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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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bei Gelegenheit der Gerüchte über den bevorstehenden Anschluß Badens an den
Norden in merkwürdigster Weise offenbart; "Baden" -- so hieß es in gewissen
Journalen -- "würde durch seine Trennung von Würtemberg und Bayern im
Falle eines französischen Krieges in eine militärisch unhaltbare Position ge¬
rathen". Nach den Erfahrungen des vorigen Jahres noch von der Möglichkeit
träumen, Frankreichs Waffen mit bayrischen und würtembergischen Kräften
Widerstand zu leisten, vermag nur der baare Unverstand. Außer dem Bereich
des Möglichen liegt es übrigens nicht daß die Leute, welche dergl. Phrasen in
die Welt schicken, andeuten wollen, Würtemberg und Bayern könnten auch mit
Frankreich gegen Baden und den Norden gemeinschaftliche Sache machen! Ist
man im Stande die militärische Alliance mit Preußen abzulehnen und hat man
den Muth der Konsequenz seiner eigenen Gedenken, so muß man dabei an¬
langen, das Verhältniß des Südens zu Frankreich für eine "offene Frage" zu
halten, deren definitive Beantwortung erst nach der Klärung der französisch-
östreichischen Beziehungen möglich sein werde. Je weiter der Particulcmsmus
in dieser Richtung war -- desto schneller wird es sich auswirthschaften. Kann
der Anschluß an den Norden nicht mit Hilfe der denkenden Politiker durchgesetzt
werden, -- nun die gedankenlosen werden ihn sicher fertig bringen, biete man
ihnen nur die Gelegenheit, an die Stelle der Männer zu treten, welche sich
bisher mit Versuchen zur Vermittelung zwischen Verstand und Unverstand ver¬
geblich abmühten. Ihre Gesichtspunkte für das, was heute "süddeutsche Frage"
heißt, werden sich wesentlich ändern, wenn Baden in den Nordbund gedrängt,
Darmstadt aus seiner halben in die ganze Zugehörigkeit zum norddeutschen
Staat gebracht worden ist; dieses Werk zu vollbringen hat niemand einen
natürlichern Beruf, als die Partei, welche gegen das Bündniß mit Preußen
agitirt. Ist aus der "süddeutschen" eine bayrisch-schwäbische Frage geworden,
die zugleich politische und wirthschaftliche Interessen berührt, so wird die Noth
dazu zwingen die Hand zu ergreisen, welche man heute in thörichter Verblendung
wegstoßen zu können meint.

Daß Graf Bismarck offen erklärt hat, an einer halb widerwilligen An¬
nahme des Zollbündnisses sei ihm nichts gelegen, er werde von derselben nur
Gebrauch machen, wenn sie rückhaltslos und in Verbindung mit der Alliance
ausgesprochen werde, mag für die süddeutschen Anhänger der natio¬
nalen Sache höchst unbequem sein, im Interesse der Sache kann dieses Vor¬
gehen nicht genug gepriesen werden und der Takt, mit welchem die national-
liberale Partei diese Erklärung veranlaßt und das "Odium" derselben von
den Schultern der preußischen Regierung auf die des norddeutschen Volks ge¬
laden haben, macht ihrem Patriotismus ebenso viel Ehre, wie ihrer Einsicht.
Gegenüber einer Opposition von der politischen Beschränktheit der bayrischen
Kavaliere und dem verbohrten Eigensinn der schwäbischen Rundköpfe wäre eine


bei Gelegenheit der Gerüchte über den bevorstehenden Anschluß Badens an den
Norden in merkwürdigster Weise offenbart; „Baden" — so hieß es in gewissen
Journalen — „würde durch seine Trennung von Würtemberg und Bayern im
Falle eines französischen Krieges in eine militärisch unhaltbare Position ge¬
rathen". Nach den Erfahrungen des vorigen Jahres noch von der Möglichkeit
träumen, Frankreichs Waffen mit bayrischen und würtembergischen Kräften
Widerstand zu leisten, vermag nur der baare Unverstand. Außer dem Bereich
des Möglichen liegt es übrigens nicht daß die Leute, welche dergl. Phrasen in
die Welt schicken, andeuten wollen, Würtemberg und Bayern könnten auch mit
Frankreich gegen Baden und den Norden gemeinschaftliche Sache machen! Ist
man im Stande die militärische Alliance mit Preußen abzulehnen und hat man
den Muth der Konsequenz seiner eigenen Gedenken, so muß man dabei an¬
langen, das Verhältniß des Südens zu Frankreich für eine „offene Frage" zu
halten, deren definitive Beantwortung erst nach der Klärung der französisch-
östreichischen Beziehungen möglich sein werde. Je weiter der Particulcmsmus
in dieser Richtung war — desto schneller wird es sich auswirthschaften. Kann
der Anschluß an den Norden nicht mit Hilfe der denkenden Politiker durchgesetzt
werden, — nun die gedankenlosen werden ihn sicher fertig bringen, biete man
ihnen nur die Gelegenheit, an die Stelle der Männer zu treten, welche sich
bisher mit Versuchen zur Vermittelung zwischen Verstand und Unverstand ver¬
geblich abmühten. Ihre Gesichtspunkte für das, was heute „süddeutsche Frage"
heißt, werden sich wesentlich ändern, wenn Baden in den Nordbund gedrängt,
Darmstadt aus seiner halben in die ganze Zugehörigkeit zum norddeutschen
Staat gebracht worden ist; dieses Werk zu vollbringen hat niemand einen
natürlichern Beruf, als die Partei, welche gegen das Bündniß mit Preußen
agitirt. Ist aus der „süddeutschen" eine bayrisch-schwäbische Frage geworden,
die zugleich politische und wirthschaftliche Interessen berührt, so wird die Noth
dazu zwingen die Hand zu ergreisen, welche man heute in thörichter Verblendung
wegstoßen zu können meint.

Daß Graf Bismarck offen erklärt hat, an einer halb widerwilligen An¬
nahme des Zollbündnisses sei ihm nichts gelegen, er werde von derselben nur
Gebrauch machen, wenn sie rückhaltslos und in Verbindung mit der Alliance
ausgesprochen werde, mag für die süddeutschen Anhänger der natio¬
nalen Sache höchst unbequem sein, im Interesse der Sache kann dieses Vor¬
gehen nicht genug gepriesen werden und der Takt, mit welchem die national-
liberale Partei diese Erklärung veranlaßt und das „Odium" derselben von
den Schultern der preußischen Regierung auf die des norddeutschen Volks ge¬
laden haben, macht ihrem Patriotismus ebenso viel Ehre, wie ihrer Einsicht.
Gegenüber einer Opposition von der politischen Beschränktheit der bayrischen
Kavaliere und dem verbohrten Eigensinn der schwäbischen Rundköpfe wäre eine


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[0239] bei Gelegenheit der Gerüchte über den bevorstehenden Anschluß Badens an den Norden in merkwürdigster Weise offenbart; „Baden" — so hieß es in gewissen Journalen — „würde durch seine Trennung von Würtemberg und Bayern im Falle eines französischen Krieges in eine militärisch unhaltbare Position ge¬ rathen". Nach den Erfahrungen des vorigen Jahres noch von der Möglichkeit träumen, Frankreichs Waffen mit bayrischen und würtembergischen Kräften Widerstand zu leisten, vermag nur der baare Unverstand. Außer dem Bereich des Möglichen liegt es übrigens nicht daß die Leute, welche dergl. Phrasen in die Welt schicken, andeuten wollen, Würtemberg und Bayern könnten auch mit Frankreich gegen Baden und den Norden gemeinschaftliche Sache machen! Ist man im Stande die militärische Alliance mit Preußen abzulehnen und hat man den Muth der Konsequenz seiner eigenen Gedenken, so muß man dabei an¬ langen, das Verhältniß des Südens zu Frankreich für eine „offene Frage" zu halten, deren definitive Beantwortung erst nach der Klärung der französisch- östreichischen Beziehungen möglich sein werde. Je weiter der Particulcmsmus in dieser Richtung war — desto schneller wird es sich auswirthschaften. Kann der Anschluß an den Norden nicht mit Hilfe der denkenden Politiker durchgesetzt werden, — nun die gedankenlosen werden ihn sicher fertig bringen, biete man ihnen nur die Gelegenheit, an die Stelle der Männer zu treten, welche sich bisher mit Versuchen zur Vermittelung zwischen Verstand und Unverstand ver¬ geblich abmühten. Ihre Gesichtspunkte für das, was heute „süddeutsche Frage" heißt, werden sich wesentlich ändern, wenn Baden in den Nordbund gedrängt, Darmstadt aus seiner halben in die ganze Zugehörigkeit zum norddeutschen Staat gebracht worden ist; dieses Werk zu vollbringen hat niemand einen natürlichern Beruf, als die Partei, welche gegen das Bündniß mit Preußen agitirt. Ist aus der „süddeutschen" eine bayrisch-schwäbische Frage geworden, die zugleich politische und wirthschaftliche Interessen berührt, so wird die Noth dazu zwingen die Hand zu ergreisen, welche man heute in thörichter Verblendung wegstoßen zu können meint. Daß Graf Bismarck offen erklärt hat, an einer halb widerwilligen An¬ nahme des Zollbündnisses sei ihm nichts gelegen, er werde von derselben nur Gebrauch machen, wenn sie rückhaltslos und in Verbindung mit der Alliance ausgesprochen werde, mag für die süddeutschen Anhänger der natio¬ nalen Sache höchst unbequem sein, im Interesse der Sache kann dieses Vor¬ gehen nicht genug gepriesen werden und der Takt, mit welchem die national- liberale Partei diese Erklärung veranlaßt und das „Odium" derselben von den Schultern der preußischen Regierung auf die des norddeutschen Volks ge¬ laden haben, macht ihrem Patriotismus ebenso viel Ehre, wie ihrer Einsicht. Gegenüber einer Opposition von der politischen Beschränktheit der bayrischen Kavaliere und dem verbohrten Eigensinn der schwäbischen Rundköpfe wäre eine

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/239>, abgerufen am 20.10.2024.