Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.des alten Smidt oder der Sieveking und Abendroth gibt es im Grunde nichl So erklärt es sich durch einen Fortschritt der politischen Entwickelung, Wie weit jedoch der Weg immer sein möge, er muß betreten werden, Die Centralisation einer Reihe von staatlichen Aufgaben im norddeutschen des alten Smidt oder der Sieveking und Abendroth gibt es im Grunde nichl So erklärt es sich durch einen Fortschritt der politischen Entwickelung, Wie weit jedoch der Weg immer sein möge, er muß betreten werden, Die Centralisation einer Reihe von staatlichen Aufgaben im norddeutschen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0229" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191990"/> <p xml:id="ID_638" prev="#ID_637"> des alten Smidt oder der Sieveking und Abendroth gibt es im Grunde nichl<lb/> mehr; die es sein könnten, haben ihr Herz an Deutschland gehängt und fühlen<lb/> für die Republik nicht viel mehr als jeder sinnige Mensch für seine Vaterstadt.<lb/> Man liebt es in Hamburg noch immer, mit Emphase von „der Vaterstadt" zu<lb/> reden, und officielle Redner gestatten es sich nach wie vor. Hamburgs vor<lb/> Deutschland zu gedenken; allein auch an der untern Elbe ist das vaterstädtisch<lb/> Gemeingefühl keine so wirksame Potenz mehr wie das vaterländische.</p><lb/> <p xml:id="ID_639"> So erklärt es sich durch einen Fortschritt der politischen Entwickelung,<lb/> der aber zugleich eine Mschwächung nach einer andern Seite hin einschließt,<lb/> Wenn in den Hansestädten der schöpferisch patriotische Geist für den Augenblick<lb/> beinahe erloschen scheint. Dazu kommt noch, daß ihre republicanische Selbst-<lb/> Verwaltung und wesentlich demokratische Verfassung jede große organische Reform<lb/> erschwert. Es genügt nicht, daß wenige erleuchtete Köpfe die Nothwendigkeit ?<lb/> des Aendcrns und die Zweckmäßigkeit einer bestimmten Aenderung einsehen;<lb/> die herrschende Meinung muß für beides gewonnen werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_640"> Wie weit jedoch der Weg immer sein möge, er muß betreten werden,<lb/> wenn die Hansestädte in der neuen Epoche des Vaterlandes für lebendige, frisch<lb/> und freudig mit emporwachsende Glieder gelten wollen, nicht für abgestorbene<lb/> und nur zwangsmäßig mitgeschleppte. Der Umgestaltung Deutschlands muß<lb/> die innere Umgestaltung Hamburgs, Biemens und Lübecks auf dem Fuße fol¬<lb/> gen, ihr entsprechend und zugleich von ihr bedingt.</p><lb/> <p xml:id="ID_641" next="#ID_642"> Die Centralisation einer Reihe von staatlichen Aufgaben im norddeutschen<lb/> Bunde nimmt den hanseatischen Staaten und Bürgerschaften den praktisch wich¬<lb/> tigsten Theil ihrer politischen Thätigkeit ab. Die natürliche Folge ist. daß ihre<lb/> specifisch connnunalc Wnksamkeit verhältnißmäßig an Werth und Wichtigkeit zu¬<lb/> nimmt. Für communalc Thätigkeit aber sind jene Körperschaften, die cxecutiven<lb/> sowohl wie die repräsentativen und controlirenden. recht mangelhaft organisirt.<lb/> Sie sind vor allem zu zahlreich. Nahe an zwanzig Mitglieder, sind zu viel für<lb/> ^n Magistrat einer Stadt von dreißig- oder sechzigtausend, ja selbst wohl von<lb/> Zweiinalhnuderttausend Einwohnern; hundert bis zweihundert Mitglieder zuviel<lb/> sür ihre Stadtverordneten-Versammlungen. Die Verantwortlichkeit zerstreut sich<lb/> bei einer solchen Menge von Köpfen zu sehr. In der verwaltenden Behörde<lb/> sammelt sich zuviel untergeordnete Detail-Arbeit, die besser technischen und sub¬<lb/> alternen Kräften überlassen bliebe; in der bürgerlichen Vertretung keimt ein<lb/> sehr überflüssiger Parteigeist, wuchert die Rhetorik, und verflüchtigt sich aller<lb/> nöthige Ernst für zweckmäßige Behandlung der öffentlichen Geschäfte. Ein<lb/> Senat von zehn oder zwölf, eine Bürgerschaft von höchstens fünfzig Mitgliedern<lb/> würde die eigentlichen Gemeinde-Angelegenheiten ohne Zweifel bei weitem besser<lb/> verwalten; und da diese jetzt in den Vordergrund treten, so sollte ihr Interesse<lb/> der Hauptsache auch über die Organisation der Behörden entscheiden. Die</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0229]
des alten Smidt oder der Sieveking und Abendroth gibt es im Grunde nichl
mehr; die es sein könnten, haben ihr Herz an Deutschland gehängt und fühlen
für die Republik nicht viel mehr als jeder sinnige Mensch für seine Vaterstadt.
Man liebt es in Hamburg noch immer, mit Emphase von „der Vaterstadt" zu
reden, und officielle Redner gestatten es sich nach wie vor. Hamburgs vor
Deutschland zu gedenken; allein auch an der untern Elbe ist das vaterstädtisch
Gemeingefühl keine so wirksame Potenz mehr wie das vaterländische.
So erklärt es sich durch einen Fortschritt der politischen Entwickelung,
der aber zugleich eine Mschwächung nach einer andern Seite hin einschließt,
Wenn in den Hansestädten der schöpferisch patriotische Geist für den Augenblick
beinahe erloschen scheint. Dazu kommt noch, daß ihre republicanische Selbst-
Verwaltung und wesentlich demokratische Verfassung jede große organische Reform
erschwert. Es genügt nicht, daß wenige erleuchtete Köpfe die Nothwendigkeit ?
des Aendcrns und die Zweckmäßigkeit einer bestimmten Aenderung einsehen;
die herrschende Meinung muß für beides gewonnen werden.
Wie weit jedoch der Weg immer sein möge, er muß betreten werden,
wenn die Hansestädte in der neuen Epoche des Vaterlandes für lebendige, frisch
und freudig mit emporwachsende Glieder gelten wollen, nicht für abgestorbene
und nur zwangsmäßig mitgeschleppte. Der Umgestaltung Deutschlands muß
die innere Umgestaltung Hamburgs, Biemens und Lübecks auf dem Fuße fol¬
gen, ihr entsprechend und zugleich von ihr bedingt.
Die Centralisation einer Reihe von staatlichen Aufgaben im norddeutschen
Bunde nimmt den hanseatischen Staaten und Bürgerschaften den praktisch wich¬
tigsten Theil ihrer politischen Thätigkeit ab. Die natürliche Folge ist. daß ihre
specifisch connnunalc Wnksamkeit verhältnißmäßig an Werth und Wichtigkeit zu¬
nimmt. Für communalc Thätigkeit aber sind jene Körperschaften, die cxecutiven
sowohl wie die repräsentativen und controlirenden. recht mangelhaft organisirt.
Sie sind vor allem zu zahlreich. Nahe an zwanzig Mitglieder, sind zu viel für
^n Magistrat einer Stadt von dreißig- oder sechzigtausend, ja selbst wohl von
Zweiinalhnuderttausend Einwohnern; hundert bis zweihundert Mitglieder zuviel
sür ihre Stadtverordneten-Versammlungen. Die Verantwortlichkeit zerstreut sich
bei einer solchen Menge von Köpfen zu sehr. In der verwaltenden Behörde
sammelt sich zuviel untergeordnete Detail-Arbeit, die besser technischen und sub¬
alternen Kräften überlassen bliebe; in der bürgerlichen Vertretung keimt ein
sehr überflüssiger Parteigeist, wuchert die Rhetorik, und verflüchtigt sich aller
nöthige Ernst für zweckmäßige Behandlung der öffentlichen Geschäfte. Ein
Senat von zehn oder zwölf, eine Bürgerschaft von höchstens fünfzig Mitgliedern
würde die eigentlichen Gemeinde-Angelegenheiten ohne Zweifel bei weitem besser
verwalten; und da diese jetzt in den Vordergrund treten, so sollte ihr Interesse
der Hauptsache auch über die Organisation der Behörden entscheiden. Die
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