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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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Als 1860 der Desaleberry bei Spieckeroog in Gefahr gerathen war und
Hilfe begehrt hatte, versuchten die Berger, das Schiff aus eine andre zum Ber¬
gen besser geeignete Stelle zu schaffen. Dieser Versuch nahm mehre Tage in
Anspruch. Inzwischen hatte der telegraphisch benachrichtigte Rheder den hambur-.
ger Dampfer Simson gechartert und an Ort und Stelle gesandt und wollte mit
dessen Hilfe versuchen, den Desaleberry wieder in tiefes Wasser zu bugsnen.
Die Berger widersehten sich und ließen zur Sicherung ihres Bergelohns das
Schiff mit Arrest belegen. Da der Agent des Nheders die übergroße Cautions-
summe, die gefordert wurde, nicht sofort hinterlegen konnte, mühte er nachgeben,
und die Berger mietheten nun ihrerseits den Hamburger Dampfer, um den
Desaleberry auf den Strand zu bringen.

So kann die gesetzliche Befugniß des Schiffscapitäns, die Führung des auch
schon von Bergern besetzten Schiffes jederzeit wieder zu übernehmen, stets illu¬
sorisch gemacht werden durch die Forderung der Cautionsleiftung für den Berge¬
lohn, die bei dem hohen Betrage in der meist nur kurz bemessenen Zeit selten
oder nie beschafft werden kann.

Fragt man nun, wie Besserung zu schaffen, so erwidern wir einfach: man
gebe es auf. im angeblichen Interesse der Rheder eine besondere Fürsorge
für gestrandete Schiffe im Wege der Gesetzgebung zu treffen; man lasse einfach
die allgemeinen Rechtsregeln auch hier zur Anwendung kommen.

Man beseitige vor allem die unnatürliche Zwangspflicht zum Bergen und
halte dann fest an dem Satze, daß der SchWführer weder dadurch, daß er
Hilfe begehrt, noch dadurch, daß er mit der Mannschaft das Schiff verläßt,
dasselbe im rechtlichen Sinne derelinquirt oder auf die Disposition darüber
verzichtet. Damit fällt natürlich jedes Recht zum Bergen ohne ausdrückliche
Einwilligung des Schiffsführers.

Man erkläre, wie auch jetzt schon der Fall ist, jeden während der Gefahr
abgeschlossenen Bergevertrag für nichtig und überlasse es lediglich dem Schiffs¬
führer, nachdem er gerettet am Lande sich befindet, mit beliebigen frei von ihm
auszuwählenden Personen wegen der Bergungsarbeiten zu accordiren. Man
bestimme, daß, falls solcher Accord nicht abgeschlossen oder nichtig oder zweifel¬
haft wird, der Richter, der dann ex bono irrbitrio den Bergelohn zu bestim¬
men haben wird, diesen auf keinen höhern Betrag normiren darf, als die
Berger während der zur Bergung verwendeten Zeit in Ausübung ihrer Berufs¬
arbeit im günstigsten Falle bei angestrengtester Thätigkeit hätten verdienen können.

Für den Fall aber, daß die Mannschaft umkommt oder ein schon früher
von derselben verlassenes Schiff strandet, bestelle man dafür, wie für jedes
andere zur Zeit herrenlose Vermögen, einen eurirtor adssutis, dem es dann
zunächst obliegt, den Rheder zu benachrichtigen und bis zu dessen Eintreffen sein
Interesse wahrzunehmen.


Als 1860 der Desaleberry bei Spieckeroog in Gefahr gerathen war und
Hilfe begehrt hatte, versuchten die Berger, das Schiff aus eine andre zum Ber¬
gen besser geeignete Stelle zu schaffen. Dieser Versuch nahm mehre Tage in
Anspruch. Inzwischen hatte der telegraphisch benachrichtigte Rheder den hambur-.
ger Dampfer Simson gechartert und an Ort und Stelle gesandt und wollte mit
dessen Hilfe versuchen, den Desaleberry wieder in tiefes Wasser zu bugsnen.
Die Berger widersehten sich und ließen zur Sicherung ihres Bergelohns das
Schiff mit Arrest belegen. Da der Agent des Nheders die übergroße Cautions-
summe, die gefordert wurde, nicht sofort hinterlegen konnte, mühte er nachgeben,
und die Berger mietheten nun ihrerseits den Hamburger Dampfer, um den
Desaleberry auf den Strand zu bringen.

So kann die gesetzliche Befugniß des Schiffscapitäns, die Führung des auch
schon von Bergern besetzten Schiffes jederzeit wieder zu übernehmen, stets illu¬
sorisch gemacht werden durch die Forderung der Cautionsleiftung für den Berge¬
lohn, die bei dem hohen Betrage in der meist nur kurz bemessenen Zeit selten
oder nie beschafft werden kann.

Fragt man nun, wie Besserung zu schaffen, so erwidern wir einfach: man
gebe es auf. im angeblichen Interesse der Rheder eine besondere Fürsorge
für gestrandete Schiffe im Wege der Gesetzgebung zu treffen; man lasse einfach
die allgemeinen Rechtsregeln auch hier zur Anwendung kommen.

Man beseitige vor allem die unnatürliche Zwangspflicht zum Bergen und
halte dann fest an dem Satze, daß der SchWführer weder dadurch, daß er
Hilfe begehrt, noch dadurch, daß er mit der Mannschaft das Schiff verläßt,
dasselbe im rechtlichen Sinne derelinquirt oder auf die Disposition darüber
verzichtet. Damit fällt natürlich jedes Recht zum Bergen ohne ausdrückliche
Einwilligung des Schiffsführers.

Man erkläre, wie auch jetzt schon der Fall ist, jeden während der Gefahr
abgeschlossenen Bergevertrag für nichtig und überlasse es lediglich dem Schiffs¬
führer, nachdem er gerettet am Lande sich befindet, mit beliebigen frei von ihm
auszuwählenden Personen wegen der Bergungsarbeiten zu accordiren. Man
bestimme, daß, falls solcher Accord nicht abgeschlossen oder nichtig oder zweifel¬
haft wird, der Richter, der dann ex bono irrbitrio den Bergelohn zu bestim¬
men haben wird, diesen auf keinen höhern Betrag normiren darf, als die
Berger während der zur Bergung verwendeten Zeit in Ausübung ihrer Berufs¬
arbeit im günstigsten Falle bei angestrengtester Thätigkeit hätten verdienen können.

Für den Fall aber, daß die Mannschaft umkommt oder ein schon früher
von derselben verlassenes Schiff strandet, bestelle man dafür, wie für jedes
andere zur Zeit herrenlose Vermögen, einen eurirtor adssutis, dem es dann
zunächst obliegt, den Rheder zu benachrichtigen und bis zu dessen Eintreffen sein
Interesse wahrzunehmen.


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[0429] Als 1860 der Desaleberry bei Spieckeroog in Gefahr gerathen war und Hilfe begehrt hatte, versuchten die Berger, das Schiff aus eine andre zum Ber¬ gen besser geeignete Stelle zu schaffen. Dieser Versuch nahm mehre Tage in Anspruch. Inzwischen hatte der telegraphisch benachrichtigte Rheder den hambur-. ger Dampfer Simson gechartert und an Ort und Stelle gesandt und wollte mit dessen Hilfe versuchen, den Desaleberry wieder in tiefes Wasser zu bugsnen. Die Berger widersehten sich und ließen zur Sicherung ihres Bergelohns das Schiff mit Arrest belegen. Da der Agent des Nheders die übergroße Cautions- summe, die gefordert wurde, nicht sofort hinterlegen konnte, mühte er nachgeben, und die Berger mietheten nun ihrerseits den Hamburger Dampfer, um den Desaleberry auf den Strand zu bringen. So kann die gesetzliche Befugniß des Schiffscapitäns, die Führung des auch schon von Bergern besetzten Schiffes jederzeit wieder zu übernehmen, stets illu¬ sorisch gemacht werden durch die Forderung der Cautionsleiftung für den Berge¬ lohn, die bei dem hohen Betrage in der meist nur kurz bemessenen Zeit selten oder nie beschafft werden kann. Fragt man nun, wie Besserung zu schaffen, so erwidern wir einfach: man gebe es auf. im angeblichen Interesse der Rheder eine besondere Fürsorge für gestrandete Schiffe im Wege der Gesetzgebung zu treffen; man lasse einfach die allgemeinen Rechtsregeln auch hier zur Anwendung kommen. Man beseitige vor allem die unnatürliche Zwangspflicht zum Bergen und halte dann fest an dem Satze, daß der SchWführer weder dadurch, daß er Hilfe begehrt, noch dadurch, daß er mit der Mannschaft das Schiff verläßt, dasselbe im rechtlichen Sinne derelinquirt oder auf die Disposition darüber verzichtet. Damit fällt natürlich jedes Recht zum Bergen ohne ausdrückliche Einwilligung des Schiffsführers. Man erkläre, wie auch jetzt schon der Fall ist, jeden während der Gefahr abgeschlossenen Bergevertrag für nichtig und überlasse es lediglich dem Schiffs¬ führer, nachdem er gerettet am Lande sich befindet, mit beliebigen frei von ihm auszuwählenden Personen wegen der Bergungsarbeiten zu accordiren. Man bestimme, daß, falls solcher Accord nicht abgeschlossen oder nichtig oder zweifel¬ haft wird, der Richter, der dann ex bono irrbitrio den Bergelohn zu bestim¬ men haben wird, diesen auf keinen höhern Betrag normiren darf, als die Berger während der zur Bergung verwendeten Zeit in Ausübung ihrer Berufs¬ arbeit im günstigsten Falle bei angestrengtester Thätigkeit hätten verdienen können. Für den Fall aber, daß die Mannschaft umkommt oder ein schon früher von derselben verlassenes Schiff strandet, bestelle man dafür, wie für jedes andere zur Zeit herrenlose Vermögen, einen eurirtor adssutis, dem es dann zunächst obliegt, den Rheder zu benachrichtigen und bis zu dessen Eintreffen sein Interesse wahrzunehmen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/429>, abgerufen am 20.10.2024.