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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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verwandten Sprachen zusammenstellte. Eine ganz besondere Gunst des Ge¬
schickes war es, daß unmittelbar nach Bopps erstem Auftreten ein Mann wie
Jacob Grimm eine der hierher gehörigen Sprachen, eben unsere deutsche
Muttersprache, in ihrer weiten Verzweigung mit der tiefsten Gelehrsamkeit in
einer ganz neuen Weise bearbeitete. Da auch ihm der Zusammenhang des
Deutschen mit seinen Verwandten sofort einleuchtete und er eigene, äußerst frucht¬
bare Gesichtspunkte hinzubrachte, so hat neben Bopp niemand in dem Maße
wie Jacob Grimm das Gedeihen der jungen Wissenschaft gefördert. Unterdeß
erweiterte sich bei unablässigem Fortarbeiten für Bopp allmählich der Gesichts¬
kreis. Zu den vier genannten Sprachen war von Anfang an schon das Per¬
sische hinzugezogen. Aber damals lag diese Sprachfamilie nur in einer jungen
Gestalt, in dem mittelalterlichen Neupcrsisch vor. Erst in den dreißiger Jahren
gelang es dem vereinten Scharfsinn französischer und deutscher Forscher, für ein
älteres Glied derselben Familie, die in dem Zendavesta, den heiligen Büchern
der Parsen, enthaltene Zend- ader altbaktrische Sprache den Schlüssel zu finden,
der bald darauf auch das aus den Keilschriften der Dariuszeit entzifferte Alt¬
persisch zur Seite trat, Entdeckungen, welche durch die von Bopp geschaffenen
Grundlagen überhaupt erst ermöglicht wurden. Vermöge beider Sprachen, die
Bopp sofort mit in den Kreis seines großartigen Werkes zog, wurde dann noch
das Armenische und einige andere östliche Glieder des Sprachstammes als solche
erkannt Aber fast noch weiter öffnete sich der Blick in Europa. In den ein¬
tönigen Ebenen Ostpreußens und des angrenzenden ehemals polnischen Ru߬
lands hat, wenig berührt von der Cultur und gerade darum unverfälschter als
anderswo, mehr und mehr eingeengt von der deutschen und den slavischen
Sprachen, das Lithauische sich erhalten, das wunderbar genau zum Sanskrit
und zu allem dem stimmt, was man im Griechischen, Lateinischen, Deutschen
als das Aelteste erkannt hatte. In einzelnen Wörtern könnte der Brahmane
noch jetzt sich mit dem lithauischen Bauern verständigen, wie z. B. beide das
Schaaf avis nennen. Lithauisch äiovirs Gott liegt dem Sanskrit clvvas, clima
Tag dein Sanskrit clima, <z<l-mi ich esse dem Sanskrit u.et-mi sehr nahe. Das
Lithauische bildete nun wieder die Brücke zu den slavischen Sprachen, die uns
Deutschen bei oberflächlicher Kenntniß so fremdartig erscheinen, während bei
eingehender Untersuchung dem scharfen Blicke Bopps sofort die Regel ausging,
durch die auch sie mit dem großen Sprachstämme zusammenhängen. Nach Bopp
haben Jacob Grimm und Schleicher sogar einen nähern Zusammenhang des
Lithauischen und Slavischen mit dem Deutschen erwiesen. Die härteste Nuß
endlich blieb übrig in den Idiomen jenes einst so mächtigen Celtenvolkcs, die
jetzt nur als Vvttsdialect in Irland, Wales, Schottland und der Bretagne fort¬
leben. In einer besondern Abhandlung "Ueber die celtischen Sprachen" be¬
wies Bopp die indogermanische Herkunft auch dieser Sprachen, während er die


verwandten Sprachen zusammenstellte. Eine ganz besondere Gunst des Ge¬
schickes war es, daß unmittelbar nach Bopps erstem Auftreten ein Mann wie
Jacob Grimm eine der hierher gehörigen Sprachen, eben unsere deutsche
Muttersprache, in ihrer weiten Verzweigung mit der tiefsten Gelehrsamkeit in
einer ganz neuen Weise bearbeitete. Da auch ihm der Zusammenhang des
Deutschen mit seinen Verwandten sofort einleuchtete und er eigene, äußerst frucht¬
bare Gesichtspunkte hinzubrachte, so hat neben Bopp niemand in dem Maße
wie Jacob Grimm das Gedeihen der jungen Wissenschaft gefördert. Unterdeß
erweiterte sich bei unablässigem Fortarbeiten für Bopp allmählich der Gesichts¬
kreis. Zu den vier genannten Sprachen war von Anfang an schon das Per¬
sische hinzugezogen. Aber damals lag diese Sprachfamilie nur in einer jungen
Gestalt, in dem mittelalterlichen Neupcrsisch vor. Erst in den dreißiger Jahren
gelang es dem vereinten Scharfsinn französischer und deutscher Forscher, für ein
älteres Glied derselben Familie, die in dem Zendavesta, den heiligen Büchern
der Parsen, enthaltene Zend- ader altbaktrische Sprache den Schlüssel zu finden,
der bald darauf auch das aus den Keilschriften der Dariuszeit entzifferte Alt¬
persisch zur Seite trat, Entdeckungen, welche durch die von Bopp geschaffenen
Grundlagen überhaupt erst ermöglicht wurden. Vermöge beider Sprachen, die
Bopp sofort mit in den Kreis seines großartigen Werkes zog, wurde dann noch
das Armenische und einige andere östliche Glieder des Sprachstammes als solche
erkannt Aber fast noch weiter öffnete sich der Blick in Europa. In den ein¬
tönigen Ebenen Ostpreußens und des angrenzenden ehemals polnischen Ru߬
lands hat, wenig berührt von der Cultur und gerade darum unverfälschter als
anderswo, mehr und mehr eingeengt von der deutschen und den slavischen
Sprachen, das Lithauische sich erhalten, das wunderbar genau zum Sanskrit
und zu allem dem stimmt, was man im Griechischen, Lateinischen, Deutschen
als das Aelteste erkannt hatte. In einzelnen Wörtern könnte der Brahmane
noch jetzt sich mit dem lithauischen Bauern verständigen, wie z. B. beide das
Schaaf avis nennen. Lithauisch äiovirs Gott liegt dem Sanskrit clvvas, clima
Tag dein Sanskrit clima, <z<l-mi ich esse dem Sanskrit u.et-mi sehr nahe. Das
Lithauische bildete nun wieder die Brücke zu den slavischen Sprachen, die uns
Deutschen bei oberflächlicher Kenntniß so fremdartig erscheinen, während bei
eingehender Untersuchung dem scharfen Blicke Bopps sofort die Regel ausging,
durch die auch sie mit dem großen Sprachstämme zusammenhängen. Nach Bopp
haben Jacob Grimm und Schleicher sogar einen nähern Zusammenhang des
Lithauischen und Slavischen mit dem Deutschen erwiesen. Die härteste Nuß
endlich blieb übrig in den Idiomen jenes einst so mächtigen Celtenvolkcs, die
jetzt nur als Vvttsdialect in Irland, Wales, Schottland und der Bretagne fort¬
leben. In einer besondern Abhandlung „Ueber die celtischen Sprachen" be¬
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/292>, abgerufen am 27.09.2024.