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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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die Festungsmauern untereinander durch Hinzufügung kleiner Strecken von frei¬
stehenden Mauern, welche dann aber mit Wall und Graben versehen werden mußten.
Später (der Sage nach unter Servius Tullius) wurde auf den Höhen des
Esquilin und Viminal der große, nach diesem Könige benannte Wallbau ans-
geführt, welcher den Mauerring schloß. Damit erst war die Gründung
Roms als Stadt vollendet.

Dieser heroische Mauerbau ist vielfach von den bedeutendsten Gelehrten be¬
handelt worden. Er bildete ein Lieblingsthema des um die Topographie der
Stadt Rom hochverdienten Becker, war bisher seiner Anlage und Eonstruction
nach, aber noch niemals gründlich untersucht worden, in Folge dessen denn auch
die Angaben über den Lauf der Mauern und ihre Thore mannigfach von einander
abweichen. Die meisten Topographen äußern sich über die Beschaffenheit der
Mauern gar nicht. Carina nahm an, daß die heroische Mauer freistehend,
nach Art der acht Jahrhunderte später erbauten aurelianischcir Stadtmauer,
auf den Höhen die Hügel umzogen habe. Seine Restauration ist durchaus
willkürlich und falsch. Der Wahrheit am nächsten kam Niebuhr und nach
ihm Schwegler in seiner leider unvollendeten "Römischen Geschichte."

Unsere Kenntniß von der Art und Weise der Beschaffenheit der heroischen
Befestigung trat in ein neues Stadium als im Jahre 1862 am FuHe des
Palatin Reste der ältesten Befestigung der palatinischen Stadt ausgegraben wurden.
Darauf folgten dann bald die Entdeckungen anderer Mauerreste am Aventin
und am Quirinal. Im April des Jahres 1862 endlich wurde gelegentlich bei
der Anlage des Centralbahnhofes für Rom in der Villa Negroni der Agger
des Servius Tullius durchstochen. Man fand die Futtermauer, welche den Wall
stützte und konnte den Wall selbst in seinen Dimensionen erkennen. Von dem
archaeologischen Institut zu Rom mit der Aufnahme dieser ehrwürdigen Neste
beauftragt, habe ich dieselben im Frühjahr 1862 genau vermessen und die
Resultate meiner Untersuchungen in Gemeinschaft mit meinem Freunde E. Pinder
veröffentlicht.*)

Während des Winters 186S--66 endlich habe ich alle ächten oder zweifel¬
haften Ueberreste dieser alten Mauer einer genauen vergleichenden Untersuchung
unterzogen, habe die Terrainverhältnisse der Siade Rom genau studirt und die
erhaltenen Mauerreste mit den Befestigungsmauern anderer benachbarter Städte
und den betreffenden Nachrichten der alten Autoren verglichen und bin auf diese
Weise zu einer Reihe von Resultaten gekommen, welche mit allen anderen be¬
glaubigten Nachrichten über die Urzeit Roms übereinstimmen und auch über
manche andere Verhältnisse neues Licht verbreiten.



-) S, ^nvali acti' lostiwto al corrökx. "rckool. loin. XXXIV.
Grenzboten IV. 1SS7.

die Festungsmauern untereinander durch Hinzufügung kleiner Strecken von frei¬
stehenden Mauern, welche dann aber mit Wall und Graben versehen werden mußten.
Später (der Sage nach unter Servius Tullius) wurde auf den Höhen des
Esquilin und Viminal der große, nach diesem Könige benannte Wallbau ans-
geführt, welcher den Mauerring schloß. Damit erst war die Gründung
Roms als Stadt vollendet.

Dieser heroische Mauerbau ist vielfach von den bedeutendsten Gelehrten be¬
handelt worden. Er bildete ein Lieblingsthema des um die Topographie der
Stadt Rom hochverdienten Becker, war bisher seiner Anlage und Eonstruction
nach, aber noch niemals gründlich untersucht worden, in Folge dessen denn auch
die Angaben über den Lauf der Mauern und ihre Thore mannigfach von einander
abweichen. Die meisten Topographen äußern sich über die Beschaffenheit der
Mauern gar nicht. Carina nahm an, daß die heroische Mauer freistehend,
nach Art der acht Jahrhunderte später erbauten aurelianischcir Stadtmauer,
auf den Höhen die Hügel umzogen habe. Seine Restauration ist durchaus
willkürlich und falsch. Der Wahrheit am nächsten kam Niebuhr und nach
ihm Schwegler in seiner leider unvollendeten „Römischen Geschichte."

Unsere Kenntniß von der Art und Weise der Beschaffenheit der heroischen
Befestigung trat in ein neues Stadium als im Jahre 1862 am FuHe des
Palatin Reste der ältesten Befestigung der palatinischen Stadt ausgegraben wurden.
Darauf folgten dann bald die Entdeckungen anderer Mauerreste am Aventin
und am Quirinal. Im April des Jahres 1862 endlich wurde gelegentlich bei
der Anlage des Centralbahnhofes für Rom in der Villa Negroni der Agger
des Servius Tullius durchstochen. Man fand die Futtermauer, welche den Wall
stützte und konnte den Wall selbst in seinen Dimensionen erkennen. Von dem
archaeologischen Institut zu Rom mit der Aufnahme dieser ehrwürdigen Neste
beauftragt, habe ich dieselben im Frühjahr 1862 genau vermessen und die
Resultate meiner Untersuchungen in Gemeinschaft mit meinem Freunde E. Pinder
veröffentlicht.*)

Während des Winters 186S—66 endlich habe ich alle ächten oder zweifel¬
haften Ueberreste dieser alten Mauer einer genauen vergleichenden Untersuchung
unterzogen, habe die Terrainverhältnisse der Siade Rom genau studirt und die
erhaltenen Mauerreste mit den Befestigungsmauern anderer benachbarter Städte
und den betreffenden Nachrichten der alten Autoren verglichen und bin auf diese
Weise zu einer Reihe von Resultaten gekommen, welche mit allen anderen be¬
glaubigten Nachrichten über die Urzeit Roms übereinstimmen und auch über
manche andere Verhältnisse neues Licht verbreiten.



-) S, ^nvali acti' lostiwto al corrökx. »rckool. loin. XXXIV.
Grenzboten IV. 1SS7.
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[0021] die Festungsmauern untereinander durch Hinzufügung kleiner Strecken von frei¬ stehenden Mauern, welche dann aber mit Wall und Graben versehen werden mußten. Später (der Sage nach unter Servius Tullius) wurde auf den Höhen des Esquilin und Viminal der große, nach diesem Könige benannte Wallbau ans- geführt, welcher den Mauerring schloß. Damit erst war die Gründung Roms als Stadt vollendet. Dieser heroische Mauerbau ist vielfach von den bedeutendsten Gelehrten be¬ handelt worden. Er bildete ein Lieblingsthema des um die Topographie der Stadt Rom hochverdienten Becker, war bisher seiner Anlage und Eonstruction nach, aber noch niemals gründlich untersucht worden, in Folge dessen denn auch die Angaben über den Lauf der Mauern und ihre Thore mannigfach von einander abweichen. Die meisten Topographen äußern sich über die Beschaffenheit der Mauern gar nicht. Carina nahm an, daß die heroische Mauer freistehend, nach Art der acht Jahrhunderte später erbauten aurelianischcir Stadtmauer, auf den Höhen die Hügel umzogen habe. Seine Restauration ist durchaus willkürlich und falsch. Der Wahrheit am nächsten kam Niebuhr und nach ihm Schwegler in seiner leider unvollendeten „Römischen Geschichte." Unsere Kenntniß von der Art und Weise der Beschaffenheit der heroischen Befestigung trat in ein neues Stadium als im Jahre 1862 am FuHe des Palatin Reste der ältesten Befestigung der palatinischen Stadt ausgegraben wurden. Darauf folgten dann bald die Entdeckungen anderer Mauerreste am Aventin und am Quirinal. Im April des Jahres 1862 endlich wurde gelegentlich bei der Anlage des Centralbahnhofes für Rom in der Villa Negroni der Agger des Servius Tullius durchstochen. Man fand die Futtermauer, welche den Wall stützte und konnte den Wall selbst in seinen Dimensionen erkennen. Von dem archaeologischen Institut zu Rom mit der Aufnahme dieser ehrwürdigen Neste beauftragt, habe ich dieselben im Frühjahr 1862 genau vermessen und die Resultate meiner Untersuchungen in Gemeinschaft mit meinem Freunde E. Pinder veröffentlicht.*) Während des Winters 186S—66 endlich habe ich alle ächten oder zweifel¬ haften Ueberreste dieser alten Mauer einer genauen vergleichenden Untersuchung unterzogen, habe die Terrainverhältnisse der Siade Rom genau studirt und die erhaltenen Mauerreste mit den Befestigungsmauern anderer benachbarter Städte und den betreffenden Nachrichten der alten Autoren verglichen und bin auf diese Weise zu einer Reihe von Resultaten gekommen, welche mit allen anderen be¬ glaubigten Nachrichten über die Urzeit Roms übereinstimmen und auch über manche andere Verhältnisse neues Licht verbreiten. -) S, ^nvali acti' lostiwto al corrökx. »rckool. loin. XXXIV. Grenzboten IV. 1SS7.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/21>, abgerufen am 27.09.2024.