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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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von den maßgebenden Kreisen nur spärlich unterstützt, fühlt sich in seiner Ent¬
faltung nach allen Seiten hin beengt. Wahrend das Couservatorium zu Mai¬
land einst eine jährliche Dotation von 37,000 si. in Silber von der sser. Re¬
gierung genoß, muß sich die im Herzen der Monarchie, in einer der Haupt¬
stadt des Landes bestehende Anstalt, in geradezu unwürdiger Weise mit einer kaum
nennenswerthen Unterstützung von Hof und Magistrat begnügen. Und doch
wird einer Anstalt, die den Sinn für Musik in alle Schichten der Bevölkerung
verbreiten, bei zahlreichen Künstlern den Grund zu ihrer künstigen Existenz legen
und neue Talente wecken soll, ganz besondere Wichtigkeit zugeschrieben werden
müssen. Selbst das in Sachen der Musik so oft verschriene England beschämt uns,
die wir doch an der Quelle selbst sitzen, in dieser wie in mancher anderen Be¬
ziehung. Wo fände sich in Wien ein Mäcen, der gleich dem schottischen
General Reed, einem Privatmanne, die Summe von L2.000 Pfd. Stig. zur
Gründung einer Musik-Professur für ewige Zeiten legirte! Das weit abgelegene
Irland preist in seiner Einfalt freilich Länder an, die mehr für Musikbildung
zu leisten im Stande seien, als England. Die Times vom 11. Dec. 1866
berichtete, daß eine Deputation irischer Musikfreunde dem Lord-Lieutenant von
Irland ein Memorial überreichte, um vom Parlament eine angemessenere Unter¬
stützung der Musikacademie in Dublin zu erbitten. Der ehrenwerthe Lord nahm
die Deputation gnädig aus und versicherte, daß er sein Möglichstes thun werde,
eine Sache, die ihn persönlich interessire, zu fördern; müsse er doch eingestehen,
daß die 600 Pfd. Stig>, mit denen die Academie bisher jährlich unterstützt
worden, eine allzu geringe Summe bildeten. "Kein Staat in Europa gäbe
so wenig für solchen Zweck!"

Blickt man das wiener Conservatvriumsgcbäude unter den Tuchlauben auch
nur flüchtig an, so wird man anders urtheilen. Die Uebungssäle sind unzurei¬
chend, die Schulzimmer eng und dumpf, zum Theil mittelst Mauerdurchbruch in
die anstoßenden Häuser, zum Theil in das vierte Stockwerk verlegt, wo die Ge¬
sangsschüler auf schmaler Wendeltreppe keuchend anlangen. Das kostbare Ar¬
chiv, die Bibliothek, ebenfalls über 4 Stiegen untergebracht, sind bei der ge¬
ringsten Feuersgefahr unrettbar verloren; eine besondere Abtheilung des Archivs,
das Nudolsinum, ein großartiges Vermächtniß des verstorbenen Erzherzogs
Rudolf, ist aus Mangel an Platz in einem Nebengemach des Musiksaales auf¬
gestellt, das zugleich als Garderobe und als Rumpelkammer für Tische und
Stühle dient, für Archivzwecke somit kaum zu benutzen ist; zu Kanzlei- und
Direktionssitzungszimmern dienen endlich wahrhaft burgvcrließähnliche Räume.
Fürwahr, wenn je ein Neubau mit Recht herbeigeseufzt wurde, so ist es der
eines neuen Conservatoriums. Mit dem Bau eines solchen ist freilich begon¬
nen worden, nachdem auf dreimaliges Bittgesuch ein ausgiebiger Flächenraum
auf den ehemaligen Glacisgründen bewilligt und auch der Ertrag einer offene-


von den maßgebenden Kreisen nur spärlich unterstützt, fühlt sich in seiner Ent¬
faltung nach allen Seiten hin beengt. Wahrend das Couservatorium zu Mai¬
land einst eine jährliche Dotation von 37,000 si. in Silber von der sser. Re¬
gierung genoß, muß sich die im Herzen der Monarchie, in einer der Haupt¬
stadt des Landes bestehende Anstalt, in geradezu unwürdiger Weise mit einer kaum
nennenswerthen Unterstützung von Hof und Magistrat begnügen. Und doch
wird einer Anstalt, die den Sinn für Musik in alle Schichten der Bevölkerung
verbreiten, bei zahlreichen Künstlern den Grund zu ihrer künstigen Existenz legen
und neue Talente wecken soll, ganz besondere Wichtigkeit zugeschrieben werden
müssen. Selbst das in Sachen der Musik so oft verschriene England beschämt uns,
die wir doch an der Quelle selbst sitzen, in dieser wie in mancher anderen Be¬
ziehung. Wo fände sich in Wien ein Mäcen, der gleich dem schottischen
General Reed, einem Privatmanne, die Summe von L2.000 Pfd. Stig. zur
Gründung einer Musik-Professur für ewige Zeiten legirte! Das weit abgelegene
Irland preist in seiner Einfalt freilich Länder an, die mehr für Musikbildung
zu leisten im Stande seien, als England. Die Times vom 11. Dec. 1866
berichtete, daß eine Deputation irischer Musikfreunde dem Lord-Lieutenant von
Irland ein Memorial überreichte, um vom Parlament eine angemessenere Unter¬
stützung der Musikacademie in Dublin zu erbitten. Der ehrenwerthe Lord nahm
die Deputation gnädig aus und versicherte, daß er sein Möglichstes thun werde,
eine Sache, die ihn persönlich interessire, zu fördern; müsse er doch eingestehen,
daß die 600 Pfd. Stig>, mit denen die Academie bisher jährlich unterstützt
worden, eine allzu geringe Summe bildeten. „Kein Staat in Europa gäbe
so wenig für solchen Zweck!"

Blickt man das wiener Conservatvriumsgcbäude unter den Tuchlauben auch
nur flüchtig an, so wird man anders urtheilen. Die Uebungssäle sind unzurei¬
chend, die Schulzimmer eng und dumpf, zum Theil mittelst Mauerdurchbruch in
die anstoßenden Häuser, zum Theil in das vierte Stockwerk verlegt, wo die Ge¬
sangsschüler auf schmaler Wendeltreppe keuchend anlangen. Das kostbare Ar¬
chiv, die Bibliothek, ebenfalls über 4 Stiegen untergebracht, sind bei der ge¬
ringsten Feuersgefahr unrettbar verloren; eine besondere Abtheilung des Archivs,
das Nudolsinum, ein großartiges Vermächtniß des verstorbenen Erzherzogs
Rudolf, ist aus Mangel an Platz in einem Nebengemach des Musiksaales auf¬
gestellt, das zugleich als Garderobe und als Rumpelkammer für Tische und
Stühle dient, für Archivzwecke somit kaum zu benutzen ist; zu Kanzlei- und
Direktionssitzungszimmern dienen endlich wahrhaft burgvcrließähnliche Räume.
Fürwahr, wenn je ein Neubau mit Recht herbeigeseufzt wurde, so ist es der
eines neuen Conservatoriums. Mit dem Bau eines solchen ist freilich begon¬
nen worden, nachdem auf dreimaliges Bittgesuch ein ausgiebiger Flächenraum
auf den ehemaligen Glacisgründen bewilligt und auch der Ertrag einer offene-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/476>, abgerufen am 27.09.2024.