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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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läßt, und die steile Straße zur Tauber hinab verfolgt, der schreitet noch auf
der schönen steinernen Brücke mit zwei Bogenreihen über einander, die im Jahre
1330 begonnen wurde, über den Fluß; hat er durch die Weinberge hinauf die
linke westliche Seite des Thales gewonnen und wendet er sich dann zurück, so
erblickt er die Westfront der wohlbewehrten Stadt, wie sie sich an dem Plateau¬
rande über einen gegen 200 Fuß hohen Absturz hinzieht. Am Klingenthore,
ganz zur Linken, steht die spätgothische Wolfgangskapelle mit breiten Fenstern
und einem kleinen spitzen Thurme, vor der Reformation das Heiligthum der
Schuster; sie ist an dem Graben hin außen durch ein starkes Bollwerk gedeckt
und schmiegt sich fast verborgen in einen Winkel des Hofraums, zwischen dem
innern hohen Hofthurm und dem niedrigen Außenpförtchen. Und wieder an
der äußersten Rechten ragt der Wildbaderthurm, er verstärkt die Südwestseite
der Ringmauer, ist durch einen tief in den Felsen eingehauene" Graben von
der Stadtmauer getrennt, aber durch einen steinernen Bogen in der Höhe wieder
mit ihr verbunden. Und gleich vorn streckt sich die Felsenzunge des Burghügels
hervor, wohl 350 Schritt weit in das Thal reicht er und nöthigt die Tauber
zu einem ansehnlichen Umwege; er ist durch die Befestigungen von der Stadt
getrennt, durch das Burgthor aber mit ihr in Verbindung gesetzt. Nur noch
die Kapelle der ehemaligen Reichsburg ragt auf ihm ein wenig aus den grünen
Bäumen hervor, denn die Rotenvurger haben das Burgplateau zu einer reizen¬
den Promenade umgeschaffen. Die Kapelle selbst ist ein niedriges thurmähnliches
Gebäude, ihre gewaltigen Grundmauern aus den Zeiten der ersten Anlage sind
leicht zu unterscheiden von den oberen um 1400 aufgesetzten Theilen, in welche
Fragmente aus älterer Zeit, spätromanische Bauthcile, unter anderm ein hüb¬
scher Kleeblattbogen, wunderlich eingefügt sind. Aber auch der Thalgrund zu
Füßen des Beschauers zeigt bemerkenswerihe Stellen. Ihn durchschlängelt die
junge Tauber, welche mehrfache Mühlwerke treibt. Oberhalb der Brücke liegt
dort das Wildbad, dessen Quelle nach dem Erdbeben von 1356 hervorbrach;
Heinrich Töpler ließ das erste Gebäude darüber setzen. Dann liegt dort die
anmuthige kleine Kobolzeller Kirche, spätgothischen Stils, ein Bau von zierli¬
chen Verhältnissen, der 1804 durch die Summe von 500 Gulden glücklich vom
Abbruch losgekauft wurde. Endlich gerade am Fuße der Burg, wo das Thal
sich wieder verengt, steht ein origineller Bau. Ein thurmartigcr Unterbau steigt
gegen 30 Fuß aus einem Graben empor, der leicht unter Wasser zu setzen ist,
und darüber ein kleines zweistöckiges Wohnhaus, das an allen Vier Seiten etwas
über denselben hervorragt, seine enge Thür hängt durch eine Brücke über den
Graben mit dem Lande zusammen. Dieses kleine feste Wasserhaus hat sich
Töpler erbaut, vielleicht in Voraussicht einer verhängnißvollen Zukunft. Er
hatte sich vom Rath den unwirthbaren wilden Felsgrund 1386 zuweisen lassen
und schuf denselben in kurzer Frist in anmuthigster Weise zu einem "Rosen-


läßt, und die steile Straße zur Tauber hinab verfolgt, der schreitet noch auf
der schönen steinernen Brücke mit zwei Bogenreihen über einander, die im Jahre
1330 begonnen wurde, über den Fluß; hat er durch die Weinberge hinauf die
linke westliche Seite des Thales gewonnen und wendet er sich dann zurück, so
erblickt er die Westfront der wohlbewehrten Stadt, wie sie sich an dem Plateau¬
rande über einen gegen 200 Fuß hohen Absturz hinzieht. Am Klingenthore,
ganz zur Linken, steht die spätgothische Wolfgangskapelle mit breiten Fenstern
und einem kleinen spitzen Thurme, vor der Reformation das Heiligthum der
Schuster; sie ist an dem Graben hin außen durch ein starkes Bollwerk gedeckt
und schmiegt sich fast verborgen in einen Winkel des Hofraums, zwischen dem
innern hohen Hofthurm und dem niedrigen Außenpförtchen. Und wieder an
der äußersten Rechten ragt der Wildbaderthurm, er verstärkt die Südwestseite
der Ringmauer, ist durch einen tief in den Felsen eingehauene» Graben von
der Stadtmauer getrennt, aber durch einen steinernen Bogen in der Höhe wieder
mit ihr verbunden. Und gleich vorn streckt sich die Felsenzunge des Burghügels
hervor, wohl 350 Schritt weit in das Thal reicht er und nöthigt die Tauber
zu einem ansehnlichen Umwege; er ist durch die Befestigungen von der Stadt
getrennt, durch das Burgthor aber mit ihr in Verbindung gesetzt. Nur noch
die Kapelle der ehemaligen Reichsburg ragt auf ihm ein wenig aus den grünen
Bäumen hervor, denn die Rotenvurger haben das Burgplateau zu einer reizen¬
den Promenade umgeschaffen. Die Kapelle selbst ist ein niedriges thurmähnliches
Gebäude, ihre gewaltigen Grundmauern aus den Zeiten der ersten Anlage sind
leicht zu unterscheiden von den oberen um 1400 aufgesetzten Theilen, in welche
Fragmente aus älterer Zeit, spätromanische Bauthcile, unter anderm ein hüb¬
scher Kleeblattbogen, wunderlich eingefügt sind. Aber auch der Thalgrund zu
Füßen des Beschauers zeigt bemerkenswerihe Stellen. Ihn durchschlängelt die
junge Tauber, welche mehrfache Mühlwerke treibt. Oberhalb der Brücke liegt
dort das Wildbad, dessen Quelle nach dem Erdbeben von 1356 hervorbrach;
Heinrich Töpler ließ das erste Gebäude darüber setzen. Dann liegt dort die
anmuthige kleine Kobolzeller Kirche, spätgothischen Stils, ein Bau von zierli¬
chen Verhältnissen, der 1804 durch die Summe von 500 Gulden glücklich vom
Abbruch losgekauft wurde. Endlich gerade am Fuße der Burg, wo das Thal
sich wieder verengt, steht ein origineller Bau. Ein thurmartigcr Unterbau steigt
gegen 30 Fuß aus einem Graben empor, der leicht unter Wasser zu setzen ist,
und darüber ein kleines zweistöckiges Wohnhaus, das an allen Vier Seiten etwas
über denselben hervorragt, seine enge Thür hängt durch eine Brücke über den
Graben mit dem Lande zusammen. Dieses kleine feste Wasserhaus hat sich
Töpler erbaut, vielleicht in Voraussicht einer verhängnißvollen Zukunft. Er
hatte sich vom Rath den unwirthbaren wilden Felsgrund 1386 zuweisen lassen
und schuf denselben in kurzer Frist in anmuthigster Weise zu einem „Rosen-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/65>, abgerufen am 27.09.2024.