Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

sage seines Capitains groß genug, um jede beliebige Anzahl von Mausoleen
fortzuschaffen. Bald darauf traf auch der Architect Mr. Pulian ein. um Grund¬
risse der untersuchten Orte Von Halikarnass aufzunehmen. -- Die Ausgrabungen
rings um das Grabmal wurden bis zum Sommer 1858 fortgesetzt, an der
Südseite scheiterten sie aber am Widerstände zweier alter Türken, welche ihre
dort gelegenen Häuser durchaus nicht verkaufen wollten. Aber auch diese beiden
Gebäude sind im Jahre 1865 erworben, von dem englischen Viceconsul Biliotti
und Mr. Salzmann, dem Entdecker der rhodischen Alterthümer, abgerissen und
der Boden durchforscht worden. Die dort gefundenen Fragmente gehören eben¬
falls den Freher. freistehenden Statuen und Löwen an. Da übrigens noch in
einer Entfernung von 170 Fuß vom Grabmal Stücke gefunden wurden, außer¬
dem sehr vieles als Baumaterial in den Häusern und Gartenmauern der ganzen
Stadt verschleppt ist, so ist ein Ende einzelner nachträglicher Entdeckungen gar
nicht abzusehen. In Original und Abguß ist jetzt im Lr. Nus. alles vereinigt,
was, so weit unsere Kenntniß reicht, von dem Wunderbau der Zerstörung ent¬
gangen ist. Leider sind diese Schätze noch in ganz ungenügender Weise aufgestellt,
eigentlich nur untergebracht. Noch wird in London fortwährend an der Zusam¬
mensetzung des Vorhandenen gearbeitet; in langen Reihen stehen die jämmerlich
veistümmelten Statuen und die zerschlagenen Neste der Friese; von den 20 Löwen,
die theilweise gerettet sind, ist keiner im Vollbesitz seiner Glieder. Auf langen
Brettern liegen sorgsam geordnet einzelne Gliedmaßen, die Stücke von Armen
und Beinen zählen nach Hunderten; die meisten der Platten, denen sie ange¬
hört, werden längst zu Kalk gebrannt sein, aber doch noch gelingt es hin und
wieder, das eine und andere der Gliedmaßen dem frühern Eigenthümer wieder
anzupassen.

Ehe wir auf die Sculpturen eingehen, wird es nöthig sein, die für die
Kenntniß des Gebäudes gewonnenen Resultate zu betrachten. Bis zur Auf¬
findung der Neste desselben war man auf die Beschreibung des Plinius an¬
gewiesen. Aus dieser geht mit Sicherheit nur Folgendes hervor: Es bestand
ans einem von 36 Säulen umgebenen Bau, dem Pteron, welcher oblong und
37'/- Fied hoch war. Darüber erhob sich eine Pyramide von 24 Stufen, welche
eben so hoch war als der untere Theil. Der Gcsammtumfang betrug 411 Fuß.
Die Gesammthöhe 140 Fuß, -- Es blieben also in der Höhe noch ohne Be¬
leg 65 Fuß, mit denen nun die Restauratoren nach Belieben schälkelen. Alle
vor der Entdeckung der Ueberreste gemachten Aufrisse -- und es giebt deren eine
große Zahl -- haben jetzt ihre Bedeutung verloren. Zu vielen Irrthümern
trug auch eine Münze der Artemisia bei, auf der sich eine Abbildung des Mau¬
soleums zeigte, die sich aber nachträglich als Fälschung erwies.

Festgestellt ist nun soviel: 1) Die Höhe des Säulenbaues von 37'/- Fuß
ist von Plinius richtig angegeben. An jeder Längsseite standen 11. an jeder


sage seines Capitains groß genug, um jede beliebige Anzahl von Mausoleen
fortzuschaffen. Bald darauf traf auch der Architect Mr. Pulian ein. um Grund¬
risse der untersuchten Orte Von Halikarnass aufzunehmen. — Die Ausgrabungen
rings um das Grabmal wurden bis zum Sommer 1858 fortgesetzt, an der
Südseite scheiterten sie aber am Widerstände zweier alter Türken, welche ihre
dort gelegenen Häuser durchaus nicht verkaufen wollten. Aber auch diese beiden
Gebäude sind im Jahre 1865 erworben, von dem englischen Viceconsul Biliotti
und Mr. Salzmann, dem Entdecker der rhodischen Alterthümer, abgerissen und
der Boden durchforscht worden. Die dort gefundenen Fragmente gehören eben¬
falls den Freher. freistehenden Statuen und Löwen an. Da übrigens noch in
einer Entfernung von 170 Fuß vom Grabmal Stücke gefunden wurden, außer¬
dem sehr vieles als Baumaterial in den Häusern und Gartenmauern der ganzen
Stadt verschleppt ist, so ist ein Ende einzelner nachträglicher Entdeckungen gar
nicht abzusehen. In Original und Abguß ist jetzt im Lr. Nus. alles vereinigt,
was, so weit unsere Kenntniß reicht, von dem Wunderbau der Zerstörung ent¬
gangen ist. Leider sind diese Schätze noch in ganz ungenügender Weise aufgestellt,
eigentlich nur untergebracht. Noch wird in London fortwährend an der Zusam¬
mensetzung des Vorhandenen gearbeitet; in langen Reihen stehen die jämmerlich
veistümmelten Statuen und die zerschlagenen Neste der Friese; von den 20 Löwen,
die theilweise gerettet sind, ist keiner im Vollbesitz seiner Glieder. Auf langen
Brettern liegen sorgsam geordnet einzelne Gliedmaßen, die Stücke von Armen
und Beinen zählen nach Hunderten; die meisten der Platten, denen sie ange¬
hört, werden längst zu Kalk gebrannt sein, aber doch noch gelingt es hin und
wieder, das eine und andere der Gliedmaßen dem frühern Eigenthümer wieder
anzupassen.

Ehe wir auf die Sculpturen eingehen, wird es nöthig sein, die für die
Kenntniß des Gebäudes gewonnenen Resultate zu betrachten. Bis zur Auf¬
findung der Neste desselben war man auf die Beschreibung des Plinius an¬
gewiesen. Aus dieser geht mit Sicherheit nur Folgendes hervor: Es bestand
ans einem von 36 Säulen umgebenen Bau, dem Pteron, welcher oblong und
37'/- Fied hoch war. Darüber erhob sich eine Pyramide von 24 Stufen, welche
eben so hoch war als der untere Theil. Der Gcsammtumfang betrug 411 Fuß.
Die Gesammthöhe 140 Fuß, — Es blieben also in der Höhe noch ohne Be¬
leg 65 Fuß, mit denen nun die Restauratoren nach Belieben schälkelen. Alle
vor der Entdeckung der Ueberreste gemachten Aufrisse — und es giebt deren eine
große Zahl — haben jetzt ihre Bedeutung verloren. Zu vielen Irrthümern
trug auch eine Münze der Artemisia bei, auf der sich eine Abbildung des Mau¬
soleums zeigte, die sich aber nachträglich als Fälschung erwies.

Festgestellt ist nun soviel: 1) Die Höhe des Säulenbaues von 37'/- Fuß
ist von Plinius richtig angegeben. An jeder Längsseite standen 11. an jeder


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0276" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192037"/>
          <p xml:id="ID_762" prev="#ID_761"> sage seines Capitains groß genug, um jede beliebige Anzahl von Mausoleen<lb/>
fortzuschaffen. Bald darauf traf auch der Architect Mr. Pulian ein. um Grund¬<lb/>
risse der untersuchten Orte Von Halikarnass aufzunehmen. &#x2014; Die Ausgrabungen<lb/>
rings um das Grabmal wurden bis zum Sommer 1858 fortgesetzt, an der<lb/>
Südseite scheiterten sie aber am Widerstände zweier alter Türken, welche ihre<lb/>
dort gelegenen Häuser durchaus nicht verkaufen wollten. Aber auch diese beiden<lb/>
Gebäude sind im Jahre 1865 erworben, von dem englischen Viceconsul Biliotti<lb/>
und Mr. Salzmann, dem Entdecker der rhodischen Alterthümer, abgerissen und<lb/>
der Boden durchforscht worden. Die dort gefundenen Fragmente gehören eben¬<lb/>
falls den Freher. freistehenden Statuen und Löwen an. Da übrigens noch in<lb/>
einer Entfernung von 170 Fuß vom Grabmal Stücke gefunden wurden, außer¬<lb/>
dem sehr vieles als Baumaterial in den Häusern und Gartenmauern der ganzen<lb/>
Stadt verschleppt ist, so ist ein Ende einzelner nachträglicher Entdeckungen gar<lb/>
nicht abzusehen. In Original und Abguß ist jetzt im Lr. Nus. alles vereinigt,<lb/>
was, so weit unsere Kenntniß reicht, von dem Wunderbau der Zerstörung ent¬<lb/>
gangen ist. Leider sind diese Schätze noch in ganz ungenügender Weise aufgestellt,<lb/>
eigentlich nur untergebracht. Noch wird in London fortwährend an der Zusam¬<lb/>
mensetzung des Vorhandenen gearbeitet; in langen Reihen stehen die jämmerlich<lb/>
veistümmelten Statuen und die zerschlagenen Neste der Friese; von den 20 Löwen,<lb/>
die theilweise gerettet sind, ist keiner im Vollbesitz seiner Glieder. Auf langen<lb/>
Brettern liegen sorgsam geordnet einzelne Gliedmaßen, die Stücke von Armen<lb/>
und Beinen zählen nach Hunderten; die meisten der Platten, denen sie ange¬<lb/>
hört, werden längst zu Kalk gebrannt sein, aber doch noch gelingt es hin und<lb/>
wieder, das eine und andere der Gliedmaßen dem frühern Eigenthümer wieder<lb/>
anzupassen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_763"> Ehe wir auf die Sculpturen eingehen, wird es nöthig sein, die für die<lb/>
Kenntniß des Gebäudes gewonnenen Resultate zu betrachten. Bis zur Auf¬<lb/>
findung der Neste desselben war man auf die Beschreibung des Plinius an¬<lb/>
gewiesen. Aus dieser geht mit Sicherheit nur Folgendes hervor: Es bestand<lb/>
ans einem von 36 Säulen umgebenen Bau, dem Pteron, welcher oblong und<lb/>
37'/- Fied hoch war. Darüber erhob sich eine Pyramide von 24 Stufen, welche<lb/>
eben so hoch war als der untere Theil. Der Gcsammtumfang betrug 411 Fuß.<lb/>
Die Gesammthöhe 140 Fuß, &#x2014; Es blieben also in der Höhe noch ohne Be¬<lb/>
leg 65 Fuß, mit denen nun die Restauratoren nach Belieben schälkelen. Alle<lb/>
vor der Entdeckung der Ueberreste gemachten Aufrisse &#x2014; und es giebt deren eine<lb/>
große Zahl &#x2014; haben jetzt ihre Bedeutung verloren. Zu vielen Irrthümern<lb/>
trug auch eine Münze der Artemisia bei, auf der sich eine Abbildung des Mau¬<lb/>
soleums zeigte, die sich aber nachträglich als Fälschung erwies.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_764" next="#ID_765"> Festgestellt ist nun soviel: 1) Die Höhe des Säulenbaues von 37'/- Fuß<lb/>
ist von Plinius richtig angegeben. An jeder Längsseite standen 11. an jeder</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0276] sage seines Capitains groß genug, um jede beliebige Anzahl von Mausoleen fortzuschaffen. Bald darauf traf auch der Architect Mr. Pulian ein. um Grund¬ risse der untersuchten Orte Von Halikarnass aufzunehmen. — Die Ausgrabungen rings um das Grabmal wurden bis zum Sommer 1858 fortgesetzt, an der Südseite scheiterten sie aber am Widerstände zweier alter Türken, welche ihre dort gelegenen Häuser durchaus nicht verkaufen wollten. Aber auch diese beiden Gebäude sind im Jahre 1865 erworben, von dem englischen Viceconsul Biliotti und Mr. Salzmann, dem Entdecker der rhodischen Alterthümer, abgerissen und der Boden durchforscht worden. Die dort gefundenen Fragmente gehören eben¬ falls den Freher. freistehenden Statuen und Löwen an. Da übrigens noch in einer Entfernung von 170 Fuß vom Grabmal Stücke gefunden wurden, außer¬ dem sehr vieles als Baumaterial in den Häusern und Gartenmauern der ganzen Stadt verschleppt ist, so ist ein Ende einzelner nachträglicher Entdeckungen gar nicht abzusehen. In Original und Abguß ist jetzt im Lr. Nus. alles vereinigt, was, so weit unsere Kenntniß reicht, von dem Wunderbau der Zerstörung ent¬ gangen ist. Leider sind diese Schätze noch in ganz ungenügender Weise aufgestellt, eigentlich nur untergebracht. Noch wird in London fortwährend an der Zusam¬ mensetzung des Vorhandenen gearbeitet; in langen Reihen stehen die jämmerlich veistümmelten Statuen und die zerschlagenen Neste der Friese; von den 20 Löwen, die theilweise gerettet sind, ist keiner im Vollbesitz seiner Glieder. Auf langen Brettern liegen sorgsam geordnet einzelne Gliedmaßen, die Stücke von Armen und Beinen zählen nach Hunderten; die meisten der Platten, denen sie ange¬ hört, werden längst zu Kalk gebrannt sein, aber doch noch gelingt es hin und wieder, das eine und andere der Gliedmaßen dem frühern Eigenthümer wieder anzupassen. Ehe wir auf die Sculpturen eingehen, wird es nöthig sein, die für die Kenntniß des Gebäudes gewonnenen Resultate zu betrachten. Bis zur Auf¬ findung der Neste desselben war man auf die Beschreibung des Plinius an¬ gewiesen. Aus dieser geht mit Sicherheit nur Folgendes hervor: Es bestand ans einem von 36 Säulen umgebenen Bau, dem Pteron, welcher oblong und 37'/- Fied hoch war. Darüber erhob sich eine Pyramide von 24 Stufen, welche eben so hoch war als der untere Theil. Der Gcsammtumfang betrug 411 Fuß. Die Gesammthöhe 140 Fuß, — Es blieben also in der Höhe noch ohne Be¬ leg 65 Fuß, mit denen nun die Restauratoren nach Belieben schälkelen. Alle vor der Entdeckung der Ueberreste gemachten Aufrisse — und es giebt deren eine große Zahl — haben jetzt ihre Bedeutung verloren. Zu vielen Irrthümern trug auch eine Münze der Artemisia bei, auf der sich eine Abbildung des Mau¬ soleums zeigte, die sich aber nachträglich als Fälschung erwies. Festgestellt ist nun soviel: 1) Die Höhe des Säulenbaues von 37'/- Fuß ist von Plinius richtig angegeben. An jeder Längsseite standen 11. an jeder

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/276
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/276>, abgerufen am 27.09.2024.