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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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und durch Gelegenheiten, wie sie sich damals zufällig boten, absenden, nach
Hamburg, um seine erbeuteten Kostbarkeiten holen zu lassen, sowie zu seinen
angeblichen Vettern, damit diese zur Brautwerbung nach Spandau kämen und seine
Güter für ihn einrichteten. Unterdeß kamen gelockt durch die interessanten
Nachrichten auch vornehme Frauen von des Grafen Bekanntschaft aus Berlin
nach Spandau, um den fremden Herrn kennen zu lernen und das Fräulein zu
"vexiren", die Frau Kanzleien und die Frau Schenkin. Letztere schien nament¬
lich an dem Fremden Wohlgefallen zu finden, sie trank mit ihm Brüderschaft
und wollte ihn mit nach Berlin nehmen, was Gras Casimir nicht zuließ. Es
war für Strauber hohe Zeit sich zu entfernen mit der Versicherung baldiger Ruck'
lehr. So kam er nach einem lustigen Abend wirklich fort nach Berlin und
dann nach Frankfurt a. O., wo er die Kette für 90 Ducaten verkaufte und
sich nach Polen zu aus dem Staube machte. Was Strauber in Polen gemacht
hat, davon berichten die Acten nichts. Nach Jahresfrist tauchte er zu Gratz in
Steiermark auf und kam als Fuhrmann in eine Herberge, wo er sich Cavalier-
Neidung zu verschaffen wußte. Er kam als "guter Gesell" mit dortigen Edel¬
leuten in Verkehr, die ihn für einen vornehmen Herrn hielten, weil er so dick
von Königen und Fürsten sprach. Bald darauf wollte man aus Briefen, deren
Verbreitung er klüglich veranlaßt hatte, wissen, daß er Hans Georg Graf
zu Schwarzburg hieß. AIs solchen nahm ihn ein Herr Caspar zu Hermsdors
zu sich ins Haus und er galt jetzt überall als ein Graf von Schwarzburg,
nachdem er bei einem Herrn von Wolfcrsdorff einen Edelmann, der wegen seiner
Herkunft bedenklich wurde, tüchtig angeschnarcht hatte, "er hätte niemanden ge¬
beten, mit ihm zu fressen; so jemand was wider ihn hätte, möchte er mit ihm
hinausgehn." So wuchs sein Credit. Er kaufte sich bei verschiedenen Kauf¬
leuten Tuch und Waaren, theils mit einem Wechsel auf Linz als Graf zu Schwarz¬
burg, theils auf bloßen Credit. Ja er wurde so unverschämt, daß er dem Kauf¬
mann, der ihn vor seinen guten Gesellen ziemlich grob an Zahlung mahnte
auf der Straße Ohrfeigen gab und jene waren gutmüthig genug, beide bei
einem guten Trunke wieder mit einander zu versöhnen. Als aber Herr von Herms¬
dorf erfuhr, daß bei einem Herrn in Gratz ein Hauslehrer lebe, der aus der
Grafschaft Schwarzburg sei, wollte er mit seinem vornehmen Gaste denselben
aufsuchen. Da verschwand Plötzlich der Herr Graf; auch der Musiklehrer des
Herrn von Hermsdorf, welcher "das Fräulein das Instrument schlagen lehrte."
hatte dem Schwindler 10 Kronen geliehen, die er nicht wieder erhielt. Er war
daraus nach Wien und von da mit einem Apvthekergehilfen in dessen Fuhrwerk
nach P>ag gereist. Dort hatte er in der Herberge mit einem Edelmann Händel
bekommen und war verwundet worden. Darnach war er von Leitmeritz aus
aus der Elbe mit einem Schiffe, das Wein führte, nach Dresden gefahren.


Grenzbotkn IV. 18K7, 4

und durch Gelegenheiten, wie sie sich damals zufällig boten, absenden, nach
Hamburg, um seine erbeuteten Kostbarkeiten holen zu lassen, sowie zu seinen
angeblichen Vettern, damit diese zur Brautwerbung nach Spandau kämen und seine
Güter für ihn einrichteten. Unterdeß kamen gelockt durch die interessanten
Nachrichten auch vornehme Frauen von des Grafen Bekanntschaft aus Berlin
nach Spandau, um den fremden Herrn kennen zu lernen und das Fräulein zu
„vexiren", die Frau Kanzleien und die Frau Schenkin. Letztere schien nament¬
lich an dem Fremden Wohlgefallen zu finden, sie trank mit ihm Brüderschaft
und wollte ihn mit nach Berlin nehmen, was Gras Casimir nicht zuließ. Es
war für Strauber hohe Zeit sich zu entfernen mit der Versicherung baldiger Ruck'
lehr. So kam er nach einem lustigen Abend wirklich fort nach Berlin und
dann nach Frankfurt a. O., wo er die Kette für 90 Ducaten verkaufte und
sich nach Polen zu aus dem Staube machte. Was Strauber in Polen gemacht
hat, davon berichten die Acten nichts. Nach Jahresfrist tauchte er zu Gratz in
Steiermark auf und kam als Fuhrmann in eine Herberge, wo er sich Cavalier-
Neidung zu verschaffen wußte. Er kam als „guter Gesell" mit dortigen Edel¬
leuten in Verkehr, die ihn für einen vornehmen Herrn hielten, weil er so dick
von Königen und Fürsten sprach. Bald darauf wollte man aus Briefen, deren
Verbreitung er klüglich veranlaßt hatte, wissen, daß er Hans Georg Graf
zu Schwarzburg hieß. AIs solchen nahm ihn ein Herr Caspar zu Hermsdors
zu sich ins Haus und er galt jetzt überall als ein Graf von Schwarzburg,
nachdem er bei einem Herrn von Wolfcrsdorff einen Edelmann, der wegen seiner
Herkunft bedenklich wurde, tüchtig angeschnarcht hatte, „er hätte niemanden ge¬
beten, mit ihm zu fressen; so jemand was wider ihn hätte, möchte er mit ihm
hinausgehn." So wuchs sein Credit. Er kaufte sich bei verschiedenen Kauf¬
leuten Tuch und Waaren, theils mit einem Wechsel auf Linz als Graf zu Schwarz¬
burg, theils auf bloßen Credit. Ja er wurde so unverschämt, daß er dem Kauf¬
mann, der ihn vor seinen guten Gesellen ziemlich grob an Zahlung mahnte
auf der Straße Ohrfeigen gab und jene waren gutmüthig genug, beide bei
einem guten Trunke wieder mit einander zu versöhnen. Als aber Herr von Herms¬
dorf erfuhr, daß bei einem Herrn in Gratz ein Hauslehrer lebe, der aus der
Grafschaft Schwarzburg sei, wollte er mit seinem vornehmen Gaste denselben
aufsuchen. Da verschwand Plötzlich der Herr Graf; auch der Musiklehrer des
Herrn von Hermsdorf, welcher „das Fräulein das Instrument schlagen lehrte."
hatte dem Schwindler 10 Kronen geliehen, die er nicht wieder erhielt. Er war
daraus nach Wien und von da mit einem Apvthekergehilfen in dessen Fuhrwerk
nach P>ag gereist. Dort hatte er in der Herberge mit einem Edelmann Händel
bekommen und war verwundet worden. Darnach war er von Leitmeritz aus
aus der Elbe mit einem Schiffe, das Wein führte, nach Dresden gefahren.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/29>, abgerufen am 27.09.2024.