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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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Leitung ihn niederdrückten, in rühmlicher Selbsttäuschung seine Hoffnung auf
den Muth und die Tapferkeit des Heeres setzte, ja sogar den Kampf ohne Sieg,
wie der bevorstehende zu werden drohte, wenn er nur ehrenvoll war. einem
schmachvollen Nachgeben vorzog." Aber wenn der Prinz auch fest entschlossen
war. wie er oft zu Nadel gesagt hatte, den Sturz seines Vaterlandes nicht zu
überleben, so lag in der hier charakterisirten Stimmung wahrlich nicbt der Ent¬
schluß eines jähen Todes, sondern vielmehr der äußersten eigenen Anstrengung.
War er es doch vor anderen gewesen, der zum Kriege gedrängt hatte! Sicher
ist. daß der Prinz am Abend des 9. October, den er in Rudolstadt zubrachte,
heiter gestimmt war, indem er von dem folgenden Tage offenbar das Beste er¬
wartete. Unwahr ist das Gerede, er habe die Nacht vor dem Gefechte im Ru-
dolstädter Schlosse verschwärmt. Er zog sich früh mit der fürstlichen Familie
in deren Zimmer zurück. Noch lange wußte die Fürstin Caroline von dem
einzigen Clavierspiel zu erzählen, in>t dem er sie dort entzückt und in welchem
eine Ahnung des nachfolgenden Jammers ausgedrückt war.

Hier bietet sich ferner die Frage zur Erörterung dar, ob der Prinz am
folgenden Tage im guten Glauben an seine Pflicht und an sein Recht gehandelt
habe oder ob in seinem Verfahren eine Schuld entstand, die ihn in den Tob
treiben mochte. Von Seiten derer, welche für Hohenlohe und Massenbach ein¬
zustehen ein Interesse hatten, ist dies behauptet worden. Aber man erwäge
folgende Thatsachen. Alle Maßregeln Hohenlohcs gingen dahin, die Armee,
welche hinter dem Thüringer Walde eine zwecklose Aufstellung genommen hatte,
auf dqs rechte Saalufer hinüberzuziehen, mindestens sich mit dem eigenen Corps
von der Haupiaimee zu emancipiren. Der Herzog von Braunschweig war
diesen Bestrebungen zuerst principiell entgegengetreten, in der Ueberzeugung, daß,
wenn er selbst nicht angreife, er auch nicht angegriffen werde und der Krieg,
den er nicht wünschte, so noch vermieden werden würde; dann, als der
Plan Napoleons sich unzweideutig zu erkennen gegeben, hatte er erklärt, daß
die ganze Armee die Saale repassiren solle, daß aber der Fürst nicht eher hin¬
übergehen dürfe, als bis das Ganze an den Uebergangspunkten versammelt
sei. Trotz dieser zu wiederholten Malen deutlich ausgesprochenen Bestimmungen
hatte der Fürst, überzeugt, daß sein Plan als der vernünftigste im erfurter
Hauptquartier anerkannt werden müsse, bereits etwa die Hälfte seiner Armee
über die Saale in die Stellung von Mittel-Pöllnitz vorgeschoben und die Di-
Visions-Commandeurs von seiner Absicht unterrichtet, am 10. Oct. über die
Saale zu gehen und nach Neustadt und Mittel-Pöllnitz zu marschiren. Dem
Prinzen Louis Ferdinand wurde in der Nacht auf den 9. Oct. nach Stadt-Ilm
der Befehl gesandt: "mit der bei Rudolstadt zu versammelnden Avantgarde die
Posten von Rudolstadt und Blankenburg bis zur Ankunft der Avantgarde der
Hauptarmxe z" vertheidigen, si-b sodann über die Salate in die Gegend von


Leitung ihn niederdrückten, in rühmlicher Selbsttäuschung seine Hoffnung auf
den Muth und die Tapferkeit des Heeres setzte, ja sogar den Kampf ohne Sieg,
wie der bevorstehende zu werden drohte, wenn er nur ehrenvoll war. einem
schmachvollen Nachgeben vorzog." Aber wenn der Prinz auch fest entschlossen
war. wie er oft zu Nadel gesagt hatte, den Sturz seines Vaterlandes nicht zu
überleben, so lag in der hier charakterisirten Stimmung wahrlich nicbt der Ent¬
schluß eines jähen Todes, sondern vielmehr der äußersten eigenen Anstrengung.
War er es doch vor anderen gewesen, der zum Kriege gedrängt hatte! Sicher
ist. daß der Prinz am Abend des 9. October, den er in Rudolstadt zubrachte,
heiter gestimmt war, indem er von dem folgenden Tage offenbar das Beste er¬
wartete. Unwahr ist das Gerede, er habe die Nacht vor dem Gefechte im Ru-
dolstädter Schlosse verschwärmt. Er zog sich früh mit der fürstlichen Familie
in deren Zimmer zurück. Noch lange wußte die Fürstin Caroline von dem
einzigen Clavierspiel zu erzählen, in>t dem er sie dort entzückt und in welchem
eine Ahnung des nachfolgenden Jammers ausgedrückt war.

Hier bietet sich ferner die Frage zur Erörterung dar, ob der Prinz am
folgenden Tage im guten Glauben an seine Pflicht und an sein Recht gehandelt
habe oder ob in seinem Verfahren eine Schuld entstand, die ihn in den Tob
treiben mochte. Von Seiten derer, welche für Hohenlohe und Massenbach ein¬
zustehen ein Interesse hatten, ist dies behauptet worden. Aber man erwäge
folgende Thatsachen. Alle Maßregeln Hohenlohcs gingen dahin, die Armee,
welche hinter dem Thüringer Walde eine zwecklose Aufstellung genommen hatte,
auf dqs rechte Saalufer hinüberzuziehen, mindestens sich mit dem eigenen Corps
von der Haupiaimee zu emancipiren. Der Herzog von Braunschweig war
diesen Bestrebungen zuerst principiell entgegengetreten, in der Ueberzeugung, daß,
wenn er selbst nicht angreife, er auch nicht angegriffen werde und der Krieg,
den er nicht wünschte, so noch vermieden werden würde; dann, als der
Plan Napoleons sich unzweideutig zu erkennen gegeben, hatte er erklärt, daß
die ganze Armee die Saale repassiren solle, daß aber der Fürst nicht eher hin¬
übergehen dürfe, als bis das Ganze an den Uebergangspunkten versammelt
sei. Trotz dieser zu wiederholten Malen deutlich ausgesprochenen Bestimmungen
hatte der Fürst, überzeugt, daß sein Plan als der vernünftigste im erfurter
Hauptquartier anerkannt werden müsse, bereits etwa die Hälfte seiner Armee
über die Saale in die Stellung von Mittel-Pöllnitz vorgeschoben und die Di-
Visions-Commandeurs von seiner Absicht unterrichtet, am 10. Oct. über die
Saale zu gehen und nach Neustadt und Mittel-Pöllnitz zu marschiren. Dem
Prinzen Louis Ferdinand wurde in der Nacht auf den 9. Oct. nach Stadt-Ilm
der Befehl gesandt: „mit der bei Rudolstadt zu versammelnden Avantgarde die
Posten von Rudolstadt und Blankenburg bis zur Ankunft der Avantgarde der
Hauptarmxe z« vertheidigen, si-b sodann über die Salate in die Gegend von


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/89>, abgerufen am 20.10.2024.