Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

meint ist, läßt sich nicht bestimmen. Dagegen besitzen wir einen sehr ausführ¬
lichen Bericht aus dem Jahre 1532. In diesem Jahre beschlossen die Ritter
zu Rhodos, das Castell Se. Peter gegen die herannahende Macht Solimans zu
verstärken und schickten eine Expedition dorthin ab. Zu ihr gehörte auch der
Commandeur de la Tourette aus Lyon, welcher späterhin dem gelehrten Fran¬
zosen d'Alechamp Folgendes erzählte: "Als die Ritter in Mesy angelangt waren,
begannen sie sogleich an der Befestigung des Castells zu arbeiten und als sie
Kalk brauchten, fanden sie in der Umgegend kein geeigneteres und leichter zu¬
gängliches Material um solchen daraus zu brennen, als gewisse Stufen von
weißem Marmor, welche sich in Form einer Freitreppe ixeri-oil) erhoben, in¬
mitten eines Feldes nach dem Hafen, do.t wo einstmals der große Platz Hatt-
karnassus sich befand; sie ließen dieselben herunterschlagen und für ihren Zweck
verwendend) Da man diese Steine brauchen konnte, so schlug man das wenige
Mauerwerk, welches sich über der Erde befand, fort und ließ in der Hoffnung,
noch mehr Marmor zu finden, weiter graben. Dies hatte sehr glücklichen Er¬
folg, denn sie erkannten bald, daß je tiefer sie gruben, desto mehr die Con-
structionen sich nach unten hin erweiterten, und fanden so viel Steine, daß
sie nicht nur zum Kalkbrennen, sondern auch zum Bauen genug hatten. Nach
Verlauf von 4--6 Tagen, nachdem schon viel freigelegt war, zeigte sich eines
Nachmittags eine Oeffnung, die wie in einen Keller führte. Sie nahmen
Lichter und ließen sich hinab, wo sie einen schönen großen viereckigen Saal
fanden, rings herum mit Marmorsäulen geschmückt, deren Basen, Capitäle,
Architrave, Friese und Gesimse ausgehauen und mit Sculpturen in Las-rvZivt'
versehen waren. Die Räume zwischen den Säulen waren mit Streifen und
Platten von verschiedenfarbigem Marmor bekleidet und verziert mit Ornamenten
und Sculpturen, welche mit den übrigen Theilen des Werkes im Einklang
standen und sauber auf den weißen Grund der Mauer aufgesetzt waren, wo
man lauter in Stein gehauene Historien und verschiedene Schlachten in Flachrelief
erblickte. Nachdem sie dies zuerst bewundert und ihre Phantasie an der Be¬
sonderheit der Arbeit ergötzt, rissen sie es zuletzt herunter, zerschlugen und zer¬
brachen es und benutzten es in derselben Weise wie das frühere. Außer diesem
Saale fanden sie nachher eine sehr niedrige Thür, welche zu einem andern
vorzimmerartigen Raume führte, wo ein Grabmal stand mit seinem Gefäß und
Helmschmuck (sexuler" avoo son pass et son t/indi-e), sehr schön und in wun¬
derbarem Glanz aus weißem Marmor gearbeitet. Dasselbe zu öffnen fehlte es



*) Es waren dies Theile des große" Unterbaus; der ganze Oberbau, also der eigentliche
Grablcmpcl und die Pyramide waren demnach schon früher zum Bau des Castells verbraucht
worden, der Unterbau ragte nach Angabe des Folgenden nur noch wenig aus dem umgeben"
den Schneefelde hervor.

meint ist, läßt sich nicht bestimmen. Dagegen besitzen wir einen sehr ausführ¬
lichen Bericht aus dem Jahre 1532. In diesem Jahre beschlossen die Ritter
zu Rhodos, das Castell Se. Peter gegen die herannahende Macht Solimans zu
verstärken und schickten eine Expedition dorthin ab. Zu ihr gehörte auch der
Commandeur de la Tourette aus Lyon, welcher späterhin dem gelehrten Fran¬
zosen d'Alechamp Folgendes erzählte: „Als die Ritter in Mesy angelangt waren,
begannen sie sogleich an der Befestigung des Castells zu arbeiten und als sie
Kalk brauchten, fanden sie in der Umgegend kein geeigneteres und leichter zu¬
gängliches Material um solchen daraus zu brennen, als gewisse Stufen von
weißem Marmor, welche sich in Form einer Freitreppe ixeri-oil) erhoben, in¬
mitten eines Feldes nach dem Hafen, do.t wo einstmals der große Platz Hatt-
karnassus sich befand; sie ließen dieselben herunterschlagen und für ihren Zweck
verwendend) Da man diese Steine brauchen konnte, so schlug man das wenige
Mauerwerk, welches sich über der Erde befand, fort und ließ in der Hoffnung,
noch mehr Marmor zu finden, weiter graben. Dies hatte sehr glücklichen Er¬
folg, denn sie erkannten bald, daß je tiefer sie gruben, desto mehr die Con-
structionen sich nach unten hin erweiterten, und fanden so viel Steine, daß
sie nicht nur zum Kalkbrennen, sondern auch zum Bauen genug hatten. Nach
Verlauf von 4—6 Tagen, nachdem schon viel freigelegt war, zeigte sich eines
Nachmittags eine Oeffnung, die wie in einen Keller führte. Sie nahmen
Lichter und ließen sich hinab, wo sie einen schönen großen viereckigen Saal
fanden, rings herum mit Marmorsäulen geschmückt, deren Basen, Capitäle,
Architrave, Friese und Gesimse ausgehauen und mit Sculpturen in Las-rvZivt'
versehen waren. Die Räume zwischen den Säulen waren mit Streifen und
Platten von verschiedenfarbigem Marmor bekleidet und verziert mit Ornamenten
und Sculpturen, welche mit den übrigen Theilen des Werkes im Einklang
standen und sauber auf den weißen Grund der Mauer aufgesetzt waren, wo
man lauter in Stein gehauene Historien und verschiedene Schlachten in Flachrelief
erblickte. Nachdem sie dies zuerst bewundert und ihre Phantasie an der Be¬
sonderheit der Arbeit ergötzt, rissen sie es zuletzt herunter, zerschlugen und zer¬
brachen es und benutzten es in derselben Weise wie das frühere. Außer diesem
Saale fanden sie nachher eine sehr niedrige Thür, welche zu einem andern
vorzimmerartigen Raume führte, wo ein Grabmal stand mit seinem Gefäß und
Helmschmuck (sexuler« avoo son pass et son t/indi-e), sehr schön und in wun¬
derbarem Glanz aus weißem Marmor gearbeitet. Dasselbe zu öffnen fehlte es



*) Es waren dies Theile des große» Unterbaus; der ganze Oberbau, also der eigentliche
Grablcmpcl und die Pyramide waren demnach schon früher zum Bau des Castells verbraucht
worden, der Unterbau ragte nach Angabe des Folgenden nur noch wenig aus dem umgeben«
den Schneefelde hervor.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0263" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192024"/>
          <p xml:id="ID_733" prev="#ID_732" next="#ID_734"> meint ist, läßt sich nicht bestimmen. Dagegen besitzen wir einen sehr ausführ¬<lb/>
lichen Bericht aus dem Jahre 1532. In diesem Jahre beschlossen die Ritter<lb/>
zu Rhodos, das Castell Se. Peter gegen die herannahende Macht Solimans zu<lb/>
verstärken und schickten eine Expedition dorthin ab. Zu ihr gehörte auch der<lb/>
Commandeur de la Tourette aus Lyon, welcher späterhin dem gelehrten Fran¬<lb/>
zosen d'Alechamp Folgendes erzählte: &#x201E;Als die Ritter in Mesy angelangt waren,<lb/>
begannen sie sogleich an der Befestigung des Castells zu arbeiten und als sie<lb/>
Kalk brauchten, fanden sie in der Umgegend kein geeigneteres und leichter zu¬<lb/>
gängliches Material um solchen daraus zu brennen, als gewisse Stufen von<lb/>
weißem Marmor, welche sich in Form einer Freitreppe ixeri-oil) erhoben, in¬<lb/>
mitten eines Feldes nach dem Hafen, do.t wo einstmals der große Platz Hatt-<lb/>
karnassus sich befand; sie ließen dieselben herunterschlagen und für ihren Zweck<lb/>
verwendend) Da man diese Steine brauchen konnte, so schlug man das wenige<lb/>
Mauerwerk, welches sich über der Erde befand, fort und ließ in der Hoffnung,<lb/>
noch mehr Marmor zu finden, weiter graben. Dies hatte sehr glücklichen Er¬<lb/>
folg, denn sie erkannten bald, daß je tiefer sie gruben, desto mehr die Con-<lb/>
structionen sich nach unten hin erweiterten, und fanden so viel Steine, daß<lb/>
sie nicht nur zum Kalkbrennen, sondern auch zum Bauen genug hatten. Nach<lb/>
Verlauf von 4&#x2014;6 Tagen, nachdem schon viel freigelegt war, zeigte sich eines<lb/>
Nachmittags eine Oeffnung, die wie in einen Keller führte. Sie nahmen<lb/>
Lichter und ließen sich hinab, wo sie einen schönen großen viereckigen Saal<lb/>
fanden, rings herum mit Marmorsäulen geschmückt, deren Basen, Capitäle,<lb/>
Architrave, Friese und Gesimse ausgehauen und mit Sculpturen in Las-rvZivt'<lb/>
versehen waren. Die Räume zwischen den Säulen waren mit Streifen und<lb/>
Platten von verschiedenfarbigem Marmor bekleidet und verziert mit Ornamenten<lb/>
und Sculpturen, welche mit den übrigen Theilen des Werkes im Einklang<lb/>
standen und sauber auf den weißen Grund der Mauer aufgesetzt waren, wo<lb/>
man lauter in Stein gehauene Historien und verschiedene Schlachten in Flachrelief<lb/>
erblickte. Nachdem sie dies zuerst bewundert und ihre Phantasie an der Be¬<lb/>
sonderheit der Arbeit ergötzt, rissen sie es zuletzt herunter, zerschlugen und zer¬<lb/>
brachen es und benutzten es in derselben Weise wie das frühere. Außer diesem<lb/>
Saale fanden sie nachher eine sehr niedrige Thür, welche zu einem andern<lb/>
vorzimmerartigen Raume führte, wo ein Grabmal stand mit seinem Gefäß und<lb/>
Helmschmuck (sexuler« avoo son pass et son t/indi-e), sehr schön und in wun¬<lb/>
derbarem Glanz aus weißem Marmor gearbeitet. Dasselbe zu öffnen fehlte es</p><lb/>
          <note xml:id="FID_19" place="foot"> *) Es waren dies Theile des große» Unterbaus; der ganze Oberbau, also der eigentliche<lb/>
Grablcmpcl und die Pyramide waren demnach schon früher zum Bau des Castells verbraucht<lb/>
worden, der Unterbau ragte nach Angabe des Folgenden nur noch wenig aus dem umgeben«<lb/>
den Schneefelde hervor.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0263] meint ist, läßt sich nicht bestimmen. Dagegen besitzen wir einen sehr ausführ¬ lichen Bericht aus dem Jahre 1532. In diesem Jahre beschlossen die Ritter zu Rhodos, das Castell Se. Peter gegen die herannahende Macht Solimans zu verstärken und schickten eine Expedition dorthin ab. Zu ihr gehörte auch der Commandeur de la Tourette aus Lyon, welcher späterhin dem gelehrten Fran¬ zosen d'Alechamp Folgendes erzählte: „Als die Ritter in Mesy angelangt waren, begannen sie sogleich an der Befestigung des Castells zu arbeiten und als sie Kalk brauchten, fanden sie in der Umgegend kein geeigneteres und leichter zu¬ gängliches Material um solchen daraus zu brennen, als gewisse Stufen von weißem Marmor, welche sich in Form einer Freitreppe ixeri-oil) erhoben, in¬ mitten eines Feldes nach dem Hafen, do.t wo einstmals der große Platz Hatt- karnassus sich befand; sie ließen dieselben herunterschlagen und für ihren Zweck verwendend) Da man diese Steine brauchen konnte, so schlug man das wenige Mauerwerk, welches sich über der Erde befand, fort und ließ in der Hoffnung, noch mehr Marmor zu finden, weiter graben. Dies hatte sehr glücklichen Er¬ folg, denn sie erkannten bald, daß je tiefer sie gruben, desto mehr die Con- structionen sich nach unten hin erweiterten, und fanden so viel Steine, daß sie nicht nur zum Kalkbrennen, sondern auch zum Bauen genug hatten. Nach Verlauf von 4—6 Tagen, nachdem schon viel freigelegt war, zeigte sich eines Nachmittags eine Oeffnung, die wie in einen Keller führte. Sie nahmen Lichter und ließen sich hinab, wo sie einen schönen großen viereckigen Saal fanden, rings herum mit Marmorsäulen geschmückt, deren Basen, Capitäle, Architrave, Friese und Gesimse ausgehauen und mit Sculpturen in Las-rvZivt' versehen waren. Die Räume zwischen den Säulen waren mit Streifen und Platten von verschiedenfarbigem Marmor bekleidet und verziert mit Ornamenten und Sculpturen, welche mit den übrigen Theilen des Werkes im Einklang standen und sauber auf den weißen Grund der Mauer aufgesetzt waren, wo man lauter in Stein gehauene Historien und verschiedene Schlachten in Flachrelief erblickte. Nachdem sie dies zuerst bewundert und ihre Phantasie an der Be¬ sonderheit der Arbeit ergötzt, rissen sie es zuletzt herunter, zerschlugen und zer¬ brachen es und benutzten es in derselben Weise wie das frühere. Außer diesem Saale fanden sie nachher eine sehr niedrige Thür, welche zu einem andern vorzimmerartigen Raume führte, wo ein Grabmal stand mit seinem Gefäß und Helmschmuck (sexuler« avoo son pass et son t/indi-e), sehr schön und in wun¬ derbarem Glanz aus weißem Marmor gearbeitet. Dasselbe zu öffnen fehlte es *) Es waren dies Theile des große» Unterbaus; der ganze Oberbau, also der eigentliche Grablcmpcl und die Pyramide waren demnach schon früher zum Bau des Castells verbraucht worden, der Unterbau ragte nach Angabe des Folgenden nur noch wenig aus dem umgeben« den Schneefelde hervor.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/263
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/263>, abgerufen am 27.09.2024.