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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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in Anspruch genommene Hilfslohn, der gesetzlich niedriger sein muß, als
der Bergelohn, wurde auf 480 Thlr. normirt und erst in der Berufungsinstanz
auf 200 Thlr. ermäßigt.

2. Im gleichen Jahre wurde für Binncnbringung des holländischen Schiffes
Vrouw Anne drei dabei beschäftigten Schiffern ein Hilfslohn von 480 Thlr.
endgiltig zugebilligt.

. 3. Im Jahre 1860 strandete an der Insel Spiekeroog die englische Bar?
Desalcberry; der Werth des Geborgenen belief sich auf etwa 18.000 Tblr.; der
Bergclohn wurde in erster Instanz auf 6200 Tblr. festgesetzt; erst in der Be¬
rufungsinstanz gelang den Assecurateuren die Ermäßigung auf 4400 Thlr.

4. Die Bergung des 1866 gestrandeten Dampfers Excelsior hat den Bergern
selbst im Wege des Vergleichs einen Bergelohn von über 12,000 Thlr. eingebracht.

Man steht, es handelt sich hier um ganz erkleckliche Summen und das
Bergen ist ein einträgliches Geschäft. Eine gute Strandung bringt oft einen
besseren und fast müheloseren Perdienst, als es halbjährige schwere Arbeit eines
Matrosen vermag. Darin aber liegt gerade das Gefährliche und Demorali-
strende des heute noch geltenden Bergerechts, daß es aus dem Unglück des
Einen eine Quelle des überreichlicher Gewinnes für Andere macht, daß
das Maß des Bergelohns jeden in gleicher Zeit durch angestrengteste Berufsar¬
beit zu erzielenden Erwerb übersteigt.

Dazu kommen, abgesehen von der großen Versuchung für den Einzelnen,
bei der Bergung heimlich etwas für sich auf die Seite zu bringen, der in
Folge der Bergung und der Versteigerung der Sachen immer stattfindende
Conflux vieler Fremder, der Erwcrbsneid, der dabei unausbleibliche durch
den leichten Verdienst beförderte Branntweingenuß, die nur zu häusig wegen
des Bcrgelohns entstehenden Processe?c., kurz lauter Momente, die nur verderb¬
lich wirken.

Woher kommt es, daß die Zahl der auf den Nordseeinseln gehaltenen See¬
schiffe sich beständig mindert, während die der festländischen Häfen sich jährlich
vermehrt? Woher kommt es, daß die fischreiche Nordsee so wenig von der
Küstenbevölkerung ausgebeutet wird? Wahrlich, nicht einer der unbedeutendsten
Factoren dabei ist der leichte Gewinn aus den Strandungcn, der die Leute
fest hält zu Hause, um ja nicht einen Strandungsfall sich entgehen zu lassen,
der mit einem Schlage ihnen mehr einbringt, als sonst oft wochenlange Arbeit,
und der -- wie gewonnen so zerronnen -- in entnervenden Branntweingelagen
bald wieder verzecht wird. Ist es doch eine zwar haarsträubende aber wahre
Thatsache, daß die kleine Insel Norderney, völlig abgesehen von dem Consum
der Badeverwaltung und der Badegäste, mit ihren kaum 1000 Einwohnern
nach den amtlichen Steuerlisicn im Jahre 1865 für mehr denn 7000 Thlr.
Genever consumirt hat!


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in Anspruch genommene Hilfslohn, der gesetzlich niedriger sein muß, als
der Bergelohn, wurde auf 480 Thlr. normirt und erst in der Berufungsinstanz
auf 200 Thlr. ermäßigt.

2. Im gleichen Jahre wurde für Binncnbringung des holländischen Schiffes
Vrouw Anne drei dabei beschäftigten Schiffern ein Hilfslohn von 480 Thlr.
endgiltig zugebilligt.

. 3. Im Jahre 1860 strandete an der Insel Spiekeroog die englische Bar?
Desalcberry; der Werth des Geborgenen belief sich auf etwa 18.000 Tblr.; der
Bergclohn wurde in erster Instanz auf 6200 Tblr. festgesetzt; erst in der Be¬
rufungsinstanz gelang den Assecurateuren die Ermäßigung auf 4400 Thlr.

4. Die Bergung des 1866 gestrandeten Dampfers Excelsior hat den Bergern
selbst im Wege des Vergleichs einen Bergelohn von über 12,000 Thlr. eingebracht.

Man steht, es handelt sich hier um ganz erkleckliche Summen und das
Bergen ist ein einträgliches Geschäft. Eine gute Strandung bringt oft einen
besseren und fast müheloseren Perdienst, als es halbjährige schwere Arbeit eines
Matrosen vermag. Darin aber liegt gerade das Gefährliche und Demorali-
strende des heute noch geltenden Bergerechts, daß es aus dem Unglück des
Einen eine Quelle des überreichlicher Gewinnes für Andere macht, daß
das Maß des Bergelohns jeden in gleicher Zeit durch angestrengteste Berufsar¬
beit zu erzielenden Erwerb übersteigt.

Dazu kommen, abgesehen von der großen Versuchung für den Einzelnen,
bei der Bergung heimlich etwas für sich auf die Seite zu bringen, der in
Folge der Bergung und der Versteigerung der Sachen immer stattfindende
Conflux vieler Fremder, der Erwcrbsneid, der dabei unausbleibliche durch
den leichten Verdienst beförderte Branntweingenuß, die nur zu häusig wegen
des Bcrgelohns entstehenden Processe?c., kurz lauter Momente, die nur verderb¬
lich wirken.

Woher kommt es, daß die Zahl der auf den Nordseeinseln gehaltenen See¬
schiffe sich beständig mindert, während die der festländischen Häfen sich jährlich
vermehrt? Woher kommt es, daß die fischreiche Nordsee so wenig von der
Küstenbevölkerung ausgebeutet wird? Wahrlich, nicht einer der unbedeutendsten
Factoren dabei ist der leichte Gewinn aus den Strandungcn, der die Leute
fest hält zu Hause, um ja nicht einen Strandungsfall sich entgehen zu lassen,
der mit einem Schlage ihnen mehr einbringt, als sonst oft wochenlange Arbeit,
und der — wie gewonnen so zerronnen — in entnervenden Branntweingelagen
bald wieder verzecht wird. Ist es doch eine zwar haarsträubende aber wahre
Thatsache, daß die kleine Insel Norderney, völlig abgesehen von dem Consum
der Badeverwaltung und der Badegäste, mit ihren kaum 1000 Einwohnern
nach den amtlichen Steuerlisicn im Jahre 1865 für mehr denn 7000 Thlr.
Genever consumirt hat!


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/427>, abgerufen am 20.10.2024.