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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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vention, "welche wir nie als noihwendig anerkennen konnten, die für Italien
ein schmerzlicher Akt war und die, wenn sie fortdauert, ein Hinderniß jeder
dauerhaften Vereinbarung werden muß". Es folgt dann eine heftige Anklage
der päpstlichen Negierung, welche, ihrer feindlichen Haltung gegen Italien treu
bleibend, das seltsame Schauspiel eines Staates bilde, der trotz einer Söldner¬
truppe aus aller Herren Ländern sich nur durch fremde Intervention halten
könne. Dsmzufolge sei der Zweck der Septemberconvention gänzlich verfehlt,
das einzige Arrangement aber, welches die Gefahr beschwören könne, sei die
Versöhnung Italiens und des Papstthums aus dem Fuße, daß letzteres un¬
nützen Rüstungen entsage und die Attribute aufgebe, welche seine wahre Misston
hinderten, d. h. also mit andern Worten, Italien fordert aufs neue die Auf¬
gabe der weltlichen Macht und wird damit in Rom wie in Paris nur taube
Ohren finden. Drohungen und Truppenconcentrationen sind jetzt umsonst.
Viktor Emanuel hat zu offenbar seine vollständige Abhängigkeit von Napoleon
constatirt, er hat das Vertrauen der Nation verscherzt, die entweder in dumpfer
Entsagung alles über sich ergehen lassen oder sich eifrig erheben wird. In
der That, die Zukunft Italiens ist dunkel genug. Von Parteiungen zerrissen,
ohne einen Führer und Staatsmann, finanziell am Rande des Bankerottes, mag
seinen Patrioten das Herz schwer genug sein und mancher sich die Frage auf¬
werfen, ob die Schöpfung des neuen Staates diesen Sturm überleben werde.

Und sollte Frankreich, welches seinen Willen durchgesetzt hat, mehr ge¬
wonnen haben? Napoleon fühlte dem Lande den Puls und kam zu dem Er-
gebniß, daß die Majorität den Sturz des Papstes nicht ruhig hinnehmen werde,
daß vielmehr der Einfluß des Clerus groß genug sei, um in dem Falle eine
Bewegung hervorzurufen, welche der kaiserlichen Regierung gefährlich werden
dürfte. Aber es bleibt uns doch zweifelhaft, ob er den richtigen Weg eingeschla¬
gen; hätte er gleich bei der ersten Bewegung Ganbaldis in Florenz mit einer Be¬
stimmtheit gesprochen die keinen Raum für Illusionen ließ, so hätte die ita¬
lienische Regierung den Aufstand im Keim erstickt. Als dann die Würfel ge¬
worfen waren, war die Niederlage der Garibaldianer freilich unvermeidlich, aber
es scheint uns, daß der Kaiser unnöthige Schwachheit gezeigt hat, indem er
den sofortigen Rückzug der italienischen Armee forderte und erzwang. Italien
war doch ohnedies hinreichend gedemüthigt, die anscheinend gleiche Stellung
mit Frankreich, welche die Besatzung einiger päpstlichen Orte nothdürftig wahrte,
war das einzige Mittel, das Ministerium Menabrea. das günstigste das Frank¬
reich erwarten kann, zu halten und andererseits vom Papste Concessionen zu
erreichen. Daß Napoleon eine schwache Negierung aufs äußerste erniedrigt,
kann sein gesunkenes Ansehen in Europa schwerlich wieder heben, er hat sich
aber dadurch unzweifelhaft den tödtlichen Haß der italienischen Nation zugezogen.
Die einzige positive Schöpfung seiner Regierung, das subalpianische Königreich,


vention, „welche wir nie als noihwendig anerkennen konnten, die für Italien
ein schmerzlicher Akt war und die, wenn sie fortdauert, ein Hinderniß jeder
dauerhaften Vereinbarung werden muß". Es folgt dann eine heftige Anklage
der päpstlichen Negierung, welche, ihrer feindlichen Haltung gegen Italien treu
bleibend, das seltsame Schauspiel eines Staates bilde, der trotz einer Söldner¬
truppe aus aller Herren Ländern sich nur durch fremde Intervention halten
könne. Dsmzufolge sei der Zweck der Septemberconvention gänzlich verfehlt,
das einzige Arrangement aber, welches die Gefahr beschwören könne, sei die
Versöhnung Italiens und des Papstthums aus dem Fuße, daß letzteres un¬
nützen Rüstungen entsage und die Attribute aufgebe, welche seine wahre Misston
hinderten, d. h. also mit andern Worten, Italien fordert aufs neue die Auf¬
gabe der weltlichen Macht und wird damit in Rom wie in Paris nur taube
Ohren finden. Drohungen und Truppenconcentrationen sind jetzt umsonst.
Viktor Emanuel hat zu offenbar seine vollständige Abhängigkeit von Napoleon
constatirt, er hat das Vertrauen der Nation verscherzt, die entweder in dumpfer
Entsagung alles über sich ergehen lassen oder sich eifrig erheben wird. In
der That, die Zukunft Italiens ist dunkel genug. Von Parteiungen zerrissen,
ohne einen Führer und Staatsmann, finanziell am Rande des Bankerottes, mag
seinen Patrioten das Herz schwer genug sein und mancher sich die Frage auf¬
werfen, ob die Schöpfung des neuen Staates diesen Sturm überleben werde.

Und sollte Frankreich, welches seinen Willen durchgesetzt hat, mehr ge¬
wonnen haben? Napoleon fühlte dem Lande den Puls und kam zu dem Er-
gebniß, daß die Majorität den Sturz des Papstes nicht ruhig hinnehmen werde,
daß vielmehr der Einfluß des Clerus groß genug sei, um in dem Falle eine
Bewegung hervorzurufen, welche der kaiserlichen Regierung gefährlich werden
dürfte. Aber es bleibt uns doch zweifelhaft, ob er den richtigen Weg eingeschla¬
gen; hätte er gleich bei der ersten Bewegung Ganbaldis in Florenz mit einer Be¬
stimmtheit gesprochen die keinen Raum für Illusionen ließ, so hätte die ita¬
lienische Regierung den Aufstand im Keim erstickt. Als dann die Würfel ge¬
worfen waren, war die Niederlage der Garibaldianer freilich unvermeidlich, aber
es scheint uns, daß der Kaiser unnöthige Schwachheit gezeigt hat, indem er
den sofortigen Rückzug der italienischen Armee forderte und erzwang. Italien
war doch ohnedies hinreichend gedemüthigt, die anscheinend gleiche Stellung
mit Frankreich, welche die Besatzung einiger päpstlichen Orte nothdürftig wahrte,
war das einzige Mittel, das Ministerium Menabrea. das günstigste das Frank¬
reich erwarten kann, zu halten und andererseits vom Papste Concessionen zu
erreichen. Daß Napoleon eine schwache Negierung aufs äußerste erniedrigt,
kann sein gesunkenes Ansehen in Europa schwerlich wieder heben, er hat sich
aber dadurch unzweifelhaft den tödtlichen Haß der italienischen Nation zugezogen.
Die einzige positive Schöpfung seiner Regierung, das subalpianische Königreich,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/360>, abgerufen am 27.09.2024.