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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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und schließlich per Extrazug nach dem römischen Gebiete abfahren; die Folge
war. daß die französische Expedition nach Civita Vecchia abging. Inzwischen
hatte der König, nachdem Cialdini mit der Bildung eines Ministeriums geschei¬
tert war. sich an General Menabrea gewandt, und dieser erließ eine Proklama¬
tion, welche den ernsten Willen aussprach, sich an die internationalen Verbind¬
lichkeiten zu halten, gleichzeitig aber rückte die italienische Armee ihrerseits ins
päpstliche Gebiet ein. um mir Frankreich gleichen Schritt zu halten. Maiquis
de Moustier protestirte hiergegen in einer herben Depesche, und nachdem die
Beschwichtigungsversuche des nach Paris entsandten Lamarmora vergeblich ge¬
wesen waren, vielmehr im Princip ein Ultimatum an Italien beschlossen war,
unterwarf sich Menabrea und zog seine Truppen zurück, nachdem sie den trau¬
rigen Dienst gethan, die von den päpstlichen und französischen Truppen ge¬
schlagenen Garibaldianer zu entwaffnen.

Suchen wir nun die Summe aus diesen Ereignissen zu ziehen, so finden
wir zunächst den vollständigen Fiasko der italienischen Aktionspartei; daß die
Garibaldianer. wenn man sie hätte gewähren lassen, schließlich durch ihre Ueber¬
zahl die päpstlichen Truppen überwältigt haben würden, ist zweifellos, ebenso
andrerseits, daß sie in ungleichem Kampfe gegen die letztern und die Franzosen
mit großer Tapferkeit gefochten haben. Aber das, worauf es ankommt, ist, daß
nicht ein Ort des päpstlichen Gebiets und am wenigsten Rom sich zu ihren
Gunsten erhoben hat; einige Städtchen haben allerdings, als die reguläre ita¬
lienische Armee einrückte, Plebiscite für den Anschluß an das Königreich er¬
lassen, aber niemand, und vor allem kein Römer, hat sich für die Freischaaren
gerührt. Hierin liegt für die römische Frage eine große Lehre, die Einwohner
der ewigen Stadt sind zunächst ihrer großen Mehrzahl nach nicht nur eine
durch langen polnischen wie geistlichen Despotismus entnervte Race, auf deren
Energie man nicht aus der Rührigkeit des Rat>onalcomit6s schließen darf, son¬
dern sie fürchten nichts mehr, als den Papst zu verlieren, weil dadurch Rom
aufhören würde, Rom zu sein. Wer dasselbe nur einigermaßen kennt, der weiß,
welch ein Verlust es für Rom wäre. Hauptstadt Italiens zu werden, wenn es damit
aufhören sollte, Hauptstadt des Katholicismus zu fein und welch dürftiger Ersatz
die Verlegung der Ministerien und des Parlaments für den Gewinn wäre,
den die Römer aus dem Regiment des Papa-Re ziehen. Es soll damit keines¬
wegs behauptet werden, daß sie mit letzterem zufrieden sind, im Gegentheil, sie
fühlen die Mißbräuche desselben sehr klar, sie veiwünschen meist die fremde
Besatzung ebenso, wie die päpstlichen Svldtruppen und hassen den Despotis¬
mus der Priester und Prälaten. Aber sie wollen darum die Erwerbsquellen
nicht verlieren, die ihnen der weltliche Katholicismus bringt: man denke nur
an die Summen, welche durch die am Osterfest zuströmenden Fremden in Um¬
lauf gesetzt werden, an alle die fremden Bischöfe und Priester, die fortwährend


und schließlich per Extrazug nach dem römischen Gebiete abfahren; die Folge
war. daß die französische Expedition nach Civita Vecchia abging. Inzwischen
hatte der König, nachdem Cialdini mit der Bildung eines Ministeriums geschei¬
tert war. sich an General Menabrea gewandt, und dieser erließ eine Proklama¬
tion, welche den ernsten Willen aussprach, sich an die internationalen Verbind¬
lichkeiten zu halten, gleichzeitig aber rückte die italienische Armee ihrerseits ins
päpstliche Gebiet ein. um mir Frankreich gleichen Schritt zu halten. Maiquis
de Moustier protestirte hiergegen in einer herben Depesche, und nachdem die
Beschwichtigungsversuche des nach Paris entsandten Lamarmora vergeblich ge¬
wesen waren, vielmehr im Princip ein Ultimatum an Italien beschlossen war,
unterwarf sich Menabrea und zog seine Truppen zurück, nachdem sie den trau¬
rigen Dienst gethan, die von den päpstlichen und französischen Truppen ge¬
schlagenen Garibaldianer zu entwaffnen.

Suchen wir nun die Summe aus diesen Ereignissen zu ziehen, so finden
wir zunächst den vollständigen Fiasko der italienischen Aktionspartei; daß die
Garibaldianer. wenn man sie hätte gewähren lassen, schließlich durch ihre Ueber¬
zahl die päpstlichen Truppen überwältigt haben würden, ist zweifellos, ebenso
andrerseits, daß sie in ungleichem Kampfe gegen die letztern und die Franzosen
mit großer Tapferkeit gefochten haben. Aber das, worauf es ankommt, ist, daß
nicht ein Ort des päpstlichen Gebiets und am wenigsten Rom sich zu ihren
Gunsten erhoben hat; einige Städtchen haben allerdings, als die reguläre ita¬
lienische Armee einrückte, Plebiscite für den Anschluß an das Königreich er¬
lassen, aber niemand, und vor allem kein Römer, hat sich für die Freischaaren
gerührt. Hierin liegt für die römische Frage eine große Lehre, die Einwohner
der ewigen Stadt sind zunächst ihrer großen Mehrzahl nach nicht nur eine
durch langen polnischen wie geistlichen Despotismus entnervte Race, auf deren
Energie man nicht aus der Rührigkeit des Rat>onalcomit6s schließen darf, son¬
dern sie fürchten nichts mehr, als den Papst zu verlieren, weil dadurch Rom
aufhören würde, Rom zu sein. Wer dasselbe nur einigermaßen kennt, der weiß,
welch ein Verlust es für Rom wäre. Hauptstadt Italiens zu werden, wenn es damit
aufhören sollte, Hauptstadt des Katholicismus zu fein und welch dürftiger Ersatz
die Verlegung der Ministerien und des Parlaments für den Gewinn wäre,
den die Römer aus dem Regiment des Papa-Re ziehen. Es soll damit keines¬
wegs behauptet werden, daß sie mit letzterem zufrieden sind, im Gegentheil, sie
fühlen die Mißbräuche desselben sehr klar, sie veiwünschen meist die fremde
Besatzung ebenso, wie die päpstlichen Svldtruppen und hassen den Despotis¬
mus der Priester und Prälaten. Aber sie wollen darum die Erwerbsquellen
nicht verlieren, die ihnen der weltliche Katholicismus bringt: man denke nur
an die Summen, welche durch die am Osterfest zuströmenden Fremden in Um¬
lauf gesetzt werden, an alle die fremden Bischöfe und Priester, die fortwährend


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[0358] und schließlich per Extrazug nach dem römischen Gebiete abfahren; die Folge war. daß die französische Expedition nach Civita Vecchia abging. Inzwischen hatte der König, nachdem Cialdini mit der Bildung eines Ministeriums geschei¬ tert war. sich an General Menabrea gewandt, und dieser erließ eine Proklama¬ tion, welche den ernsten Willen aussprach, sich an die internationalen Verbind¬ lichkeiten zu halten, gleichzeitig aber rückte die italienische Armee ihrerseits ins päpstliche Gebiet ein. um mir Frankreich gleichen Schritt zu halten. Maiquis de Moustier protestirte hiergegen in einer herben Depesche, und nachdem die Beschwichtigungsversuche des nach Paris entsandten Lamarmora vergeblich ge¬ wesen waren, vielmehr im Princip ein Ultimatum an Italien beschlossen war, unterwarf sich Menabrea und zog seine Truppen zurück, nachdem sie den trau¬ rigen Dienst gethan, die von den päpstlichen und französischen Truppen ge¬ schlagenen Garibaldianer zu entwaffnen. Suchen wir nun die Summe aus diesen Ereignissen zu ziehen, so finden wir zunächst den vollständigen Fiasko der italienischen Aktionspartei; daß die Garibaldianer. wenn man sie hätte gewähren lassen, schließlich durch ihre Ueber¬ zahl die päpstlichen Truppen überwältigt haben würden, ist zweifellos, ebenso andrerseits, daß sie in ungleichem Kampfe gegen die letztern und die Franzosen mit großer Tapferkeit gefochten haben. Aber das, worauf es ankommt, ist, daß nicht ein Ort des päpstlichen Gebiets und am wenigsten Rom sich zu ihren Gunsten erhoben hat; einige Städtchen haben allerdings, als die reguläre ita¬ lienische Armee einrückte, Plebiscite für den Anschluß an das Königreich er¬ lassen, aber niemand, und vor allem kein Römer, hat sich für die Freischaaren gerührt. Hierin liegt für die römische Frage eine große Lehre, die Einwohner der ewigen Stadt sind zunächst ihrer großen Mehrzahl nach nicht nur eine durch langen polnischen wie geistlichen Despotismus entnervte Race, auf deren Energie man nicht aus der Rührigkeit des Rat>onalcomit6s schließen darf, son¬ dern sie fürchten nichts mehr, als den Papst zu verlieren, weil dadurch Rom aufhören würde, Rom zu sein. Wer dasselbe nur einigermaßen kennt, der weiß, welch ein Verlust es für Rom wäre. Hauptstadt Italiens zu werden, wenn es damit aufhören sollte, Hauptstadt des Katholicismus zu fein und welch dürftiger Ersatz die Verlegung der Ministerien und des Parlaments für den Gewinn wäre, den die Römer aus dem Regiment des Papa-Re ziehen. Es soll damit keines¬ wegs behauptet werden, daß sie mit letzterem zufrieden sind, im Gegentheil, sie fühlen die Mißbräuche desselben sehr klar, sie veiwünschen meist die fremde Besatzung ebenso, wie die päpstlichen Svldtruppen und hassen den Despotis¬ mus der Priester und Prälaten. Aber sie wollen darum die Erwerbsquellen nicht verlieren, die ihnen der weltliche Katholicismus bringt: man denke nur an die Summen, welche durch die am Osterfest zuströmenden Fremden in Um¬ lauf gesetzt werden, an alle die fremden Bischöfe und Priester, die fortwährend

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/358>, abgerufen am 27.09.2024.