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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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minder modificirten gemeinen deutschen Strandrecht sprechen kann. -- Und
ein erheblicher Fortschritt gegen früher ist in dem deutschen Strandrecht des
vorigen Jahrhunderts. -- das, wie wir gleich hier bemerken, im wesentlichen
noch das heutige Recht ist -- nicht zu verkennen.

Die unnatürliche Härte der mittelalterlichen Auffassung, nach welcher der Ge¬
strandete beinahe rechtlos erscheint, ist im Princip überwunden; das neu er-
Wachsens Recht gestattet nicht mehr, Schiff und Ladung als gute Beute zu be¬
trachten, es erkennt vielmehr im Princip an, daß das bisherige Eigenthum
daran durch die Strandung an sich nicht verloren geht. Statt des Rechts aus
die Sachen selbst hat sich ein Recht auf einen bestimmten Lohn für deren Ber¬
gung entwickelt, zugleich aber auch ein bestimmtes Recht auf die Bergung, ja
sogar eine Pflicht zu dieser. Alle oben erwähnten Verordnungen enthalten Be¬
stimmungen über das Verfahren bei Bergung gestrandeter Schiffe; sie sehen
einen mehr oder minder hoch normirten Lohn für dieselbe fest, haben meist
sehr detaillirte Vorschriften über die Verkeilung dieses Bcrgelohns unter die
einzelnen Betheiligten, machen die Theilnahme an den Bergungsarbeiten auf
Anfordern der Strandbeamten zur Pflicht und drohen für alle möglichen beim
Strandrecht vorkommenden Vergehen strengere oder gelindere Strafen an.
Eigenthümlich ist namentlich die Consiituirung einer Pflicht zum Bergen, und
sind zum Theil die für deren Versäumung bestimmten Strafen sehr hoch. So
droht die Schleswig-holsteinische Strandungsordnung von 1803 jedem, der die
von den Strandvögtcn verlangte Hülfe verweigert oder nur verspätet. Zucht¬
hausstrafe bis zu 2 Jahren, im Wiederholungsfalle von 2--5 Jahren an!

Aber ist so anscheinend auch für das Interesse der Gestrandeten genug
Sorge getragen, so stellt sich bei näherer Betrachtung die Sache doch anders.

Einmal tritt noch ausnahmslos die Rettung und Bergung, oder wie es
vielfach heißt, die Löschung (Löschung) der Waaren in den Vordergrund, die der
Menschen wird entweder gar nicht oder nur beiläufig erwähnt. Der Grund¬
gedanke, der sich mehr oder minder verhüllt doch überall wieder findet, ist der,
Ordnung zu schaffen für die Theilung der Beute, System zu bringen in den
Raub; und daß man, um dem Raub den Deckmantel des Erlaubten und sittlich
Zulässigen umzuhängen, demselben den Namen des Bergelohns gab und nicht
mehr alles nahm, sondern dem Prinzip nach alles herausgab, und sich nur die
aufgewandte Mühe bezahlen ließ, macht die Sache wahrlich nicht besser.

Im Grunde war es nicht Sorge für die Gestrandeten, die zu den ver¬
schiedenen Ordnungen trieb, sondern, wie diese meist selbst aussprechen, die Sorge
dafür, daß nicht die Strandbewohner unter sich und mit dem Strandherrn in
Streit geriethen über den Antheil eines jeden, und daß nicht einer oder der an¬
dere heimlich von dem gemeinsamen Gut etwas für sich auf die Seite brächte.

Das Verfahren ist meist so geordnet: zunächst werden von dem Gebor-


Grenzbotm IV. 18"7. ö3

minder modificirten gemeinen deutschen Strandrecht sprechen kann. — Und
ein erheblicher Fortschritt gegen früher ist in dem deutschen Strandrecht des
vorigen Jahrhunderts. — das, wie wir gleich hier bemerken, im wesentlichen
noch das heutige Recht ist — nicht zu verkennen.

Die unnatürliche Härte der mittelalterlichen Auffassung, nach welcher der Ge¬
strandete beinahe rechtlos erscheint, ist im Princip überwunden; das neu er-
Wachsens Recht gestattet nicht mehr, Schiff und Ladung als gute Beute zu be¬
trachten, es erkennt vielmehr im Princip an, daß das bisherige Eigenthum
daran durch die Strandung an sich nicht verloren geht. Statt des Rechts aus
die Sachen selbst hat sich ein Recht auf einen bestimmten Lohn für deren Ber¬
gung entwickelt, zugleich aber auch ein bestimmtes Recht auf die Bergung, ja
sogar eine Pflicht zu dieser. Alle oben erwähnten Verordnungen enthalten Be¬
stimmungen über das Verfahren bei Bergung gestrandeter Schiffe; sie sehen
einen mehr oder minder hoch normirten Lohn für dieselbe fest, haben meist
sehr detaillirte Vorschriften über die Verkeilung dieses Bcrgelohns unter die
einzelnen Betheiligten, machen die Theilnahme an den Bergungsarbeiten auf
Anfordern der Strandbeamten zur Pflicht und drohen für alle möglichen beim
Strandrecht vorkommenden Vergehen strengere oder gelindere Strafen an.
Eigenthümlich ist namentlich die Consiituirung einer Pflicht zum Bergen, und
sind zum Theil die für deren Versäumung bestimmten Strafen sehr hoch. So
droht die Schleswig-holsteinische Strandungsordnung von 1803 jedem, der die
von den Strandvögtcn verlangte Hülfe verweigert oder nur verspätet. Zucht¬
hausstrafe bis zu 2 Jahren, im Wiederholungsfalle von 2—5 Jahren an!

Aber ist so anscheinend auch für das Interesse der Gestrandeten genug
Sorge getragen, so stellt sich bei näherer Betrachtung die Sache doch anders.

Einmal tritt noch ausnahmslos die Rettung und Bergung, oder wie es
vielfach heißt, die Löschung (Löschung) der Waaren in den Vordergrund, die der
Menschen wird entweder gar nicht oder nur beiläufig erwähnt. Der Grund¬
gedanke, der sich mehr oder minder verhüllt doch überall wieder findet, ist der,
Ordnung zu schaffen für die Theilung der Beute, System zu bringen in den
Raub; und daß man, um dem Raub den Deckmantel des Erlaubten und sittlich
Zulässigen umzuhängen, demselben den Namen des Bergelohns gab und nicht
mehr alles nahm, sondern dem Prinzip nach alles herausgab, und sich nur die
aufgewandte Mühe bezahlen ließ, macht die Sache wahrlich nicht besser.

Im Grunde war es nicht Sorge für die Gestrandeten, die zu den ver¬
schiedenen Ordnungen trieb, sondern, wie diese meist selbst aussprechen, die Sorge
dafür, daß nicht die Strandbewohner unter sich und mit dem Strandherrn in
Streit geriethen über den Antheil eines jeden, und daß nicht einer oder der an¬
dere heimlich von dem gemeinsamen Gut etwas für sich auf die Seite brächte.

Das Verfahren ist meist so geordnet: zunächst werden von dem Gebor-


Grenzbotm IV. 18«7. ö3
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[0417] minder modificirten gemeinen deutschen Strandrecht sprechen kann. — Und ein erheblicher Fortschritt gegen früher ist in dem deutschen Strandrecht des vorigen Jahrhunderts. — das, wie wir gleich hier bemerken, im wesentlichen noch das heutige Recht ist — nicht zu verkennen. Die unnatürliche Härte der mittelalterlichen Auffassung, nach welcher der Ge¬ strandete beinahe rechtlos erscheint, ist im Princip überwunden; das neu er- Wachsens Recht gestattet nicht mehr, Schiff und Ladung als gute Beute zu be¬ trachten, es erkennt vielmehr im Princip an, daß das bisherige Eigenthum daran durch die Strandung an sich nicht verloren geht. Statt des Rechts aus die Sachen selbst hat sich ein Recht auf einen bestimmten Lohn für deren Ber¬ gung entwickelt, zugleich aber auch ein bestimmtes Recht auf die Bergung, ja sogar eine Pflicht zu dieser. Alle oben erwähnten Verordnungen enthalten Be¬ stimmungen über das Verfahren bei Bergung gestrandeter Schiffe; sie sehen einen mehr oder minder hoch normirten Lohn für dieselbe fest, haben meist sehr detaillirte Vorschriften über die Verkeilung dieses Bcrgelohns unter die einzelnen Betheiligten, machen die Theilnahme an den Bergungsarbeiten auf Anfordern der Strandbeamten zur Pflicht und drohen für alle möglichen beim Strandrecht vorkommenden Vergehen strengere oder gelindere Strafen an. Eigenthümlich ist namentlich die Consiituirung einer Pflicht zum Bergen, und sind zum Theil die für deren Versäumung bestimmten Strafen sehr hoch. So droht die Schleswig-holsteinische Strandungsordnung von 1803 jedem, der die von den Strandvögtcn verlangte Hülfe verweigert oder nur verspätet. Zucht¬ hausstrafe bis zu 2 Jahren, im Wiederholungsfalle von 2—5 Jahren an! Aber ist so anscheinend auch für das Interesse der Gestrandeten genug Sorge getragen, so stellt sich bei näherer Betrachtung die Sache doch anders. Einmal tritt noch ausnahmslos die Rettung und Bergung, oder wie es vielfach heißt, die Löschung (Löschung) der Waaren in den Vordergrund, die der Menschen wird entweder gar nicht oder nur beiläufig erwähnt. Der Grund¬ gedanke, der sich mehr oder minder verhüllt doch überall wieder findet, ist der, Ordnung zu schaffen für die Theilung der Beute, System zu bringen in den Raub; und daß man, um dem Raub den Deckmantel des Erlaubten und sittlich Zulässigen umzuhängen, demselben den Namen des Bergelohns gab und nicht mehr alles nahm, sondern dem Prinzip nach alles herausgab, und sich nur die aufgewandte Mühe bezahlen ließ, macht die Sache wahrlich nicht besser. Im Grunde war es nicht Sorge für die Gestrandeten, die zu den ver¬ schiedenen Ordnungen trieb, sondern, wie diese meist selbst aussprechen, die Sorge dafür, daß nicht die Strandbewohner unter sich und mit dem Strandherrn in Streit geriethen über den Antheil eines jeden, und daß nicht einer oder der an¬ dere heimlich von dem gemeinsamen Gut etwas für sich auf die Seite brächte. Das Verfahren ist meist so geordnet: zunächst werden von dem Gebor- Grenzbotm IV. 18«7. ö3

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/417>, abgerufen am 21.10.2024.