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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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was aus dem Twestenschen Prozeß und der neuerdings beliebten Auslegung des
K 84 der Verfassung werden soll. Die Anträge, welche der Abg. Laster in
dieser Beziehung gestellt hat, haben wenig Aussicht, vielleicht noch weniger An¬
spruch darauf, angenommen zu werden. Daß die in Vorschlag gebrachte Nie¬
derschlagung jenes Prozesses in der beantragten Weise nicht möglich sei. ist von
allen Seiten anerkannt worden und kann für ausgemacht gelten, gegen den
Vorschlag zu einer veränderten Fassung des § 84 hat die Volkszeitung neuerdings
aber höchst beachtenswerthe Bedenken vorgebracht. Die Veränderung des bisheri¬
gen Wortlautes würde einer Anerkennung der bisherigen Zweideutigkeit desselben
allerdings nahekommen: nicht weil die Lage mißliebiger Kammerredner für den
Fall einer Abweisung des Laskerschen Antrags durch Regierung oder Herren¬
haus verschlimmert würde -- weil das Abgeordnetenhaus die rechtliche Möglich¬
keit einer Auslegung des § 84 im Sinne des Grafen Lippe nicht einräumen
darf, scheint uns jene Bill höchst bedenklich zu sein. Durchaus unwürdig aber
wäre es, wollte die Negierung sich dazu hergeben, aus dem § 84 einen Han¬
delsartikel zu machen und die Laskersche Fassung -- wie ihr neulich von einem
"Konservativen" in der Kreuzzeitung gerathen wurde -- unter der Bedingung
zu avprobiren.daß die Tatenlosigkeit auch für das Abgeordnetenhaus bewilligt
würde; daß ein parlamentarischer Körper die Redefreiheit seiner Glieder mit klingen¬
der Münze bezahlte, wäre in der That unerhört, und so überzeugt wir davon sind,
daß der Verzicht auf die Diäten sich mit der Zeit durchsetzen wird und durch¬
setzen muß, so Verwerflich scheint es uns, denselben für die Anerkennung eines in
der Natur der Sache liegenden Rechts eintauschen zu wollen. -- Neben der
Twestenschen Angelegenheit steht für die preußischen Kammern noch die Be¬
rathung des Budgets pro 1868 für den nächsten Monat auf der Tagesordnung.
Die Berathung im Plenum ist gegen die abweichende Meinung der Linken und
der Partikuristen auch dieses Mal angenommen worden. Die Abneigung der
Majorität gegen die vorläufige Prüfung in einer Commission, hat, wie uns
scheint, eine vorzugsweise symbolische Bedeutung; bei der gegenwärtigen Zu¬
sammensetzung des Hauses dürften praktische Gründe, als Befürchtungen vor
einseitigen Streickungsgelüsten der Linken u. s. w. kaum berechtigt erscheinen.
Daß das Budget noch vor Schluß des Jahres 1867 zu Stande gekommen sein
müsse, ist an und für sich allerdings wünschenswert!), kann aber nicht für ein
durchschlagendes Motiv gegen die Berathung in einer Commission gelten wollen.
Die Budgetverhandlungen selbst werden ihr reiches Interesse indessen auch in
der gegenwärtig beschlossenen Gestalt behalten. -- Während man in Paris und
Berlin noch mit Vorbereitungen zu den parlamentarischen Winterfeldzügen be¬
schäftigt ist, sind die Verhandlungen des wiener Reichstags bereits auf dem
Höhepunkt ihrer Bedeutung angelangt. Der Ausgleich mit Ungarn ist seinen
Hauptpunkten nach angenommen, der Dualismus aus einer vollendeten zu


was aus dem Twestenschen Prozeß und der neuerdings beliebten Auslegung des
K 84 der Verfassung werden soll. Die Anträge, welche der Abg. Laster in
dieser Beziehung gestellt hat, haben wenig Aussicht, vielleicht noch weniger An¬
spruch darauf, angenommen zu werden. Daß die in Vorschlag gebrachte Nie¬
derschlagung jenes Prozesses in der beantragten Weise nicht möglich sei. ist von
allen Seiten anerkannt worden und kann für ausgemacht gelten, gegen den
Vorschlag zu einer veränderten Fassung des § 84 hat die Volkszeitung neuerdings
aber höchst beachtenswerthe Bedenken vorgebracht. Die Veränderung des bisheri¬
gen Wortlautes würde einer Anerkennung der bisherigen Zweideutigkeit desselben
allerdings nahekommen: nicht weil die Lage mißliebiger Kammerredner für den
Fall einer Abweisung des Laskerschen Antrags durch Regierung oder Herren¬
haus verschlimmert würde — weil das Abgeordnetenhaus die rechtliche Möglich¬
keit einer Auslegung des § 84 im Sinne des Grafen Lippe nicht einräumen
darf, scheint uns jene Bill höchst bedenklich zu sein. Durchaus unwürdig aber
wäre es, wollte die Negierung sich dazu hergeben, aus dem § 84 einen Han¬
delsartikel zu machen und die Laskersche Fassung — wie ihr neulich von einem
„Konservativen" in der Kreuzzeitung gerathen wurde — unter der Bedingung
zu avprobiren.daß die Tatenlosigkeit auch für das Abgeordnetenhaus bewilligt
würde; daß ein parlamentarischer Körper die Redefreiheit seiner Glieder mit klingen¬
der Münze bezahlte, wäre in der That unerhört, und so überzeugt wir davon sind,
daß der Verzicht auf die Diäten sich mit der Zeit durchsetzen wird und durch¬
setzen muß, so Verwerflich scheint es uns, denselben für die Anerkennung eines in
der Natur der Sache liegenden Rechts eintauschen zu wollen. — Neben der
Twestenschen Angelegenheit steht für die preußischen Kammern noch die Be¬
rathung des Budgets pro 1868 für den nächsten Monat auf der Tagesordnung.
Die Berathung im Plenum ist gegen die abweichende Meinung der Linken und
der Partikuristen auch dieses Mal angenommen worden. Die Abneigung der
Majorität gegen die vorläufige Prüfung in einer Commission, hat, wie uns
scheint, eine vorzugsweise symbolische Bedeutung; bei der gegenwärtigen Zu¬
sammensetzung des Hauses dürften praktische Gründe, als Befürchtungen vor
einseitigen Streickungsgelüsten der Linken u. s. w. kaum berechtigt erscheinen.
Daß das Budget noch vor Schluß des Jahres 1867 zu Stande gekommen sein
müsse, ist an und für sich allerdings wünschenswert!), kann aber nicht für ein
durchschlagendes Motiv gegen die Berathung in einer Commission gelten wollen.
Die Budgetverhandlungen selbst werden ihr reiches Interesse indessen auch in
der gegenwärtig beschlossenen Gestalt behalten. — Während man in Paris und
Berlin noch mit Vorbereitungen zu den parlamentarischen Winterfeldzügen be¬
schäftigt ist, sind die Verhandlungen des wiener Reichstags bereits auf dem
Höhepunkt ihrer Bedeutung angelangt. Der Ausgleich mit Ungarn ist seinen
Hauptpunkten nach angenommen, der Dualismus aus einer vollendeten zu


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/400>, abgerufen am 27.09.2024.