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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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demselben Nachmittage wurde er todt hi"her gebracht. Er lag auf einer von
rohen Weidenästen zusammengebauten Trage unter einer wollenen Pferdedecke.
Französische Soldaten trugen ihn, unter Tanzmusik,*) in den innern Schloß-
Hof. Per im Schlosse einquartierte Marschall Lannes kam herunter in den
Schloßhof, betrachtete den Prinzen lange stillschweigend und ging dann wieder
hinauf in sein Zimmer, Per Prinz wurde desselben Tags aus Verwendung
des Herzogs in die Se. Johanniskirche Kier gebracht."

"In diese hatte ich als Sohn des Predigers beliebigen Zutritt. Ich wohnte
der Leichenschau, der Section und der Einbalsamirung des Prinzen vom An¬
fang bis zu Ende mit Aufmerksamkeit bei. Der Feind hatte dem Prinzen nur
ein Hemd und ein Paar wattirte Unterbeinkleider gelassen. Die Leichenschau
zeigte fünf Wunden**): einen leichten Hieb über die Wange, einen Ritzen mit dem
Federmesser ähnlich (man vermuthete, um das Sturmband des Hutes zu lösen
und diesen vom Haupte zu entfernen); einen Säbelhieb auf der linken Seite
des Hinterkopfes; einen Säbelhieb auf der rechten Seite des Hinterkopfes --
beide Hiebe kreuzten sich unten nach dem Halse zu, ohne in diesen eingedrungen
zu sein --; einen ganz eigenthümlichen Hieb in den Ellenbogen des rechten
Armes, einer Auslösung der Pfanne von der Kugel, mit dem Messer, ähnlich;
einen Stich tief in die Brust mit einem breiten Säbel beigebracht. Das aus
der Feder des or. Wagner geflossene Visum rexertum der Aerzte, das nach
Berlin gesendet wurde, lautete dahin: daß die Wunde auf der Wange nur
eine leichte, oberflächliche Hautverletzung von geringer Bedeutung sei; daß die
Wunden des Hinterkopfes wohl hätten geeignet sein können, eine momentane
Betäubung zu erzeugen, aber nicht gefährlich, bald zu heilen gewesen seien;
daß die Wunde im Ellenbogen wichtiger gewesen sei als die vorbenannten,
Weil sie, obschon ebenfalls bald heilbar, doch einen steifen, völlig unbrauchbaren
Arm hinterlassen haben müßte; daß aber die letzte Wunde, welche mit einem
geraden Säbel von oben nach unten beigebracht, absolut letal und daß zu
vermuthen sei, sie sei dem Prinzen in dem Augenblicke, wo er in Folge he,r
Kopfwunden vom Pferde gesunken, oben vom Pferde des Feindes herab bei-
gebracht worden."

"Der Prinz wurde in der fürstlichen Gast der Se. Johanniskirche hier bei-
gesetzt und erst im Jahre 1811 nach Berlin gebracht."

Ueber das Ende des Prinzen selbst hat Hr. Windorf folgende Aufzeich¬
nung gemacht:

"Das zunächst an der Straße von hier nach Rudolstadt links gelegene




") In dem Französischen deS Triers heißt es: "aveo ton" leg egarä" "tu" ü, sou rang
et " soll iotorwne".
") Also nicht dreizehn, wie Rüste v, L,, Varnhogen u a> erzählen.

demselben Nachmittage wurde er todt hi«her gebracht. Er lag auf einer von
rohen Weidenästen zusammengebauten Trage unter einer wollenen Pferdedecke.
Französische Soldaten trugen ihn, unter Tanzmusik,*) in den innern Schloß-
Hof. Per im Schlosse einquartierte Marschall Lannes kam herunter in den
Schloßhof, betrachtete den Prinzen lange stillschweigend und ging dann wieder
hinauf in sein Zimmer, Per Prinz wurde desselben Tags aus Verwendung
des Herzogs in die Se. Johanniskirche Kier gebracht."

„In diese hatte ich als Sohn des Predigers beliebigen Zutritt. Ich wohnte
der Leichenschau, der Section und der Einbalsamirung des Prinzen vom An¬
fang bis zu Ende mit Aufmerksamkeit bei. Der Feind hatte dem Prinzen nur
ein Hemd und ein Paar wattirte Unterbeinkleider gelassen. Die Leichenschau
zeigte fünf Wunden**): einen leichten Hieb über die Wange, einen Ritzen mit dem
Federmesser ähnlich (man vermuthete, um das Sturmband des Hutes zu lösen
und diesen vom Haupte zu entfernen); einen Säbelhieb auf der linken Seite
des Hinterkopfes; einen Säbelhieb auf der rechten Seite des Hinterkopfes —
beide Hiebe kreuzten sich unten nach dem Halse zu, ohne in diesen eingedrungen
zu sein —; einen ganz eigenthümlichen Hieb in den Ellenbogen des rechten
Armes, einer Auslösung der Pfanne von der Kugel, mit dem Messer, ähnlich;
einen Stich tief in die Brust mit einem breiten Säbel beigebracht. Das aus
der Feder des or. Wagner geflossene Visum rexertum der Aerzte, das nach
Berlin gesendet wurde, lautete dahin: daß die Wunde auf der Wange nur
eine leichte, oberflächliche Hautverletzung von geringer Bedeutung sei; daß die
Wunden des Hinterkopfes wohl hätten geeignet sein können, eine momentane
Betäubung zu erzeugen, aber nicht gefährlich, bald zu heilen gewesen seien;
daß die Wunde im Ellenbogen wichtiger gewesen sei als die vorbenannten,
Weil sie, obschon ebenfalls bald heilbar, doch einen steifen, völlig unbrauchbaren
Arm hinterlassen haben müßte; daß aber die letzte Wunde, welche mit einem
geraden Säbel von oben nach unten beigebracht, absolut letal und daß zu
vermuthen sei, sie sei dem Prinzen in dem Augenblicke, wo er in Folge he,r
Kopfwunden vom Pferde gesunken, oben vom Pferde des Feindes herab bei-
gebracht worden."

„Der Prinz wurde in der fürstlichen Gast der Se. Johanniskirche hier bei-
gesetzt und erst im Jahre 1811 nach Berlin gebracht."

Ueber das Ende des Prinzen selbst hat Hr. Windorf folgende Aufzeich¬
nung gemacht:

„Das zunächst an der Straße von hier nach Rudolstadt links gelegene




") In dem Französischen deS Triers heißt es: „aveo ton» leg egarä« «tu» ü, sou rang
et » soll iotorwne".
") Also nicht dreizehn, wie Rüste v, L,, Varnhogen u a> erzählen.
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[0094] demselben Nachmittage wurde er todt hi«her gebracht. Er lag auf einer von rohen Weidenästen zusammengebauten Trage unter einer wollenen Pferdedecke. Französische Soldaten trugen ihn, unter Tanzmusik,*) in den innern Schloß- Hof. Per im Schlosse einquartierte Marschall Lannes kam herunter in den Schloßhof, betrachtete den Prinzen lange stillschweigend und ging dann wieder hinauf in sein Zimmer, Per Prinz wurde desselben Tags aus Verwendung des Herzogs in die Se. Johanniskirche Kier gebracht." „In diese hatte ich als Sohn des Predigers beliebigen Zutritt. Ich wohnte der Leichenschau, der Section und der Einbalsamirung des Prinzen vom An¬ fang bis zu Ende mit Aufmerksamkeit bei. Der Feind hatte dem Prinzen nur ein Hemd und ein Paar wattirte Unterbeinkleider gelassen. Die Leichenschau zeigte fünf Wunden**): einen leichten Hieb über die Wange, einen Ritzen mit dem Federmesser ähnlich (man vermuthete, um das Sturmband des Hutes zu lösen und diesen vom Haupte zu entfernen); einen Säbelhieb auf der linken Seite des Hinterkopfes; einen Säbelhieb auf der rechten Seite des Hinterkopfes — beide Hiebe kreuzten sich unten nach dem Halse zu, ohne in diesen eingedrungen zu sein —; einen ganz eigenthümlichen Hieb in den Ellenbogen des rechten Armes, einer Auslösung der Pfanne von der Kugel, mit dem Messer, ähnlich; einen Stich tief in die Brust mit einem breiten Säbel beigebracht. Das aus der Feder des or. Wagner geflossene Visum rexertum der Aerzte, das nach Berlin gesendet wurde, lautete dahin: daß die Wunde auf der Wange nur eine leichte, oberflächliche Hautverletzung von geringer Bedeutung sei; daß die Wunden des Hinterkopfes wohl hätten geeignet sein können, eine momentane Betäubung zu erzeugen, aber nicht gefährlich, bald zu heilen gewesen seien; daß die Wunde im Ellenbogen wichtiger gewesen sei als die vorbenannten, Weil sie, obschon ebenfalls bald heilbar, doch einen steifen, völlig unbrauchbaren Arm hinterlassen haben müßte; daß aber die letzte Wunde, welche mit einem geraden Säbel von oben nach unten beigebracht, absolut letal und daß zu vermuthen sei, sie sei dem Prinzen in dem Augenblicke, wo er in Folge he,r Kopfwunden vom Pferde gesunken, oben vom Pferde des Feindes herab bei- gebracht worden." „Der Prinz wurde in der fürstlichen Gast der Se. Johanniskirche hier bei- gesetzt und erst im Jahre 1811 nach Berlin gebracht." Ueber das Ende des Prinzen selbst hat Hr. Windorf folgende Aufzeich¬ nung gemacht: „Das zunächst an der Straße von hier nach Rudolstadt links gelegene ") In dem Französischen deS Triers heißt es: „aveo ton» leg egarä« «tu» ü, sou rang et » soll iotorwne". ") Also nicht dreizehn, wie Rüste v, L,, Varnhogen u a> erzählen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/94>, abgerufen am 20.10.2024.