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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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Hause einhegte. Da dieselbe voll von Fragmenten des Mausoleums steckte,
so bat ich den Eigenthümer des Hauses um die Erlaubniß, sie abreißen und
noch ein wenig nördlich nach seinem Hause zu graben zu dürfen. Dieser wür¬
dige Mann, ein Imam, erlaubte mir wirklich nach einigem Zögern, einen Streifen
von sechs Fuß Breite innerhalb der Grenzmauer, welche wir niederrissen, zu
durchgraben. In dem Fundament der Mauer fand sich der Schwanz eines
kolossalen Pferdes eingemauert. Indem ich tiefer graben ließ, stieß ich aus
eine Mauer, d>e aus großen weißen Marmorblöcken prächtig zusammengefügt
war und mehr als sechs Fuß Höhe hatte. (Es war der Peribolos, die Um¬
fassungsmauer, welche die geweihte Stätte des Grabmals rings umgab.) Auf
der Oberseite dieser Mauer lag ein steinerner Löwe augenscheinlich wie er herab¬
gefallen war, Beine und Schwanz abgebrochen, aber der Körper vorzüglich er¬
halten und der Kopf ganz unbeschädigt; seine Zunge zeigte sich beim Auffinden
feurig roth bemalt. Hinter diesem Walle fand sich nach Norden zu eine Masse
großer Marmorplatten, eine über der andern im Boden aufgeschichtet. (Die¬
selben gehörten zu den Stufen der Pyramide, welche den obersten Theil des
Grabdenkmals bildete.) Nachdem wir die obersten derselben entfernt, sahen wir
unter ihnen die Falten eines bekleideten Torso. Wir holten denselben vorsich¬
tig heraus, obgleich die Arbeit bei dem Gewicht der überhängenden Platten
gefährlich genug war. Dann kam ein männlicher Kopf in drei Stücke geborsten
zum Vorschein, dann ein anderer bekleideter Torso und eine eigenthümliche
Marmormasse mit einem daran befestigten Vronzcstück, welche ich nach längerm
Betrachten alö die Hälfte eines kolossalen Pserdetopfes erkannte. Sogleich
durste ich für gewiß ansehen, daß ich jenem berühmten Viergespann auf der
Spur war, welches nach Plinius Bericht auf der Spitze der Pyramide stand.
Es zeigte sich, daß ich mich nicht getäuscht. Indem wir weiter gruben, fanden
wir fortwährend Stücke von Statuen und Löwen, bis wir zuletzt auf das
Hinterthnl eines Pferdes von enormer Größe stießen, das vor dem Vorderbug
durch eine Fuge abgeschnitten war und von der Schwanzwurzel bis zu dieser
Fuge über sechs Fuß maß. Die eine Hälfte der großen Masse lag in dem
Ackerstreifen, den ich durchsuchen durfte, die andere in dem Theil des Feldes,
an den ich kein Anrecht hatte. Ich erwartete, daß der Imam diese Gelegenheit
benutzen würde, um eine schwere Contnbution für das weitere Vordringen auf
seinem Besitzthum zu erpressen, aber glücklicher Weise hatte ich es diesmal mit
einem billig denkenden Manne zu thun, der es verschmähte, sich solcher klein¬
licher Vortheile zu bedienen. So erhielten wir volle EUaubniß, den Boden um
das große Pferd herum dergestalt bloß zu legen, daß wir unsere Triangel und
Flaschenzüge darüber aufpflanzen konnten. Nachdem wir es ordentlich heraus¬
gebracht, wurde es auf einen Schlitten gelegt und von 80 türkischen Arbeitern
an dle Küste geschleppt. Aus den Mauern und Dächern der Häuser, an denen


Hause einhegte. Da dieselbe voll von Fragmenten des Mausoleums steckte,
so bat ich den Eigenthümer des Hauses um die Erlaubniß, sie abreißen und
noch ein wenig nördlich nach seinem Hause zu graben zu dürfen. Dieser wür¬
dige Mann, ein Imam, erlaubte mir wirklich nach einigem Zögern, einen Streifen
von sechs Fuß Breite innerhalb der Grenzmauer, welche wir niederrissen, zu
durchgraben. In dem Fundament der Mauer fand sich der Schwanz eines
kolossalen Pferdes eingemauert. Indem ich tiefer graben ließ, stieß ich aus
eine Mauer, d>e aus großen weißen Marmorblöcken prächtig zusammengefügt
war und mehr als sechs Fuß Höhe hatte. (Es war der Peribolos, die Um¬
fassungsmauer, welche die geweihte Stätte des Grabmals rings umgab.) Auf
der Oberseite dieser Mauer lag ein steinerner Löwe augenscheinlich wie er herab¬
gefallen war, Beine und Schwanz abgebrochen, aber der Körper vorzüglich er¬
halten und der Kopf ganz unbeschädigt; seine Zunge zeigte sich beim Auffinden
feurig roth bemalt. Hinter diesem Walle fand sich nach Norden zu eine Masse
großer Marmorplatten, eine über der andern im Boden aufgeschichtet. (Die¬
selben gehörten zu den Stufen der Pyramide, welche den obersten Theil des
Grabdenkmals bildete.) Nachdem wir die obersten derselben entfernt, sahen wir
unter ihnen die Falten eines bekleideten Torso. Wir holten denselben vorsich¬
tig heraus, obgleich die Arbeit bei dem Gewicht der überhängenden Platten
gefährlich genug war. Dann kam ein männlicher Kopf in drei Stücke geborsten
zum Vorschein, dann ein anderer bekleideter Torso und eine eigenthümliche
Marmormasse mit einem daran befestigten Vronzcstück, welche ich nach längerm
Betrachten alö die Hälfte eines kolossalen Pserdetopfes erkannte. Sogleich
durste ich für gewiß ansehen, daß ich jenem berühmten Viergespann auf der
Spur war, welches nach Plinius Bericht auf der Spitze der Pyramide stand.
Es zeigte sich, daß ich mich nicht getäuscht. Indem wir weiter gruben, fanden
wir fortwährend Stücke von Statuen und Löwen, bis wir zuletzt auf das
Hinterthnl eines Pferdes von enormer Größe stießen, das vor dem Vorderbug
durch eine Fuge abgeschnitten war und von der Schwanzwurzel bis zu dieser
Fuge über sechs Fuß maß. Die eine Hälfte der großen Masse lag in dem
Ackerstreifen, den ich durchsuchen durfte, die andere in dem Theil des Feldes,
an den ich kein Anrecht hatte. Ich erwartete, daß der Imam diese Gelegenheit
benutzen würde, um eine schwere Contnbution für das weitere Vordringen auf
seinem Besitzthum zu erpressen, aber glücklicher Weise hatte ich es diesmal mit
einem billig denkenden Manne zu thun, der es verschmähte, sich solcher klein¬
licher Vortheile zu bedienen. So erhielten wir volle EUaubniß, den Boden um
das große Pferd herum dergestalt bloß zu legen, daß wir unsere Triangel und
Flaschenzüge darüber aufpflanzen konnten. Nachdem wir es ordentlich heraus¬
gebracht, wurde es auf einen Schlitten gelegt und von 80 türkischen Arbeitern
an dle Küste geschleppt. Aus den Mauern und Dächern der Häuser, an denen


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[0274] Hause einhegte. Da dieselbe voll von Fragmenten des Mausoleums steckte, so bat ich den Eigenthümer des Hauses um die Erlaubniß, sie abreißen und noch ein wenig nördlich nach seinem Hause zu graben zu dürfen. Dieser wür¬ dige Mann, ein Imam, erlaubte mir wirklich nach einigem Zögern, einen Streifen von sechs Fuß Breite innerhalb der Grenzmauer, welche wir niederrissen, zu durchgraben. In dem Fundament der Mauer fand sich der Schwanz eines kolossalen Pferdes eingemauert. Indem ich tiefer graben ließ, stieß ich aus eine Mauer, d>e aus großen weißen Marmorblöcken prächtig zusammengefügt war und mehr als sechs Fuß Höhe hatte. (Es war der Peribolos, die Um¬ fassungsmauer, welche die geweihte Stätte des Grabmals rings umgab.) Auf der Oberseite dieser Mauer lag ein steinerner Löwe augenscheinlich wie er herab¬ gefallen war, Beine und Schwanz abgebrochen, aber der Körper vorzüglich er¬ halten und der Kopf ganz unbeschädigt; seine Zunge zeigte sich beim Auffinden feurig roth bemalt. Hinter diesem Walle fand sich nach Norden zu eine Masse großer Marmorplatten, eine über der andern im Boden aufgeschichtet. (Die¬ selben gehörten zu den Stufen der Pyramide, welche den obersten Theil des Grabdenkmals bildete.) Nachdem wir die obersten derselben entfernt, sahen wir unter ihnen die Falten eines bekleideten Torso. Wir holten denselben vorsich¬ tig heraus, obgleich die Arbeit bei dem Gewicht der überhängenden Platten gefährlich genug war. Dann kam ein männlicher Kopf in drei Stücke geborsten zum Vorschein, dann ein anderer bekleideter Torso und eine eigenthümliche Marmormasse mit einem daran befestigten Vronzcstück, welche ich nach längerm Betrachten alö die Hälfte eines kolossalen Pserdetopfes erkannte. Sogleich durste ich für gewiß ansehen, daß ich jenem berühmten Viergespann auf der Spur war, welches nach Plinius Bericht auf der Spitze der Pyramide stand. Es zeigte sich, daß ich mich nicht getäuscht. Indem wir weiter gruben, fanden wir fortwährend Stücke von Statuen und Löwen, bis wir zuletzt auf das Hinterthnl eines Pferdes von enormer Größe stießen, das vor dem Vorderbug durch eine Fuge abgeschnitten war und von der Schwanzwurzel bis zu dieser Fuge über sechs Fuß maß. Die eine Hälfte der großen Masse lag in dem Ackerstreifen, den ich durchsuchen durfte, die andere in dem Theil des Feldes, an den ich kein Anrecht hatte. Ich erwartete, daß der Imam diese Gelegenheit benutzen würde, um eine schwere Contnbution für das weitere Vordringen auf seinem Besitzthum zu erpressen, aber glücklicher Weise hatte ich es diesmal mit einem billig denkenden Manne zu thun, der es verschmähte, sich solcher klein¬ licher Vortheile zu bedienen. So erhielten wir volle EUaubniß, den Boden um das große Pferd herum dergestalt bloß zu legen, daß wir unsere Triangel und Flaschenzüge darüber aufpflanzen konnten. Nachdem wir es ordentlich heraus¬ gebracht, wurde es auf einen Schlitten gelegt und von 80 türkischen Arbeitern an dle Küste geschleppt. Aus den Mauern und Dächern der Häuser, an denen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/274>, abgerufen am 20.10.2024.