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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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immer noch genöthigt ist, zwischen den Zeilen zu lesen. Ueberhaupt ist bei
allen Mittheilungen der englischen Presse über Schiffe, über Panzer und Geschütze
stets festzuhalten, daß häufig die betreffenden Fabrikanten ihre Hand dabei im
Spiele haben; die Inhaber der bedeutendsten Schiffsbausirmen z. B. Laird aus
Birkenhead. Samuda aus Poplar bei London u. s. w. haben selbst Sitze im
Parlament, wo sie bei den Marinedebatten natürlich nicht gerade zum Schaden
ihres Fabrikationszweiges sprechen. Dieses Verhältniß hat sich natürlich auch
gelegentlich des großen Wettkampfes in der Vervollkommnung von Panzer und
Geschütz sehr geltend gemacht.

Das erste auffallende Ergebniß dieser Schießversuche der englischen Abini"
ralität. welche Platten aus den verschiedensten Fabriken (besonders Brown in
Sheffield) und Geschütze theils aus den Rcgicrungöwerkflätten, theils aus Privat¬
etablissements zur Prüfung brachte, war nun, daß die schweren gezogenen Ka¬
liber, die man einführte, um den Widerstand der Panzerplatten zu überwinden,
die 70Pfünder und IIOPfünder Armstrongs*) auf nahe Distanzen nicht einmal
so viel aufrichteten wie der alte glatte 68Pfünder. Der Giund liegt in der
größern Anfangsgeschwindigkeit des Geschosses beim glatten Geschütz. Auf eine
gewisse fernere Distanz gleicht sich die Schnelligkeit des Geschosses der gezogenen
und der glatten Geschütze natürlich aus, und auf noch weitere Entfernung hat
die Percussionskraft des gezogenen Geschützes ein ganz gewaltiges Uebergewicht,
da das gezogene längliche Geschoß bei der Rotation um die Längenaxe nicht
blos die Richtung genauer einhält, sondern auch den Luftwiderstand weit besser
überwindet, als das runde Geschoß des glatten Geschützes.

Nun werden aber in England alle Versuche (jede Art Geschoß gegen jede
Art Panzer) zunächst auf 200 Aards -- etwa 300 Schritt angestellt, da man
von der richtigen Ansicht ausgeht, daß eine Panzerung auch auf diese ganz nahe
Distanz schützen muß, wenn auch das heutige Fcuergefecht von Kriegsschiffen
sich gewöhnlich auf 1500--3000 Schritte halten wird; Ausnahmen können in¬
dessen immer vorkommen, wie z. B. die Seeschlacht bei Lissa gezeigt hat, und
deshalb müssen die Panzer auch für Schüsse aus größter Nähe genügen. Um
recht sicher zu gehen, hatte man übrigens nicht blos einzelne Panzerplatten den
Schüssen ausgesetzt, sondern vollständige "Sections" der einzelnen Panzerschiffe,
zunächst des "Warttor", construirt, d. h. gleichsam Stücke der Schiffswand mit
der Panzerplatte, der Theta- (klint) Holzfütterung (welcing) dahinter, mit der
hinter letzterer folgenden eisernen Plankenhaut (imrvr stilt) des Schiffs, die
ihrerseits auch in der Section von den Eisenspanten (trainos, Nippen) wie beim
wirklichen Schiffe gestützt und getragen wurde". Ja man ging sogar später



") Schmiedeeiserne Kanonen, von denen allen englischen Linienschiffen und Fregatten eine
Anzahl als Pwotgeschüjzc für das Oberdeck zugetheilt wurde, -

immer noch genöthigt ist, zwischen den Zeilen zu lesen. Ueberhaupt ist bei
allen Mittheilungen der englischen Presse über Schiffe, über Panzer und Geschütze
stets festzuhalten, daß häufig die betreffenden Fabrikanten ihre Hand dabei im
Spiele haben; die Inhaber der bedeutendsten Schiffsbausirmen z. B. Laird aus
Birkenhead. Samuda aus Poplar bei London u. s. w. haben selbst Sitze im
Parlament, wo sie bei den Marinedebatten natürlich nicht gerade zum Schaden
ihres Fabrikationszweiges sprechen. Dieses Verhältniß hat sich natürlich auch
gelegentlich des großen Wettkampfes in der Vervollkommnung von Panzer und
Geschütz sehr geltend gemacht.

Das erste auffallende Ergebniß dieser Schießversuche der englischen Abini»
ralität. welche Platten aus den verschiedensten Fabriken (besonders Brown in
Sheffield) und Geschütze theils aus den Rcgicrungöwerkflätten, theils aus Privat¬
etablissements zur Prüfung brachte, war nun, daß die schweren gezogenen Ka¬
liber, die man einführte, um den Widerstand der Panzerplatten zu überwinden,
die 70Pfünder und IIOPfünder Armstrongs*) auf nahe Distanzen nicht einmal
so viel aufrichteten wie der alte glatte 68Pfünder. Der Giund liegt in der
größern Anfangsgeschwindigkeit des Geschosses beim glatten Geschütz. Auf eine
gewisse fernere Distanz gleicht sich die Schnelligkeit des Geschosses der gezogenen
und der glatten Geschütze natürlich aus, und auf noch weitere Entfernung hat
die Percussionskraft des gezogenen Geschützes ein ganz gewaltiges Uebergewicht,
da das gezogene längliche Geschoß bei der Rotation um die Längenaxe nicht
blos die Richtung genauer einhält, sondern auch den Luftwiderstand weit besser
überwindet, als das runde Geschoß des glatten Geschützes.

Nun werden aber in England alle Versuche (jede Art Geschoß gegen jede
Art Panzer) zunächst auf 200 Aards — etwa 300 Schritt angestellt, da man
von der richtigen Ansicht ausgeht, daß eine Panzerung auch auf diese ganz nahe
Distanz schützen muß, wenn auch das heutige Fcuergefecht von Kriegsschiffen
sich gewöhnlich auf 1500—3000 Schritte halten wird; Ausnahmen können in¬
dessen immer vorkommen, wie z. B. die Seeschlacht bei Lissa gezeigt hat, und
deshalb müssen die Panzer auch für Schüsse aus größter Nähe genügen. Um
recht sicher zu gehen, hatte man übrigens nicht blos einzelne Panzerplatten den
Schüssen ausgesetzt, sondern vollständige „Sections" der einzelnen Panzerschiffe,
zunächst des „Warttor", construirt, d. h. gleichsam Stücke der Schiffswand mit
der Panzerplatte, der Theta- (klint) Holzfütterung (welcing) dahinter, mit der
hinter letzterer folgenden eisernen Plankenhaut (imrvr stilt) des Schiffs, die
ihrerseits auch in der Section von den Eisenspanten (trainos, Nippen) wie beim
wirklichen Schiffe gestützt und getragen wurde». Ja man ging sogar später



") Schmiedeeiserne Kanonen, von denen allen englischen Linienschiffen und Fregatten eine
Anzahl als Pwotgeschüjzc für das Oberdeck zugetheilt wurde, -
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[0254] immer noch genöthigt ist, zwischen den Zeilen zu lesen. Ueberhaupt ist bei allen Mittheilungen der englischen Presse über Schiffe, über Panzer und Geschütze stets festzuhalten, daß häufig die betreffenden Fabrikanten ihre Hand dabei im Spiele haben; die Inhaber der bedeutendsten Schiffsbausirmen z. B. Laird aus Birkenhead. Samuda aus Poplar bei London u. s. w. haben selbst Sitze im Parlament, wo sie bei den Marinedebatten natürlich nicht gerade zum Schaden ihres Fabrikationszweiges sprechen. Dieses Verhältniß hat sich natürlich auch gelegentlich des großen Wettkampfes in der Vervollkommnung von Panzer und Geschütz sehr geltend gemacht. Das erste auffallende Ergebniß dieser Schießversuche der englischen Abini» ralität. welche Platten aus den verschiedensten Fabriken (besonders Brown in Sheffield) und Geschütze theils aus den Rcgicrungöwerkflätten, theils aus Privat¬ etablissements zur Prüfung brachte, war nun, daß die schweren gezogenen Ka¬ liber, die man einführte, um den Widerstand der Panzerplatten zu überwinden, die 70Pfünder und IIOPfünder Armstrongs*) auf nahe Distanzen nicht einmal so viel aufrichteten wie der alte glatte 68Pfünder. Der Giund liegt in der größern Anfangsgeschwindigkeit des Geschosses beim glatten Geschütz. Auf eine gewisse fernere Distanz gleicht sich die Schnelligkeit des Geschosses der gezogenen und der glatten Geschütze natürlich aus, und auf noch weitere Entfernung hat die Percussionskraft des gezogenen Geschützes ein ganz gewaltiges Uebergewicht, da das gezogene längliche Geschoß bei der Rotation um die Längenaxe nicht blos die Richtung genauer einhält, sondern auch den Luftwiderstand weit besser überwindet, als das runde Geschoß des glatten Geschützes. Nun werden aber in England alle Versuche (jede Art Geschoß gegen jede Art Panzer) zunächst auf 200 Aards — etwa 300 Schritt angestellt, da man von der richtigen Ansicht ausgeht, daß eine Panzerung auch auf diese ganz nahe Distanz schützen muß, wenn auch das heutige Fcuergefecht von Kriegsschiffen sich gewöhnlich auf 1500—3000 Schritte halten wird; Ausnahmen können in¬ dessen immer vorkommen, wie z. B. die Seeschlacht bei Lissa gezeigt hat, und deshalb müssen die Panzer auch für Schüsse aus größter Nähe genügen. Um recht sicher zu gehen, hatte man übrigens nicht blos einzelne Panzerplatten den Schüssen ausgesetzt, sondern vollständige „Sections" der einzelnen Panzerschiffe, zunächst des „Warttor", construirt, d. h. gleichsam Stücke der Schiffswand mit der Panzerplatte, der Theta- (klint) Holzfütterung (welcing) dahinter, mit der hinter letzterer folgenden eisernen Plankenhaut (imrvr stilt) des Schiffs, die ihrerseits auch in der Section von den Eisenspanten (trainos, Nippen) wie beim wirklichen Schiffe gestützt und getragen wurde». Ja man ging sogar später ") Schmiedeeiserne Kanonen, von denen allen englischen Linienschiffen und Fregatten eine Anzahl als Pwotgeschüjzc für das Oberdeck zugetheilt wurde, -

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/254>, abgerufen am 27.09.2024.