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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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den Aeltern nach Spandau. Er erzählte, daß ihm die Mutter von den Gästen
nach Berlin geschrieben und trank sofort mit dem angeblichen Herrn von Wirben
Brüderschaft. Das Fräulein mußte "eine Gaillarde schlagen" und dann wurde
getollt und getanzt; auch die alte Gräfin tanzte mit. Ebenso ging es den siebenten
Tag. da Johann Casimir den Tag darauf den neuen Freund selber mit nach Berlin
nehmen wollte. Als die Gräfin hörte, wie ihr Sohn den Gast dutzte, sagte
sie, wenn der Herr mit ihrem Sohne Bruder wäre, müßte er auch ihr Sohn
sein und sie Frau Mutter nennen, und sie nannte ihn von nun an ihren
Herrn Sohn, fand auch einen Ring, den er trug, so hübsch, daß Strauber
ihr denselben verehrte. Des Nachts mußte er mit Johann Casimir in
einem Bette schlafen. Der stand aber den andern Morgen früh auf, weil er
nach Berlin mußte. Strauber wollte mit, doch ließ es Casimir nicht zu, er
wollte ihn den zweiten Tag holen. "So bin ich blieben," berichtet Strauber,
"und habe mich wieder zu Bette gelegt, denn ich bin von wegen großen Saufens
gar krank gewesen. Ist Gras Augusius, seine Frau Mutter und das Fräulein
kommen und sich vor's Bett gesetzt und mich gefragt, ob ich nicht essen wollen.
Doch ich habe nichts gewollt als ein wenig Hühnerbrühe und dann mit dem
Grafen Karte gespielt." Dann hat er beim Goldschmied ein Armband geholt,
und es dem Fräulein geschenkt, welche ihm darauf bei Tische einen "Näglein-
kränz" (Nelkenkranz) mit zwei verschlungenen Händen und seinen und ihren
Namen verehrt hat. Nächsten Tag aber erhielt er von ihr solidere Geschenke,
nämlich 2 Ringe, einen mit einem Smaragd, den andern mit einem Demant
und der Umschrift: ^nor vrneit orrmig,. Jetzt aber wurde Straubers Lage
immer bedenklicher und da Graf Casimir nicht kam, reiste er den zehnten Tag nach
Berlin. Als er sich hierbei Casimir verabschieden wollie, hielt ihn dieser zurück.
"Er habe noch etwas in der Regierung zu thun und dann wollten sie lustig
sein"; auch schenkte er ihm einen Ring mit "einem Krötenstein" und zwei Rubinen.
Sie waren überaus lustig und den folgenden Tag mußte Strauber -- wieder
mit nach Spandau zurück, was die Gräfin und das Fräulein überaus gern
sahen. "Hier bin ich noch etzliche Tage geblieben und ich wußte nicht, wie
ich davon kommen sollte." Abends nahm das Fräulein eine goldene Kette Von
ihrem Halse und hing sie ihm um und als sie den nächsten Tag zusammen
Gevatter standen, zog Casimir die Kette dem Drchbruder unter dem Wams
hervor mit den Worten: "Trage sie doch vor den Leuten, Du hast sie ja nicht
gestohlen." Nun rückte der Graf Casimir dem Strauber ernstlicher auf den Leib.
Er fragte nach seinen Lebens- und Vermögensverhältnissen. Strauber schwin¬
delte von vieler Beute, die er bei der Niederlage der spanischen Armada ge¬
macht und von seinen Gütern im Niederlande. Da meinte Casimir, er solle
durch ein paar Cavaliere seiner Bekanntschaft beim Vater um seine Schwester
anhalten, sie erhalte 10.000 Thlr. Mitgift. Strauber mußte Briefe schreiben


den Aeltern nach Spandau. Er erzählte, daß ihm die Mutter von den Gästen
nach Berlin geschrieben und trank sofort mit dem angeblichen Herrn von Wirben
Brüderschaft. Das Fräulein mußte „eine Gaillarde schlagen" und dann wurde
getollt und getanzt; auch die alte Gräfin tanzte mit. Ebenso ging es den siebenten
Tag. da Johann Casimir den Tag darauf den neuen Freund selber mit nach Berlin
nehmen wollte. Als die Gräfin hörte, wie ihr Sohn den Gast dutzte, sagte
sie, wenn der Herr mit ihrem Sohne Bruder wäre, müßte er auch ihr Sohn
sein und sie Frau Mutter nennen, und sie nannte ihn von nun an ihren
Herrn Sohn, fand auch einen Ring, den er trug, so hübsch, daß Strauber
ihr denselben verehrte. Des Nachts mußte er mit Johann Casimir in
einem Bette schlafen. Der stand aber den andern Morgen früh auf, weil er
nach Berlin mußte. Strauber wollte mit, doch ließ es Casimir nicht zu, er
wollte ihn den zweiten Tag holen. „So bin ich blieben," berichtet Strauber,
„und habe mich wieder zu Bette gelegt, denn ich bin von wegen großen Saufens
gar krank gewesen. Ist Gras Augusius, seine Frau Mutter und das Fräulein
kommen und sich vor's Bett gesetzt und mich gefragt, ob ich nicht essen wollen.
Doch ich habe nichts gewollt als ein wenig Hühnerbrühe und dann mit dem
Grafen Karte gespielt." Dann hat er beim Goldschmied ein Armband geholt,
und es dem Fräulein geschenkt, welche ihm darauf bei Tische einen „Näglein-
kränz" (Nelkenkranz) mit zwei verschlungenen Händen und seinen und ihren
Namen verehrt hat. Nächsten Tag aber erhielt er von ihr solidere Geschenke,
nämlich 2 Ringe, einen mit einem Smaragd, den andern mit einem Demant
und der Umschrift: ^nor vrneit orrmig,. Jetzt aber wurde Straubers Lage
immer bedenklicher und da Graf Casimir nicht kam, reiste er den zehnten Tag nach
Berlin. Als er sich hierbei Casimir verabschieden wollie, hielt ihn dieser zurück.
„Er habe noch etwas in der Regierung zu thun und dann wollten sie lustig
sein"; auch schenkte er ihm einen Ring mit „einem Krötenstein" und zwei Rubinen.
Sie waren überaus lustig und den folgenden Tag mußte Strauber — wieder
mit nach Spandau zurück, was die Gräfin und das Fräulein überaus gern
sahen. „Hier bin ich noch etzliche Tage geblieben und ich wußte nicht, wie
ich davon kommen sollte." Abends nahm das Fräulein eine goldene Kette Von
ihrem Halse und hing sie ihm um und als sie den nächsten Tag zusammen
Gevatter standen, zog Casimir die Kette dem Drchbruder unter dem Wams
hervor mit den Worten: „Trage sie doch vor den Leuten, Du hast sie ja nicht
gestohlen." Nun rückte der Graf Casimir dem Strauber ernstlicher auf den Leib.
Er fragte nach seinen Lebens- und Vermögensverhältnissen. Strauber schwin¬
delte von vieler Beute, die er bei der Niederlage der spanischen Armada ge¬
macht und von seinen Gütern im Niederlande. Da meinte Casimir, er solle
durch ein paar Cavaliere seiner Bekanntschaft beim Vater um seine Schwester
anhalten, sie erhalte 10.000 Thlr. Mitgift. Strauber mußte Briefe schreiben


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/28>, abgerufen am 20.10.2024.