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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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Pulver gefüllt sind, haben die Eigenthümlichkeit, daß sie gerade während sie
die Schiffswand durchbohren auch zerspringen, und dadurch nicht blos gewöhn¬
lich eine sehr große Anzahl von Leuten kampfunfähig machen, sondern auch,
wenn der Einschlagspunkt nahe der Wasserlinie des Schiffs ist, ein so furchtbar
großes Leck reißen, daß das Wasser stromweise hereinschießt und das Schiff
unter Wasser drückt. In dieser Weise wurde der Conföderationskaper "Ala¬
bama" durch ein Sprenggeschoß der Unions-Schraubensloop "Kearsarge" in
den Grund gebohrt, und die dänische Schraubenfregatte "Ricks Incl" erhielt
im Seegefecht bei Helgoland von einem preußischen Schraubenkanonenboot erster
Classe ein Sprenggeschoß, das ein Leck von 17 Quadratfuß gerissen haben soll
und das Schiff dem Untergange ganz nahe brachte. Die Sprenggeschosse der
Bombenkanonen und der gezogenen Geschütze bedrohten also auf einmal das
ganze Fahrzeug mit allem was darauf war. Gegen diese unerhörte Gefahr
mußte man die Schiffe um jeden Preis, selbst auf Kosten ihrer Seefähigkeit
zu schützen suchen; und so entstand der Gedanke der Panzerung, der zunächst
an Belagerungsfahrzeugen zur Ausführung gebracht werden sollte.

Es war in der Zeit des Krimkrieges, als die französische Regierung drei
schwimmende Batterien nach dem schwarzen Meere sandte, die sich zunächst ge¬
gen die kleine russische Festung Kinburn erproben sollten. Da man stark daran
zweifelte, daß Fahrzeuge von feinem, scharfen Bau die nöthige Tragfähigkeit
für einen schweren Eisenpanzer haben würden, hatte man denselben eine sehr
bauchige und volle Form gegeben, die namentlich vorn und hinten nicht spitz,
sondern ganz rundlich zulief und die es so allerdings ermöglichte, daß die Fahr¬
zeuge den aus 3V2--4zölligen Eisenplatten und einer 26zottige>i Holzhinterlage
bestehenden Panzer nebst der Armirung von 16 schweren Geschützen nut Be¬
quemlichkeit trugen, wenn sich auch dadurch die Schnelligkeit auf ein Minimum
(4--5 Knoten wenn wir nicht irren) reducirte, sodaß sie trotz ihrer Schrauben¬
maschine von 130 Pferdekraft und ihrer Takelage fast immer geschleppt werden
mußten; das Takelwerk bestand nur aus einem einzigen schwachen Mast mit
einem Gaffelsegel, da man das Obergewicht, das durch den Panzer schon sehr
gesteigert war, nicht durch Maste und Segel noch vermehren wollte. Der
Erfolg nun, den diese Batterien bei der Beschießung von Kinburn erreichten,
übertraf selbst die kühnsten Erwartungen. Noch ein Jahr vorher, am 17. Ok¬
tober 1854, war vor Sebastopol eine Flotte von 14 französischen, 12 englischen
und 2 türkischen, zusammen 28 Linienschiffen nebst 9 Fregatten und 18
Dampfcorvetten, also im Ganzen 56 großen Holzschiffen mit 2398 Geschützen
nicht im Stande gewesen, trotz der größten Aufopferung, namentlich von eng¬
lischer Seite, die russischen Forts zu zerstören oder eine irgend nennenswerthe
Zahl von Geschützen zu demontiren. Im Gegentheil, die Flotte hatte dabei
trotz des schweren Kalibers ihrer Geschütze (meist 32Pfünder, ein Drittel 68Pfün-


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Pulver gefüllt sind, haben die Eigenthümlichkeit, daß sie gerade während sie
die Schiffswand durchbohren auch zerspringen, und dadurch nicht blos gewöhn¬
lich eine sehr große Anzahl von Leuten kampfunfähig machen, sondern auch,
wenn der Einschlagspunkt nahe der Wasserlinie des Schiffs ist, ein so furchtbar
großes Leck reißen, daß das Wasser stromweise hereinschießt und das Schiff
unter Wasser drückt. In dieser Weise wurde der Conföderationskaper „Ala¬
bama" durch ein Sprenggeschoß der Unions-Schraubensloop „Kearsarge" in
den Grund gebohrt, und die dänische Schraubenfregatte „Ricks Incl" erhielt
im Seegefecht bei Helgoland von einem preußischen Schraubenkanonenboot erster
Classe ein Sprenggeschoß, das ein Leck von 17 Quadratfuß gerissen haben soll
und das Schiff dem Untergange ganz nahe brachte. Die Sprenggeschosse der
Bombenkanonen und der gezogenen Geschütze bedrohten also auf einmal das
ganze Fahrzeug mit allem was darauf war. Gegen diese unerhörte Gefahr
mußte man die Schiffe um jeden Preis, selbst auf Kosten ihrer Seefähigkeit
zu schützen suchen; und so entstand der Gedanke der Panzerung, der zunächst
an Belagerungsfahrzeugen zur Ausführung gebracht werden sollte.

Es war in der Zeit des Krimkrieges, als die französische Regierung drei
schwimmende Batterien nach dem schwarzen Meere sandte, die sich zunächst ge¬
gen die kleine russische Festung Kinburn erproben sollten. Da man stark daran
zweifelte, daß Fahrzeuge von feinem, scharfen Bau die nöthige Tragfähigkeit
für einen schweren Eisenpanzer haben würden, hatte man denselben eine sehr
bauchige und volle Form gegeben, die namentlich vorn und hinten nicht spitz,
sondern ganz rundlich zulief und die es so allerdings ermöglichte, daß die Fahr¬
zeuge den aus 3V2--4zölligen Eisenplatten und einer 26zottige>i Holzhinterlage
bestehenden Panzer nebst der Armirung von 16 schweren Geschützen nut Be¬
quemlichkeit trugen, wenn sich auch dadurch die Schnelligkeit auf ein Minimum
(4—5 Knoten wenn wir nicht irren) reducirte, sodaß sie trotz ihrer Schrauben¬
maschine von 130 Pferdekraft und ihrer Takelage fast immer geschleppt werden
mußten; das Takelwerk bestand nur aus einem einzigen schwachen Mast mit
einem Gaffelsegel, da man das Obergewicht, das durch den Panzer schon sehr
gesteigert war, nicht durch Maste und Segel noch vermehren wollte. Der
Erfolg nun, den diese Batterien bei der Beschießung von Kinburn erreichten,
übertraf selbst die kühnsten Erwartungen. Noch ein Jahr vorher, am 17. Ok¬
tober 1854, war vor Sebastopol eine Flotte von 14 französischen, 12 englischen
und 2 türkischen, zusammen 28 Linienschiffen nebst 9 Fregatten und 18
Dampfcorvetten, also im Ganzen 56 großen Holzschiffen mit 2398 Geschützen
nicht im Stande gewesen, trotz der größten Aufopferung, namentlich von eng¬
lischer Seite, die russischen Forts zu zerstören oder eine irgend nennenswerthe
Zahl von Geschützen zu demontiren. Im Gegentheil, die Flotte hatte dabei
trotz des schweren Kalibers ihrer Geschütze (meist 32Pfünder, ein Drittel 68Pfün-


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[0251] Pulver gefüllt sind, haben die Eigenthümlichkeit, daß sie gerade während sie die Schiffswand durchbohren auch zerspringen, und dadurch nicht blos gewöhn¬ lich eine sehr große Anzahl von Leuten kampfunfähig machen, sondern auch, wenn der Einschlagspunkt nahe der Wasserlinie des Schiffs ist, ein so furchtbar großes Leck reißen, daß das Wasser stromweise hereinschießt und das Schiff unter Wasser drückt. In dieser Weise wurde der Conföderationskaper „Ala¬ bama" durch ein Sprenggeschoß der Unions-Schraubensloop „Kearsarge" in den Grund gebohrt, und die dänische Schraubenfregatte „Ricks Incl" erhielt im Seegefecht bei Helgoland von einem preußischen Schraubenkanonenboot erster Classe ein Sprenggeschoß, das ein Leck von 17 Quadratfuß gerissen haben soll und das Schiff dem Untergange ganz nahe brachte. Die Sprenggeschosse der Bombenkanonen und der gezogenen Geschütze bedrohten also auf einmal das ganze Fahrzeug mit allem was darauf war. Gegen diese unerhörte Gefahr mußte man die Schiffe um jeden Preis, selbst auf Kosten ihrer Seefähigkeit zu schützen suchen; und so entstand der Gedanke der Panzerung, der zunächst an Belagerungsfahrzeugen zur Ausführung gebracht werden sollte. Es war in der Zeit des Krimkrieges, als die französische Regierung drei schwimmende Batterien nach dem schwarzen Meere sandte, die sich zunächst ge¬ gen die kleine russische Festung Kinburn erproben sollten. Da man stark daran zweifelte, daß Fahrzeuge von feinem, scharfen Bau die nöthige Tragfähigkeit für einen schweren Eisenpanzer haben würden, hatte man denselben eine sehr bauchige und volle Form gegeben, die namentlich vorn und hinten nicht spitz, sondern ganz rundlich zulief und die es so allerdings ermöglichte, daß die Fahr¬ zeuge den aus 3V2--4zölligen Eisenplatten und einer 26zottige>i Holzhinterlage bestehenden Panzer nebst der Armirung von 16 schweren Geschützen nut Be¬ quemlichkeit trugen, wenn sich auch dadurch die Schnelligkeit auf ein Minimum (4—5 Knoten wenn wir nicht irren) reducirte, sodaß sie trotz ihrer Schrauben¬ maschine von 130 Pferdekraft und ihrer Takelage fast immer geschleppt werden mußten; das Takelwerk bestand nur aus einem einzigen schwachen Mast mit einem Gaffelsegel, da man das Obergewicht, das durch den Panzer schon sehr gesteigert war, nicht durch Maste und Segel noch vermehren wollte. Der Erfolg nun, den diese Batterien bei der Beschießung von Kinburn erreichten, übertraf selbst die kühnsten Erwartungen. Noch ein Jahr vorher, am 17. Ok¬ tober 1854, war vor Sebastopol eine Flotte von 14 französischen, 12 englischen und 2 türkischen, zusammen 28 Linienschiffen nebst 9 Fregatten und 18 Dampfcorvetten, also im Ganzen 56 großen Holzschiffen mit 2398 Geschützen nicht im Stande gewesen, trotz der größten Aufopferung, namentlich von eng¬ lischer Seite, die russischen Forts zu zerstören oder eine irgend nennenswerthe Zahl von Geschützen zu demontiren. Im Gegentheil, die Flotte hatte dabei trotz des schweren Kalibers ihrer Geschütze (meist 32Pfünder, ein Drittel 68Pfün- 32*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/251>, abgerufen am 20.10.2024.