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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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würdigen Glänze ausstattete. Nur ein großer Redner könnte alle Einzelnheiten
der großartigen Zurüstungen aller Art angemessen schildern. Da waren Gla¬
diatoren von berühmter Tapferkeit. Jäger von bewährter Gewandtheit, zum
Tode verurtheilte Verbrecher, die in aller Seelenruhe sich zum Fraß der wilden
Thiere mästen ließen. Da waren thurmhohe hölzerne Maschinen mit beweg¬
lichen Stockwerken, wie fahrbare Häuser, bunte Schildereien, schön geschmückte
Käfige für die Thierhetze. Und was für eine Menge der verschiedenartigsten
Bestien! Denn seine Verbrecher sollten von edlen Thieren zerfleischt werden.
Vor allem hatte er ein Vermögen darangewandt, eine große Menge von Bären
zusammenzubringen, die er auf eigenen Jagden gefangen, mit großen Summen
erkauft, von Freunden von allen Seiten her geschenkt erhalten hatte und unter sorg¬
fältigem Verschluß mit großem Aufwand fütterte. Aber diese glänzenden Vorbe¬
reitungen zum öffentlichen Vergnügen entgingen nicht den scheelen Blicken des
Neides. Die Thiere, durch die lange Gefangenschaft ermattet, von der Sonnenhitze
erschöpft, durch den Mangel an Bewegung erschlafft, wurden von einer plötzlichen
Seuche ergriffen und aus eine kleine Zahl reducirt. Auf den Straßen lagen
halbtodte Bestien wie Schiffswracks umher und die gemeinen Leute, welche der
Mangel zwingt, ohne Auswahl auch nach widerwärtigen Nahrungsmitteln, wenn
sie nichts kosten, zu greifen, nahmen sich die Braten mit, welche sie auf der
Straße fanden. Unter diesen Umständen fasse ich mit einem Kameraden einen
schlauen Plan. Wir tragen einen Bären von ganz ungewöhnlicher Größe, als
gedächten wir ihn zu verzehren, in unsere Herberge; dort ziehen wir die Haut
sorgfältig ab. so daß die Tatzen und der ganze Kopf bis zum Nacken unver¬
sehrt bleiben. schaben die innere Seite ab und lassen sie mit Asche bestreut an
der Sonne trocknen. Während die Sonnenstrahlen sie ausdörren, nähren wir
uns von dem Fleisch und entwerfen unseren Feldzugsplan so. daß einer, der
sich mehr durch Geistes- als Körperstärke auszeichnet, freiwillig sich in die
Bärenhaut stecke, dem Demochares ins Haus gebracht werden und bei günstiger Ge¬
legenheit Nachts uns die Thüre öffnen sollte. Nicht wenigen von der tapferen
Bande gab der kühne Plan Kühnheit zur Ausführung; vor den übrigen aber
wurde einstimmig Thrasyleon erwählt, das gefährliche Wagstück zu über¬
nehmen. Mit heiterer Miene steckte er sich in die weich und geschmeidig gewor¬
dene Bärenhaut; dann reiheten wir die Ränder wieder zusammen und verdeckten
die seinen Nähte mit dem darüber gestrichenen zottigen Haar, durch den Schlund,
wo der Nacken des Thiers weggeschnitten war, zwängten wir den Kopf des
Thrasyleon und gaben ihm durch kleine Einschnitte bei der Schnauze und den
Augen Spielraum zum Athmen. Nachdem wir unseren tapferen Kameraden so
völlig verthiert hatten, steckten wir ihn in einen um mäßigen Preis erhandel¬
ten Käfig, in den er mit standhafter Entschlossenheit selbst rasch hineinkletterte.
Nach diesen Vorbereitungen schritten wir zur Ausführung unserer Kriegslist.


würdigen Glänze ausstattete. Nur ein großer Redner könnte alle Einzelnheiten
der großartigen Zurüstungen aller Art angemessen schildern. Da waren Gla¬
diatoren von berühmter Tapferkeit. Jäger von bewährter Gewandtheit, zum
Tode verurtheilte Verbrecher, die in aller Seelenruhe sich zum Fraß der wilden
Thiere mästen ließen. Da waren thurmhohe hölzerne Maschinen mit beweg¬
lichen Stockwerken, wie fahrbare Häuser, bunte Schildereien, schön geschmückte
Käfige für die Thierhetze. Und was für eine Menge der verschiedenartigsten
Bestien! Denn seine Verbrecher sollten von edlen Thieren zerfleischt werden.
Vor allem hatte er ein Vermögen darangewandt, eine große Menge von Bären
zusammenzubringen, die er auf eigenen Jagden gefangen, mit großen Summen
erkauft, von Freunden von allen Seiten her geschenkt erhalten hatte und unter sorg¬
fältigem Verschluß mit großem Aufwand fütterte. Aber diese glänzenden Vorbe¬
reitungen zum öffentlichen Vergnügen entgingen nicht den scheelen Blicken des
Neides. Die Thiere, durch die lange Gefangenschaft ermattet, von der Sonnenhitze
erschöpft, durch den Mangel an Bewegung erschlafft, wurden von einer plötzlichen
Seuche ergriffen und aus eine kleine Zahl reducirt. Auf den Straßen lagen
halbtodte Bestien wie Schiffswracks umher und die gemeinen Leute, welche der
Mangel zwingt, ohne Auswahl auch nach widerwärtigen Nahrungsmitteln, wenn
sie nichts kosten, zu greifen, nahmen sich die Braten mit, welche sie auf der
Straße fanden. Unter diesen Umständen fasse ich mit einem Kameraden einen
schlauen Plan. Wir tragen einen Bären von ganz ungewöhnlicher Größe, als
gedächten wir ihn zu verzehren, in unsere Herberge; dort ziehen wir die Haut
sorgfältig ab. so daß die Tatzen und der ganze Kopf bis zum Nacken unver¬
sehrt bleiben. schaben die innere Seite ab und lassen sie mit Asche bestreut an
der Sonne trocknen. Während die Sonnenstrahlen sie ausdörren, nähren wir
uns von dem Fleisch und entwerfen unseren Feldzugsplan so. daß einer, der
sich mehr durch Geistes- als Körperstärke auszeichnet, freiwillig sich in die
Bärenhaut stecke, dem Demochares ins Haus gebracht werden und bei günstiger Ge¬
legenheit Nachts uns die Thüre öffnen sollte. Nicht wenigen von der tapferen
Bande gab der kühne Plan Kühnheit zur Ausführung; vor den übrigen aber
wurde einstimmig Thrasyleon erwählt, das gefährliche Wagstück zu über¬
nehmen. Mit heiterer Miene steckte er sich in die weich und geschmeidig gewor¬
dene Bärenhaut; dann reiheten wir die Ränder wieder zusammen und verdeckten
die seinen Nähte mit dem darüber gestrichenen zottigen Haar, durch den Schlund,
wo der Nacken des Thiers weggeschnitten war, zwängten wir den Kopf des
Thrasyleon und gaben ihm durch kleine Einschnitte bei der Schnauze und den
Augen Spielraum zum Athmen. Nachdem wir unseren tapferen Kameraden so
völlig verthiert hatten, steckten wir ihn in einen um mäßigen Preis erhandel¬
ten Käfig, in den er mit standhafter Entschlossenheit selbst rasch hineinkletterte.
Nach diesen Vorbereitungen schritten wir zur Ausführung unserer Kriegslist.


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[0461] würdigen Glänze ausstattete. Nur ein großer Redner könnte alle Einzelnheiten der großartigen Zurüstungen aller Art angemessen schildern. Da waren Gla¬ diatoren von berühmter Tapferkeit. Jäger von bewährter Gewandtheit, zum Tode verurtheilte Verbrecher, die in aller Seelenruhe sich zum Fraß der wilden Thiere mästen ließen. Da waren thurmhohe hölzerne Maschinen mit beweg¬ lichen Stockwerken, wie fahrbare Häuser, bunte Schildereien, schön geschmückte Käfige für die Thierhetze. Und was für eine Menge der verschiedenartigsten Bestien! Denn seine Verbrecher sollten von edlen Thieren zerfleischt werden. Vor allem hatte er ein Vermögen darangewandt, eine große Menge von Bären zusammenzubringen, die er auf eigenen Jagden gefangen, mit großen Summen erkauft, von Freunden von allen Seiten her geschenkt erhalten hatte und unter sorg¬ fältigem Verschluß mit großem Aufwand fütterte. Aber diese glänzenden Vorbe¬ reitungen zum öffentlichen Vergnügen entgingen nicht den scheelen Blicken des Neides. Die Thiere, durch die lange Gefangenschaft ermattet, von der Sonnenhitze erschöpft, durch den Mangel an Bewegung erschlafft, wurden von einer plötzlichen Seuche ergriffen und aus eine kleine Zahl reducirt. Auf den Straßen lagen halbtodte Bestien wie Schiffswracks umher und die gemeinen Leute, welche der Mangel zwingt, ohne Auswahl auch nach widerwärtigen Nahrungsmitteln, wenn sie nichts kosten, zu greifen, nahmen sich die Braten mit, welche sie auf der Straße fanden. Unter diesen Umständen fasse ich mit einem Kameraden einen schlauen Plan. Wir tragen einen Bären von ganz ungewöhnlicher Größe, als gedächten wir ihn zu verzehren, in unsere Herberge; dort ziehen wir die Haut sorgfältig ab. so daß die Tatzen und der ganze Kopf bis zum Nacken unver¬ sehrt bleiben. schaben die innere Seite ab und lassen sie mit Asche bestreut an der Sonne trocknen. Während die Sonnenstrahlen sie ausdörren, nähren wir uns von dem Fleisch und entwerfen unseren Feldzugsplan so. daß einer, der sich mehr durch Geistes- als Körperstärke auszeichnet, freiwillig sich in die Bärenhaut stecke, dem Demochares ins Haus gebracht werden und bei günstiger Ge¬ legenheit Nachts uns die Thüre öffnen sollte. Nicht wenigen von der tapferen Bande gab der kühne Plan Kühnheit zur Ausführung; vor den übrigen aber wurde einstimmig Thrasyleon erwählt, das gefährliche Wagstück zu über¬ nehmen. Mit heiterer Miene steckte er sich in die weich und geschmeidig gewor¬ dene Bärenhaut; dann reiheten wir die Ränder wieder zusammen und verdeckten die seinen Nähte mit dem darüber gestrichenen zottigen Haar, durch den Schlund, wo der Nacken des Thiers weggeschnitten war, zwängten wir den Kopf des Thrasyleon und gaben ihm durch kleine Einschnitte bei der Schnauze und den Augen Spielraum zum Athmen. Nachdem wir unseren tapferen Kameraden so völlig verthiert hatten, steckten wir ihn in einen um mäßigen Preis erhandel¬ ten Käfig, in den er mit standhafter Entschlossenheit selbst rasch hineinkletterte. Nach diesen Vorbereitungen schritten wir zur Ausführung unserer Kriegslist.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/461>, abgerufen am 27.09.2024.