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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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In dieser Beziehung ist zunächst zu bemerken, daß einmal die Elbschiff-
sahrtsacte von 1821 jedes Strandrecht an der Elbe für immer aufhebt, sodann
daß Oldenburg 1844 und Hannover 1846 neue Strandungsordnungen erlassen
haben, die sich in den meisten Punkten den 1838 von Holland in dieser Be¬
ziehung gegebenen Vorschriften anschließen. Für Preußen ist ein allgemeines
Strandungsgesetz nicht erlassen.

Ueber die hannoverschen Strandungsordnung möge hier noch angeführt
werden, daß die allgemeinen Stände den Erlaß einer solchen bei der Regierung
dringend beantragten und dabei hervorhoben, "es sei eine bestimmte Legislation
nothwendig, welche die Eigenthümer der verunglückten Schiffe und Waaren
gegen die Entwendungen und Mißbräuche schütze, denen sie bisjetzt, obgleich
das Strandrecht nicht mehr gelte, ausgesetzt seien."

Diese Tendenz, mit der die Regierung sich völlig einverstanden erklärte,
war eine löbliche, aber die Mittel, die die Gesetzgebung ergriff, sie durchzu¬
führen, waren nicht eben glücklich gewählt.

Allerdings war es ein wesentlicher Fortschritt der hannoverschen wie der
oldenburgischen neuen Strandordnung, daß einmal nicht allein jedes siscalische
Anrecht an gestrandeten Schiffen und Gütern, sondern auch jeder Beamtenantheil
am Bergelohn beseitigt, und daß ausdrücklich die Rettung der Mannschaft mit
zur Pflicht gemacht wurde. Der Schwerpunkt der gedachten Gesetze ruhte indeß
auch wieder in den Borschriften über Bergung der Sachen, und wurde den
Bergern ein Berge- beziehungsweise Hilfslohn außer den Bergungskosten
zugestanden, der nach der Han. Se. O. bis zu einem Drittel und ausnahmsweise
bis zur Hälfte des Werths der geborgenen Sachen steigen konnte, während die
Oldb. Se. O. eine solche Grenzbestimmung nicht enthält.

Beide Gesetze aber schließen sich in so weit an das bestehende Recht an,
als sie einmal das Betreten eines gefährdeten Schiffes behufs der Bergung erst
dann gestatten, wenn entweder die Mannschaft dasselbe verlassen hat oder selbst
Hilfe begehrt, und als sie ferner vom Augenblick der ersten Besetzung des
Schiffes an einen Anspruch auf Bergelohn und das Recht, später ankommende
Berger zurückzuweisen, zugestehen, neben diesem Recht auf Bergung und Prio¬
rität dann aber auch eine Nechtsp flicht zur Theilnahme an der Bergung
auf Verlangen der Strandbeamten statuiren.

Daneben haben sie den alten seerechtlichen Grundsatz, daß während der
Dauer der Gefahr abgeschlossene Verträge über Höbe des Bcrgelobns nichtig
seien, der sich schon in der alten französischen OräoriÄneö as 1a warme von
1688 findet, wieder aufgenommen, ja sogar die Giltigkeit aller Beiträge über
Bergelohn von der Genehmigung der Obrigkeit abbcingig gemacht.

Diese Bestimmungen, in denen sich so ziemlich das gesammte heutige
deutsche Strandungsrecht ausdrückt, wie es sich durch Gesetz und Gewohnheit


In dieser Beziehung ist zunächst zu bemerken, daß einmal die Elbschiff-
sahrtsacte von 1821 jedes Strandrecht an der Elbe für immer aufhebt, sodann
daß Oldenburg 1844 und Hannover 1846 neue Strandungsordnungen erlassen
haben, die sich in den meisten Punkten den 1838 von Holland in dieser Be¬
ziehung gegebenen Vorschriften anschließen. Für Preußen ist ein allgemeines
Strandungsgesetz nicht erlassen.

Ueber die hannoverschen Strandungsordnung möge hier noch angeführt
werden, daß die allgemeinen Stände den Erlaß einer solchen bei der Regierung
dringend beantragten und dabei hervorhoben, „es sei eine bestimmte Legislation
nothwendig, welche die Eigenthümer der verunglückten Schiffe und Waaren
gegen die Entwendungen und Mißbräuche schütze, denen sie bisjetzt, obgleich
das Strandrecht nicht mehr gelte, ausgesetzt seien."

Diese Tendenz, mit der die Regierung sich völlig einverstanden erklärte,
war eine löbliche, aber die Mittel, die die Gesetzgebung ergriff, sie durchzu¬
führen, waren nicht eben glücklich gewählt.

Allerdings war es ein wesentlicher Fortschritt der hannoverschen wie der
oldenburgischen neuen Strandordnung, daß einmal nicht allein jedes siscalische
Anrecht an gestrandeten Schiffen und Gütern, sondern auch jeder Beamtenantheil
am Bergelohn beseitigt, und daß ausdrücklich die Rettung der Mannschaft mit
zur Pflicht gemacht wurde. Der Schwerpunkt der gedachten Gesetze ruhte indeß
auch wieder in den Borschriften über Bergung der Sachen, und wurde den
Bergern ein Berge- beziehungsweise Hilfslohn außer den Bergungskosten
zugestanden, der nach der Han. Se. O. bis zu einem Drittel und ausnahmsweise
bis zur Hälfte des Werths der geborgenen Sachen steigen konnte, während die
Oldb. Se. O. eine solche Grenzbestimmung nicht enthält.

Beide Gesetze aber schließen sich in so weit an das bestehende Recht an,
als sie einmal das Betreten eines gefährdeten Schiffes behufs der Bergung erst
dann gestatten, wenn entweder die Mannschaft dasselbe verlassen hat oder selbst
Hilfe begehrt, und als sie ferner vom Augenblick der ersten Besetzung des
Schiffes an einen Anspruch auf Bergelohn und das Recht, später ankommende
Berger zurückzuweisen, zugestehen, neben diesem Recht auf Bergung und Prio¬
rität dann aber auch eine Nechtsp flicht zur Theilnahme an der Bergung
auf Verlangen der Strandbeamten statuiren.

Daneben haben sie den alten seerechtlichen Grundsatz, daß während der
Dauer der Gefahr abgeschlossene Verträge über Höbe des Bcrgelobns nichtig
seien, der sich schon in der alten französischen OräoriÄneö as 1a warme von
1688 findet, wieder aufgenommen, ja sogar die Giltigkeit aller Beiträge über
Bergelohn von der Genehmigung der Obrigkeit abbcingig gemacht.

Diese Bestimmungen, in denen sich so ziemlich das gesammte heutige
deutsche Strandungsrecht ausdrückt, wie es sich durch Gesetz und Gewohnheit


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[0421] In dieser Beziehung ist zunächst zu bemerken, daß einmal die Elbschiff- sahrtsacte von 1821 jedes Strandrecht an der Elbe für immer aufhebt, sodann daß Oldenburg 1844 und Hannover 1846 neue Strandungsordnungen erlassen haben, die sich in den meisten Punkten den 1838 von Holland in dieser Be¬ ziehung gegebenen Vorschriften anschließen. Für Preußen ist ein allgemeines Strandungsgesetz nicht erlassen. Ueber die hannoverschen Strandungsordnung möge hier noch angeführt werden, daß die allgemeinen Stände den Erlaß einer solchen bei der Regierung dringend beantragten und dabei hervorhoben, „es sei eine bestimmte Legislation nothwendig, welche die Eigenthümer der verunglückten Schiffe und Waaren gegen die Entwendungen und Mißbräuche schütze, denen sie bisjetzt, obgleich das Strandrecht nicht mehr gelte, ausgesetzt seien." Diese Tendenz, mit der die Regierung sich völlig einverstanden erklärte, war eine löbliche, aber die Mittel, die die Gesetzgebung ergriff, sie durchzu¬ führen, waren nicht eben glücklich gewählt. Allerdings war es ein wesentlicher Fortschritt der hannoverschen wie der oldenburgischen neuen Strandordnung, daß einmal nicht allein jedes siscalische Anrecht an gestrandeten Schiffen und Gütern, sondern auch jeder Beamtenantheil am Bergelohn beseitigt, und daß ausdrücklich die Rettung der Mannschaft mit zur Pflicht gemacht wurde. Der Schwerpunkt der gedachten Gesetze ruhte indeß auch wieder in den Borschriften über Bergung der Sachen, und wurde den Bergern ein Berge- beziehungsweise Hilfslohn außer den Bergungskosten zugestanden, der nach der Han. Se. O. bis zu einem Drittel und ausnahmsweise bis zur Hälfte des Werths der geborgenen Sachen steigen konnte, während die Oldb. Se. O. eine solche Grenzbestimmung nicht enthält. Beide Gesetze aber schließen sich in so weit an das bestehende Recht an, als sie einmal das Betreten eines gefährdeten Schiffes behufs der Bergung erst dann gestatten, wenn entweder die Mannschaft dasselbe verlassen hat oder selbst Hilfe begehrt, und als sie ferner vom Augenblick der ersten Besetzung des Schiffes an einen Anspruch auf Bergelohn und das Recht, später ankommende Berger zurückzuweisen, zugestehen, neben diesem Recht auf Bergung und Prio¬ rität dann aber auch eine Nechtsp flicht zur Theilnahme an der Bergung auf Verlangen der Strandbeamten statuiren. Daneben haben sie den alten seerechtlichen Grundsatz, daß während der Dauer der Gefahr abgeschlossene Verträge über Höbe des Bcrgelobns nichtig seien, der sich schon in der alten französischen OräoriÄneö as 1a warme von 1688 findet, wieder aufgenommen, ja sogar die Giltigkeit aller Beiträge über Bergelohn von der Genehmigung der Obrigkeit abbcingig gemacht. Diese Bestimmungen, in denen sich so ziemlich das gesammte heutige deutsche Strandungsrecht ausdrückt, wie es sich durch Gesetz und Gewohnheit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/421>, abgerufen am 21.10.2024.