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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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ohne zu nützen, Oel ins Feuer gießen. Was sich an Männern von Talent
und Charakter für die Sache des Buonopartismus gewinnen ließ, wird aber
fast ausnahmslos in den höchsten Regierungsstellen angetroffen, auf selbstlose
und unabhängige Freunde hat eine Regierung, deren Devise die Alliance des
Throns mit der Masse gegen die in der Mittelclasse vertretene Elite der
Nation war, nicht gerechnet und nicht rechnen können. Der Senat, in welchem
die große Masse der gesinnungslosen Anhänger des gegenwärtigen Systems
sitzt, kann der Regierung in Zeiten, wie die gegenwärtigen sind, absolut
keine Stütze bieten; daß sich selbst die Jnterpellation über die römische Frage,
welche von dieser Körperschaft beschlossen worden, in die Form eines schüchter¬
nen Danks für die Rettung des Papstthums gehüllt, daß man in einem
Athem eine Maßregel für höchst anerkennenswerlh erklärt und doch nach den
Consequenzen derselben gefragt hat, das kann die Achtung der Nation vor
dieser Vertreterin des Volkswillens und der Staatsinteressen nur noch tiefer
herunterbringen und muß dem Ansehen der Regierung, welche diese Form der
Pairie geschaffen hat, eher schaden, denn nützen.

Und den Sturm, der durch eine so lange Reihe von Mißgriffen hervor¬
gerufen worden ist, der sich nicht mehr gegen die gegenwärtige Politik des
Kaiserthums, sondern gegen das System und die gesammte Vergangenheit des¬
selben richtet, diesen glaubt man beschwören zu können, wenn man eine Conferenz
ohne Programm und ohne beschließende Competenz irgendwo und irgendwie
zu Stande bringt? So groß die Neigung des französischen Volks, sich durch diplo¬
matische und militärische Erfolge über innere Schäden beruhigen zu lassen, auch sein
mag, -- daß es dem Kaiser gelingen werde, durch eine mühselig zu Stande
gebrachte, aller Wahrscheinlichkeit nach erfolglose Diplomatenversammlung den
anschwellenden Strom in das alte Bett zurückzuführen, das verlorene "Prestige"
wiederzugewinnen, das werden auch die zuversichtlichsten Optimisten mehr zu hoffen
wagen. Und trotz aller officiösen und officiellen Versicherungen ist das Zustande¬
kommen dieser Conferenz auch zur Stunde noch nicht gesichert. Die eigentlichen
Stützen dieses Unternehmens, Herr v. Dalwigk in Darmstadt und Marschall
Narvaöz in Madrid, scheinen wenig geeignet, die Zurückhaltung der Großmächte
zu überwinden: in Deutschland wird der darmstädter Premier schon seit lange für
einen Mann gehalten, "mehr geeignet von Sünden abzuschrecken als zu ihnen
anzureizen", und der Gegensatz seiner Haltung zu der der übrigen deutschen Mittel¬
staaten kann für ihn selbst ebenso ominös werden, wie für das gesammte
Projekt. Es will wenig sagen, wenn versichert wird, der Papst habe der Con¬
ferenz zugestimmt; wenn die Curie erklärt, sie sehe jene Versammlung nur als
Gelegenheit zum Meinungsaustausch an und werde ihre Stellung zu derselben
je nach dem Inhalt dieser Meinungen modificiren, so nimmt sie mit einer
Hand, was die andere gegeben, und die Abneigung, aus welcher Preußen, Eng-


ohne zu nützen, Oel ins Feuer gießen. Was sich an Männern von Talent
und Charakter für die Sache des Buonopartismus gewinnen ließ, wird aber
fast ausnahmslos in den höchsten Regierungsstellen angetroffen, auf selbstlose
und unabhängige Freunde hat eine Regierung, deren Devise die Alliance des
Throns mit der Masse gegen die in der Mittelclasse vertretene Elite der
Nation war, nicht gerechnet und nicht rechnen können. Der Senat, in welchem
die große Masse der gesinnungslosen Anhänger des gegenwärtigen Systems
sitzt, kann der Regierung in Zeiten, wie die gegenwärtigen sind, absolut
keine Stütze bieten; daß sich selbst die Jnterpellation über die römische Frage,
welche von dieser Körperschaft beschlossen worden, in die Form eines schüchter¬
nen Danks für die Rettung des Papstthums gehüllt, daß man in einem
Athem eine Maßregel für höchst anerkennenswerlh erklärt und doch nach den
Consequenzen derselben gefragt hat, das kann die Achtung der Nation vor
dieser Vertreterin des Volkswillens und der Staatsinteressen nur noch tiefer
herunterbringen und muß dem Ansehen der Regierung, welche diese Form der
Pairie geschaffen hat, eher schaden, denn nützen.

Und den Sturm, der durch eine so lange Reihe von Mißgriffen hervor¬
gerufen worden ist, der sich nicht mehr gegen die gegenwärtige Politik des
Kaiserthums, sondern gegen das System und die gesammte Vergangenheit des¬
selben richtet, diesen glaubt man beschwören zu können, wenn man eine Conferenz
ohne Programm und ohne beschließende Competenz irgendwo und irgendwie
zu Stande bringt? So groß die Neigung des französischen Volks, sich durch diplo¬
matische und militärische Erfolge über innere Schäden beruhigen zu lassen, auch sein
mag, — daß es dem Kaiser gelingen werde, durch eine mühselig zu Stande
gebrachte, aller Wahrscheinlichkeit nach erfolglose Diplomatenversammlung den
anschwellenden Strom in das alte Bett zurückzuführen, das verlorene „Prestige"
wiederzugewinnen, das werden auch die zuversichtlichsten Optimisten mehr zu hoffen
wagen. Und trotz aller officiösen und officiellen Versicherungen ist das Zustande¬
kommen dieser Conferenz auch zur Stunde noch nicht gesichert. Die eigentlichen
Stützen dieses Unternehmens, Herr v. Dalwigk in Darmstadt und Marschall
Narvaöz in Madrid, scheinen wenig geeignet, die Zurückhaltung der Großmächte
zu überwinden: in Deutschland wird der darmstädter Premier schon seit lange für
einen Mann gehalten, „mehr geeignet von Sünden abzuschrecken als zu ihnen
anzureizen", und der Gegensatz seiner Haltung zu der der übrigen deutschen Mittel¬
staaten kann für ihn selbst ebenso ominös werden, wie für das gesammte
Projekt. Es will wenig sagen, wenn versichert wird, der Papst habe der Con¬
ferenz zugestimmt; wenn die Curie erklärt, sie sehe jene Versammlung nur als
Gelegenheit zum Meinungsaustausch an und werde ihre Stellung zu derselben
je nach dem Inhalt dieser Meinungen modificiren, so nimmt sie mit einer
Hand, was die andere gegeben, und die Abneigung, aus welcher Preußen, Eng-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/396>, abgerufen am 20.10.2024.