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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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dem einen Vertrage auch den andern direct abzulehnen. Wie uns scheint, könnte
der Sache Preußens kaum ein größerer Dienst erwiesen werden, als wenn die Alli-
ance-Verträge und dasZollbündniß zunächst wirklich an dem Eigensinn der süddeut¬
schen Particularisteuscheitertcn; die wi thschaftliche Weisheit und Umsicht dieser Leute
hätte Gelegenheit, in dasselbe helle Licht gesetzt zu werden, das ihr politisches
Gebühren bereits seit Jahresfrist erröthend bescheint. Die unleugbaren momentanen
Verlegenheiten, welche aus einer Entscheidung dieser Art für uns erwüchsen, würden
reichlich aufgewogen durch den vollständigen Bankerott der directen Gegner
eines Anschlusses an den Norden, der die nächste Folge dieses thörichten
Beginnens wäre und durch die Nöthigung zu einem energischen Entschluß, welche für
die halben Freunde einträte. Mit der wankelmüthigen Haltung des Cabinets
Hohenlohe, das schlechterdings zu keinem Entschluß und zu keiner Klarheit darüber
gelangen kann, wohin es seine Anker zu werfen hat, wäre es solchen Falls vor¬
über und die große Majorität derer, welche sich in richtiger Erkenntniß der
wirthschaftlichen Nothwendigkeit in der zweiten bayrischen Kammer für Annahme
des Zollvertrages ausgesprochen hatten, wäre in die Lage versetzt den Wider¬
stand der Herren um jeden Preis, auch um den der Schmälerung bayrischer
Souveränität zu brechen oder die Führer derselben an das Staatsruder zu
bringen. Jener Partei, welche in ihren Reden gegen den Anschluß an
Preußen kein durchschlagenderes Argument geltend zu machen wußte, als
den Glanz und die Herrlichkeit der bayrischen Krone, den Männern, welche
die Mediatisirung derselben als das größte Unheil bezeichneten, das Deutschland
überhaupt treffen könnte, wäre nichts heilsamer, als wenn sie bei den Konse¬
quenzen ihrer eigenen Politik anlangten und Gelegenheit gewännen, sich selbst
vollständig und für immer auszuleben. -- Als Preußen den süddeutschen
Staaten durch den prager Frieden die volle Freiheit des Handels wieder¬
gab, hatte es seine Rechnung nicht auf den guten Willen der Deutschen
jenseit des Main fondern auf eine Nothwendigkeit gestellt, die den Bethei¬
ligten durch eigene Erfahrung klar werden sollte. Die Weisen von Würz¬
burg und was ihnen anhing, sollten in die Lage versetzt werden, die Freuden
einer Jsolirung durchzukosten, nach denen sie sich so häufig gesehnt hatten, die
süddeutschen Souveränitäten sollten auf eigenen Füßen zu stehen versuchen; das
war das sicherste Mittel sie zu dem Bekenntniß zu führen: ohne Preußen und
Norddeutschland geht es nicht! Diesen Cursus praktischer Politik haben die
Süddeutschen wie es scheint, erst zur Hälfte durchgemacht, -- bis zum Un¬
behagen in der eigenen Haut haben sie es gebracht, -- gönne man ihnen die
Gelegenheit von der Erkenntniß ihrer bisherigen Irrthümer zum Bekenntniß
der richtigen Lehre zu gelangen. Wie ungeheuerlich die Vorstellungen sind,
welche man sich in den ultramontanen und particularistischen Kreisen Süd¬
deutschlands noch immer von der eigenen Größe und Herrlichkeit macht, hat sich


dem einen Vertrage auch den andern direct abzulehnen. Wie uns scheint, könnte
der Sache Preußens kaum ein größerer Dienst erwiesen werden, als wenn die Alli-
ance-Verträge und dasZollbündniß zunächst wirklich an dem Eigensinn der süddeut¬
schen Particularisteuscheitertcn; die wi thschaftliche Weisheit und Umsicht dieser Leute
hätte Gelegenheit, in dasselbe helle Licht gesetzt zu werden, das ihr politisches
Gebühren bereits seit Jahresfrist erröthend bescheint. Die unleugbaren momentanen
Verlegenheiten, welche aus einer Entscheidung dieser Art für uns erwüchsen, würden
reichlich aufgewogen durch den vollständigen Bankerott der directen Gegner
eines Anschlusses an den Norden, der die nächste Folge dieses thörichten
Beginnens wäre und durch die Nöthigung zu einem energischen Entschluß, welche für
die halben Freunde einträte. Mit der wankelmüthigen Haltung des Cabinets
Hohenlohe, das schlechterdings zu keinem Entschluß und zu keiner Klarheit darüber
gelangen kann, wohin es seine Anker zu werfen hat, wäre es solchen Falls vor¬
über und die große Majorität derer, welche sich in richtiger Erkenntniß der
wirthschaftlichen Nothwendigkeit in der zweiten bayrischen Kammer für Annahme
des Zollvertrages ausgesprochen hatten, wäre in die Lage versetzt den Wider¬
stand der Herren um jeden Preis, auch um den der Schmälerung bayrischer
Souveränität zu brechen oder die Führer derselben an das Staatsruder zu
bringen. Jener Partei, welche in ihren Reden gegen den Anschluß an
Preußen kein durchschlagenderes Argument geltend zu machen wußte, als
den Glanz und die Herrlichkeit der bayrischen Krone, den Männern, welche
die Mediatisirung derselben als das größte Unheil bezeichneten, das Deutschland
überhaupt treffen könnte, wäre nichts heilsamer, als wenn sie bei den Konse¬
quenzen ihrer eigenen Politik anlangten und Gelegenheit gewännen, sich selbst
vollständig und für immer auszuleben. — Als Preußen den süddeutschen
Staaten durch den prager Frieden die volle Freiheit des Handels wieder¬
gab, hatte es seine Rechnung nicht auf den guten Willen der Deutschen
jenseit des Main fondern auf eine Nothwendigkeit gestellt, die den Bethei¬
ligten durch eigene Erfahrung klar werden sollte. Die Weisen von Würz¬
burg und was ihnen anhing, sollten in die Lage versetzt werden, die Freuden
einer Jsolirung durchzukosten, nach denen sie sich so häufig gesehnt hatten, die
süddeutschen Souveränitäten sollten auf eigenen Füßen zu stehen versuchen; das
war das sicherste Mittel sie zu dem Bekenntniß zu führen: ohne Preußen und
Norddeutschland geht es nicht! Diesen Cursus praktischer Politik haben die
Süddeutschen wie es scheint, erst zur Hälfte durchgemacht, — bis zum Un¬
behagen in der eigenen Haut haben sie es gebracht, — gönne man ihnen die
Gelegenheit von der Erkenntniß ihrer bisherigen Irrthümer zum Bekenntniß
der richtigen Lehre zu gelangen. Wie ungeheuerlich die Vorstellungen sind,
welche man sich in den ultramontanen und particularistischen Kreisen Süd¬
deutschlands noch immer von der eigenen Größe und Herrlichkeit macht, hat sich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/238>, abgerufen am 20.10.2024.