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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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wir Vorüberkamm, saßen die verschleierten Weiber Budrums; nie hatten sie vor¬
her einen Gegenstand von solcher Größe gesehen und die Neugier überwand
die nach türkischer Etikette angemessene Zurückhaltung. Die Weiber Trojas
können nicht mit größerm Erstaunen das hölzerne Pferd angestarrt haben, wie
es durck die Mauerbresche in die Stadt gezogen wurde."

"Wir gruben weiter und etwa 12 Fuß ostwärts fand ich die andere Hälfte
vom Körper eines ähnlichen Pferdes, beim Ansatz der Ohren abgebrochen. Nach¬
her fanden wir einen der Pferdehufe, noch mit der Basis verbunden; auf dem¬
selben schmalen Streifen auch noch einen Kopf, wahrscheinlich den eines Apollo,
in drei Stücke gebrochen, und einen andern Löwen. Da wir hier so wichtige
Entdeckungen gemacht hatten, kaufte ich dann sogleich des Imaus ganzes Haus
und noch ein östlich daneben gelegenes. Nachdem ich letzteres heruntergerissen,
fand ich dicht davor die andere Hälfte des Pferdekopfes mit dem Bronzegebiß
noch im Maule und einen Theil eines kolossalen männlichen Kopfes, der nach
dem allgemeinen Eindruck der Züge unbedingt ein ideal behandeltes Porträt
und wahrscheinlich das des Maussollos selber ist; nahe dabei lag ein abgesplit¬
tertes Stück desselben bärtigen Kopfes, so daß drei Viertel des Gesichtes fast
unbeschädigt erhalten sind. Unter des Imaus Haus fand ich einen bekleideten
Torso und in den Kamin eingemauert einen mächtigen weiblichen Kopf mit
einem nach hinten herunterfallenden Schleier; das Gesicht war freilich vom Feuer
fast gänzlich zerstört. Auch ein weiblicher Kolossalkopf mit einem dreifachen
Kranz zierlich gedrehter Löckchen wurde an der Marmormauer gefunden."

"Als diese große Masse von Sculpturen entdeckt war, sahen wir unsern
Vorrath an Kistenholz beinahe gänzlich erschöpft und auch der Schiffsraum war
fast angefüllt. Aber die Hilfsmittel eines Schiffes sind gar mannigfaltiger Art.
Capitain Towsey half mit leeren Fässern aus, in welche viele Hundert Archi¬
tektur- und Sculpturfragmente säuberlich eingepackt wurden, indem jedes Stück,
um die Reibung zu vermeiden, in alte Hängematten und Brotbeutel eingeschlagen
wurde. So brachten wir alles unter, bis auf die ganz großen Marmorblöcke.
Die bekleideten Torfen, die aus Imaus Feld gefunden waren und die mit ihren
tief unterhöhlten Falten leicht verletzt werden konnten, wurden sorgfältig mit
Tauen ausgepolstert, dann in große Decken eingeschnürt und so dick umwunden,
daß sie Mumien glichen und dann einer auf dem andern in den Schiffsraum
hineingestaut. Die beiden Theile der kolossalen Pferde waren aber auch dafür
nu groß, sie wurden deshalb auf dem Deck befestigt und durch Segelleinwand
gegen das Wetter geschützt. So gelang es uns, 218 Packstückc von verschie¬
denster Art in der Gorgo unterzubringen. Als wir eben damit fertig waren,
kam der Supply an, welchen Lord Clarendon zur Unterstützung geschickt hatte."

Der Supply begleitete Newton auf seinen weiteren Reisen^nach Lniäus und
KriwvIMav, auch Stücke des Mausoleums nahm er noch aus und war nach Aus-


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wir Vorüberkamm, saßen die verschleierten Weiber Budrums; nie hatten sie vor¬
her einen Gegenstand von solcher Größe gesehen und die Neugier überwand
die nach türkischer Etikette angemessene Zurückhaltung. Die Weiber Trojas
können nicht mit größerm Erstaunen das hölzerne Pferd angestarrt haben, wie
es durck die Mauerbresche in die Stadt gezogen wurde."

„Wir gruben weiter und etwa 12 Fuß ostwärts fand ich die andere Hälfte
vom Körper eines ähnlichen Pferdes, beim Ansatz der Ohren abgebrochen. Nach¬
her fanden wir einen der Pferdehufe, noch mit der Basis verbunden; auf dem¬
selben schmalen Streifen auch noch einen Kopf, wahrscheinlich den eines Apollo,
in drei Stücke gebrochen, und einen andern Löwen. Da wir hier so wichtige
Entdeckungen gemacht hatten, kaufte ich dann sogleich des Imaus ganzes Haus
und noch ein östlich daneben gelegenes. Nachdem ich letzteres heruntergerissen,
fand ich dicht davor die andere Hälfte des Pferdekopfes mit dem Bronzegebiß
noch im Maule und einen Theil eines kolossalen männlichen Kopfes, der nach
dem allgemeinen Eindruck der Züge unbedingt ein ideal behandeltes Porträt
und wahrscheinlich das des Maussollos selber ist; nahe dabei lag ein abgesplit¬
tertes Stück desselben bärtigen Kopfes, so daß drei Viertel des Gesichtes fast
unbeschädigt erhalten sind. Unter des Imaus Haus fand ich einen bekleideten
Torso und in den Kamin eingemauert einen mächtigen weiblichen Kopf mit
einem nach hinten herunterfallenden Schleier; das Gesicht war freilich vom Feuer
fast gänzlich zerstört. Auch ein weiblicher Kolossalkopf mit einem dreifachen
Kranz zierlich gedrehter Löckchen wurde an der Marmormauer gefunden."

„Als diese große Masse von Sculpturen entdeckt war, sahen wir unsern
Vorrath an Kistenholz beinahe gänzlich erschöpft und auch der Schiffsraum war
fast angefüllt. Aber die Hilfsmittel eines Schiffes sind gar mannigfaltiger Art.
Capitain Towsey half mit leeren Fässern aus, in welche viele Hundert Archi¬
tektur- und Sculpturfragmente säuberlich eingepackt wurden, indem jedes Stück,
um die Reibung zu vermeiden, in alte Hängematten und Brotbeutel eingeschlagen
wurde. So brachten wir alles unter, bis auf die ganz großen Marmorblöcke.
Die bekleideten Torfen, die aus Imaus Feld gefunden waren und die mit ihren
tief unterhöhlten Falten leicht verletzt werden konnten, wurden sorgfältig mit
Tauen ausgepolstert, dann in große Decken eingeschnürt und so dick umwunden,
daß sie Mumien glichen und dann einer auf dem andern in den Schiffsraum
hineingestaut. Die beiden Theile der kolossalen Pferde waren aber auch dafür
nu groß, sie wurden deshalb auf dem Deck befestigt und durch Segelleinwand
gegen das Wetter geschützt. So gelang es uns, 218 Packstückc von verschie¬
denster Art in der Gorgo unterzubringen. Als wir eben damit fertig waren,
kam der Supply an, welchen Lord Clarendon zur Unterstützung geschickt hatte."

Der Supply begleitete Newton auf seinen weiteren Reisen^nach Lniäus und
KriwvIMav, auch Stücke des Mausoleums nahm er noch aus und war nach Aus-


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[0275] wir Vorüberkamm, saßen die verschleierten Weiber Budrums; nie hatten sie vor¬ her einen Gegenstand von solcher Größe gesehen und die Neugier überwand die nach türkischer Etikette angemessene Zurückhaltung. Die Weiber Trojas können nicht mit größerm Erstaunen das hölzerne Pferd angestarrt haben, wie es durck die Mauerbresche in die Stadt gezogen wurde." „Wir gruben weiter und etwa 12 Fuß ostwärts fand ich die andere Hälfte vom Körper eines ähnlichen Pferdes, beim Ansatz der Ohren abgebrochen. Nach¬ her fanden wir einen der Pferdehufe, noch mit der Basis verbunden; auf dem¬ selben schmalen Streifen auch noch einen Kopf, wahrscheinlich den eines Apollo, in drei Stücke gebrochen, und einen andern Löwen. Da wir hier so wichtige Entdeckungen gemacht hatten, kaufte ich dann sogleich des Imaus ganzes Haus und noch ein östlich daneben gelegenes. Nachdem ich letzteres heruntergerissen, fand ich dicht davor die andere Hälfte des Pferdekopfes mit dem Bronzegebiß noch im Maule und einen Theil eines kolossalen männlichen Kopfes, der nach dem allgemeinen Eindruck der Züge unbedingt ein ideal behandeltes Porträt und wahrscheinlich das des Maussollos selber ist; nahe dabei lag ein abgesplit¬ tertes Stück desselben bärtigen Kopfes, so daß drei Viertel des Gesichtes fast unbeschädigt erhalten sind. Unter des Imaus Haus fand ich einen bekleideten Torso und in den Kamin eingemauert einen mächtigen weiblichen Kopf mit einem nach hinten herunterfallenden Schleier; das Gesicht war freilich vom Feuer fast gänzlich zerstört. Auch ein weiblicher Kolossalkopf mit einem dreifachen Kranz zierlich gedrehter Löckchen wurde an der Marmormauer gefunden." „Als diese große Masse von Sculpturen entdeckt war, sahen wir unsern Vorrath an Kistenholz beinahe gänzlich erschöpft und auch der Schiffsraum war fast angefüllt. Aber die Hilfsmittel eines Schiffes sind gar mannigfaltiger Art. Capitain Towsey half mit leeren Fässern aus, in welche viele Hundert Archi¬ tektur- und Sculpturfragmente säuberlich eingepackt wurden, indem jedes Stück, um die Reibung zu vermeiden, in alte Hängematten und Brotbeutel eingeschlagen wurde. So brachten wir alles unter, bis auf die ganz großen Marmorblöcke. Die bekleideten Torfen, die aus Imaus Feld gefunden waren und die mit ihren tief unterhöhlten Falten leicht verletzt werden konnten, wurden sorgfältig mit Tauen ausgepolstert, dann in große Decken eingeschnürt und so dick umwunden, daß sie Mumien glichen und dann einer auf dem andern in den Schiffsraum hineingestaut. Die beiden Theile der kolossalen Pferde waren aber auch dafür nu groß, sie wurden deshalb auf dem Deck befestigt und durch Segelleinwand gegen das Wetter geschützt. So gelang es uns, 218 Packstückc von verschie¬ denster Art in der Gorgo unterzubringen. Als wir eben damit fertig waren, kam der Supply an, welchen Lord Clarendon zur Unterstützung geschickt hatte." Der Supply begleitete Newton auf seinen weiteren Reisen^nach Lniäus und KriwvIMav, auch Stücke des Mausoleums nahm er noch aus und war nach Aus- 35*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/275>, abgerufen am 20.10.2024.