem Volk eine Classe von erblicher Rechtschaffenheit und Ehre bestehen und da¬
durch erhalten werden solle, daß sie ihre unwürdigen Mitglieder in das Volk
herabstoße. Und was wichtiger war, dem Adel bleibt das Hofrecht und den Sou¬
veränen die Pflicht, alle Ehrenämter ihres Hofes mit Adeligen zu besetzen, auch
für die Staatsämter, welche zu regelmäßigem Verkehr am heimischen oder am
fremden Hofe verpflichten, gilt der Adel als Erforderniß. Und es erhält sich
wenigstens Neigung und Tendenz, höhere Offizier- und Beamtenstellen mit
Adeligen zu besetzen und für diese Functionen den wohl geeigneten Nicht¬
adeligen den Adel zu ertheilen. Man unterläßt nicht, auch Künstlern und Ge¬
lehrten von Bedeutung, oder wenn sie sich zufällig "dem Hofe empfehlen,
einen Adelsbrief zu schenken, außerdem aber Adelsbriefe an Bewerber aus¬
zutheilen, zuweilen gegen Geld, ja es bestanden in einigen Staaten bis
fast zur Gegenwart feste Preise für die einzelnen Adelstitel, und es hals
wenig, daß man diese Kaufsummen nur als Ausfertigungstaxen darzustellen
suchte, und die persönlichen Verdienste des Geadelten als Hauptsache; dieselbe
Beschönigung eines abgeschmackten Geschäftes hatten schon die Habsburger
vergeblich versucht. Dabei fuhren die Regenten fort, ihre Verleihungen als eine
Erhebung in höheren Stand zu bezeichnen. Auch die Regierungen hatten
zuweilen die Empfindung, daß solche privilegirte Stellung eines einzelnen
Standes nicht ganz in der Ordnung sei, man vermied vielleicht, in den
Statuten eines adeligen Ordens die letzte Vorbedingung für die Aufnahme
zu erwähnen, man versuchte vergeblich eine Unterscheidung zwischen staats¬
bürgerlichen Rechten und Ehrenrechten, zwischen Stand und Rang u. s. w.

Unter den Bürgerlichen, welche in diesen fünfzig Jahren geadelt wurden,
sind einige unserer besten Männer. Wer als Diplomat hohe Interessen zu
vertreten hatte an einem Hofe, wo die Adelstraditionen galten, dem war der
Adel wie die Uniform, der Titel und andere Decorationen eine bequeme
Hilfe für den Verkehr mit Anspruchsvollen, und er durste, falls ihm die


andern für den preußischen, eine merkwürdige Uebergangszeit, welche bis zur
Gegenwart währt. Einige politische Privilegien, die er als Stand im Staate
besessen, waren gleich den Rechten und Beschränkungen der übrigen Stände
aufgehoben, das Vorrecht des adeligen Grundbesitzes und der Standschaft,
die fast ausschließliche Bevorzugung bei Offiziers- und höhern Beamtenstellen.

Aber er dauert als ein besonderer politischer Stand im Staate, die
Regenten fahren fort, den Adel als erbliches Familienvorrecht oder auch als
persönliche Auszeichnung zu ertheilen. Schon im Jahre 1812 ward in Preußen
ein verlebter Orden neu constituirt, der nur Adeligen verliehen wurde, auch
bei andern Orden fordert die oberste Klasse den Adel. Bedenklicher war,
daß für gemeine Verbrechen adeligen Individuen ihr Adel aberkannt wurde,
denn alsdann mußte der Richter, allem Volke fühlbar aussprechen, daß über
dem Volk eine Classe von erblicher Rechtschaffenheit und Ehre bestehen und da¬
durch erhalten werden solle, daß sie ihre unwürdigen Mitglieder in das Volk
herabstoße. Und was wichtiger war, dem Adel bleibt das Hofrecht und den Sou¬
veränen die Pflicht, alle Ehrenämter ihres Hofes mit Adeligen zu besetzen, auch
für die Staatsämter, welche zu regelmäßigem Verkehr am heimischen oder am
fremden Hofe verpflichten, gilt der Adel als Erforderniß. Und es erhält sich
wenigstens Neigung und Tendenz, höhere Offizier- und Beamtenstellen mit
Adeligen zu besetzen und für diese Functionen den wohl geeigneten Nicht¬
adeligen den Adel zu ertheilen. Man unterläßt nicht, auch Künstlern und Ge¬
lehrten von Bedeutung, oder wenn sie sich zufällig "dem Hofe empfehlen,
einen Adelsbrief zu schenken, außerdem aber Adelsbriefe an Bewerber aus¬
zutheilen, zuweilen gegen Geld, ja es bestanden in einigen Staaten bis
fast zur Gegenwart feste Preise für die einzelnen Adelstitel, und es hals
wenig, daß man diese Kaufsummen nur als Ausfertigungstaxen darzustellen
suchte, und die persönlichen Verdienste des Geadelten als Hauptsache; dieselbe
Beschönigung eines abgeschmackten Geschäftes hatten schon die Habsburger
vergeblich versucht. Dabei fuhren die Regenten fort, ihre Verleihungen als eine
Erhebung in höheren Stand zu bezeichnen. Auch die Regierungen hatten
zuweilen die Empfindung, daß solche privilegirte Stellung eines einzelnen
Standes nicht ganz in der Ordnung sei, man vermied vielleicht, in den
Statuten eines adeligen Ordens die letzte Vorbedingung für die Aufnahme
zu erwähnen, man versuchte vergeblich eine Unterscheidung zwischen staats¬
bürgerlichen Rechten und Ehrenrechten, zwischen Stand und Rang u. s. w.

Unter den Bürgerlichen, welche in diesen fünfzig Jahren geadelt wurden,
sind einige unserer besten Männer. Wer als Diplomat hohe Interessen zu
vertreten hatte an einem Hofe, wo die Adelstraditionen galten, dem war der
Adel wie die Uniform, der Titel und andere Decorationen eine bequeme
Hilfe für den Verkehr mit Anspruchsvollen, und er durste, falls ihm die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/12>, abgerufen am 24.08.2024.