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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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Gegen Virchow hebt er hervor, daß der Mensch nur 1--2 Liter Flüssigkeit,
aber etwa 8640 Liter Luft in 24 Stunden in sich ausnehme, wahrlich genug
für in uns zu übertragende Krankheitskeime. Die Untersuchung der Boden¬
beschaffenheit habe sich zu erstrecken auf Configuration der Oberfläche, geogno-
stischen Bestand und physikalische Agregation, Grad der Porosität, Wasser,
bindung der einzelnen Bodenschichten, Gehalt an organischen (organisirten und
nicht organisirten) Substanzen. Für Untersuchung der Bodenfeuchtigkeit werden
meist Grundwasserbeobachtungen ausreichen. Grundwasser nennt man jenen
Grad von Wassergehalt (in den Boden gedrungenes atmosphärisches Wasser)
einer porösen Bodenschicht, bei welchem die Luft aus den Poren gänzlich verdrängt
ist und zwar durch Wasser. Das Auf- und Absteigen dieses fixen Feuchtig¬
keitspunktes ist Grundwasserbeobachtung. --- Die hier abgebrochene Verhandlung
wird hoffentlich zur Folge haben, daß diese nothwendigen Beobachtungen end¬
lich an vielen Orten vorgenommen werden.

Thesen über die 2. und 3. Frage des Programms hatte Dr. Varrentrapp
aufgestellt und zu motiviren übernommen. -- Diejenigen in Betreff der Ent¬
wässerung der Städte lauteten folgendermaßen:

Zu einer gesundheitsgemäßen Herstellung und Erhaltung unserer Wohnun¬
gen ist nothwendig, daß der Untergrund derselben rein und trocken erhalten
werde. -- Hierzu muß eine stete Correction des Grundwassers eingerichtet
werden, d. h. das Grundwasser muß, a,) wo es bis über die Keilerboden steigt
tiefer gelegt, b) auf diesem niedern Standpunkt gleichmäßig und e) überhaupt
rein erhalten werden.

Dies wird erzielt durch ein systematisches Netz von tiefer als die Keller¬
boden gelegten Canälen. -- Ihre Größe berechnet sich nach der Menge des
wegzuführenden Meteorwassers, zu welcher Aufgabe außerdem Ueberflußröhren
für außerordentliche Fälle mitwirken. Form und innere Wand müssen schleu¬
nigsten Fluß und innere Reibung im Auge haben. Die Canalwand muß der
Kosten und des Drainirens halber möglichst dünn und porös (außer den Haupt"
canalem nur in der Stärke eines Backsteines), aber möglichst fest (mit gutem
Cement) hergestellt werden.

Diese Canäle sind zur Aufnahme des durchsickernden Grundwassers, so wie
des Meteorwassers, der Haushaltungs-, Wahns- und Badewasser, der flüssigen
Jndustrieabfälle (mit ganz speciellen sehr seltenen Beschränkungen) und allen
flüssigen Straßen- und sonstigen Unrathes bestimmt. Alle diese flüssigen Stoffe
sind möglichst rasch in gehöriger Entfernung unterhalb der Städte zu führen.
Handelt es sich um kleine oder mittlere Städte, welche an großen Wasserläufen
liegen, so kann diesen jener flüssige Unrath getrost überliefert werden; handelt
es sich dagegen um große an kleinen Wasserläufen liegende Städte, so wird
möglicherweise eine bemerkbare Verunreinigung des Wassers entstehen, und diese


Gegen Virchow hebt er hervor, daß der Mensch nur 1—2 Liter Flüssigkeit,
aber etwa 8640 Liter Luft in 24 Stunden in sich ausnehme, wahrlich genug
für in uns zu übertragende Krankheitskeime. Die Untersuchung der Boden¬
beschaffenheit habe sich zu erstrecken auf Configuration der Oberfläche, geogno-
stischen Bestand und physikalische Agregation, Grad der Porosität, Wasser,
bindung der einzelnen Bodenschichten, Gehalt an organischen (organisirten und
nicht organisirten) Substanzen. Für Untersuchung der Bodenfeuchtigkeit werden
meist Grundwasserbeobachtungen ausreichen. Grundwasser nennt man jenen
Grad von Wassergehalt (in den Boden gedrungenes atmosphärisches Wasser)
einer porösen Bodenschicht, bei welchem die Luft aus den Poren gänzlich verdrängt
ist und zwar durch Wasser. Das Auf- und Absteigen dieses fixen Feuchtig¬
keitspunktes ist Grundwasserbeobachtung. —- Die hier abgebrochene Verhandlung
wird hoffentlich zur Folge haben, daß diese nothwendigen Beobachtungen end¬
lich an vielen Orten vorgenommen werden.

Thesen über die 2. und 3. Frage des Programms hatte Dr. Varrentrapp
aufgestellt und zu motiviren übernommen. — Diejenigen in Betreff der Ent¬
wässerung der Städte lauteten folgendermaßen:

Zu einer gesundheitsgemäßen Herstellung und Erhaltung unserer Wohnun¬
gen ist nothwendig, daß der Untergrund derselben rein und trocken erhalten
werde. — Hierzu muß eine stete Correction des Grundwassers eingerichtet
werden, d. h. das Grundwasser muß, a,) wo es bis über die Keilerboden steigt
tiefer gelegt, b) auf diesem niedern Standpunkt gleichmäßig und e) überhaupt
rein erhalten werden.

Dies wird erzielt durch ein systematisches Netz von tiefer als die Keller¬
boden gelegten Canälen. — Ihre Größe berechnet sich nach der Menge des
wegzuführenden Meteorwassers, zu welcher Aufgabe außerdem Ueberflußröhren
für außerordentliche Fälle mitwirken. Form und innere Wand müssen schleu¬
nigsten Fluß und innere Reibung im Auge haben. Die Canalwand muß der
Kosten und des Drainirens halber möglichst dünn und porös (außer den Haupt«
canalem nur in der Stärke eines Backsteines), aber möglichst fest (mit gutem
Cement) hergestellt werden.

Diese Canäle sind zur Aufnahme des durchsickernden Grundwassers, so wie
des Meteorwassers, der Haushaltungs-, Wahns- und Badewasser, der flüssigen
Jndustrieabfälle (mit ganz speciellen sehr seltenen Beschränkungen) und allen
flüssigen Straßen- und sonstigen Unrathes bestimmt. Alle diese flüssigen Stoffe
sind möglichst rasch in gehöriger Entfernung unterhalb der Städte zu führen.
Handelt es sich um kleine oder mittlere Städte, welche an großen Wasserläufen
liegen, so kann diesen jener flüssige Unrath getrost überliefert werden; handelt
es sich dagegen um große an kleinen Wasserläufen liegende Städte, so wird
möglicherweise eine bemerkbare Verunreinigung des Wassers entstehen, und diese


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[0194] Gegen Virchow hebt er hervor, daß der Mensch nur 1—2 Liter Flüssigkeit, aber etwa 8640 Liter Luft in 24 Stunden in sich ausnehme, wahrlich genug für in uns zu übertragende Krankheitskeime. Die Untersuchung der Boden¬ beschaffenheit habe sich zu erstrecken auf Configuration der Oberfläche, geogno- stischen Bestand und physikalische Agregation, Grad der Porosität, Wasser, bindung der einzelnen Bodenschichten, Gehalt an organischen (organisirten und nicht organisirten) Substanzen. Für Untersuchung der Bodenfeuchtigkeit werden meist Grundwasserbeobachtungen ausreichen. Grundwasser nennt man jenen Grad von Wassergehalt (in den Boden gedrungenes atmosphärisches Wasser) einer porösen Bodenschicht, bei welchem die Luft aus den Poren gänzlich verdrängt ist und zwar durch Wasser. Das Auf- und Absteigen dieses fixen Feuchtig¬ keitspunktes ist Grundwasserbeobachtung. —- Die hier abgebrochene Verhandlung wird hoffentlich zur Folge haben, daß diese nothwendigen Beobachtungen end¬ lich an vielen Orten vorgenommen werden. Thesen über die 2. und 3. Frage des Programms hatte Dr. Varrentrapp aufgestellt und zu motiviren übernommen. — Diejenigen in Betreff der Ent¬ wässerung der Städte lauteten folgendermaßen: Zu einer gesundheitsgemäßen Herstellung und Erhaltung unserer Wohnun¬ gen ist nothwendig, daß der Untergrund derselben rein und trocken erhalten werde. — Hierzu muß eine stete Correction des Grundwassers eingerichtet werden, d. h. das Grundwasser muß, a,) wo es bis über die Keilerboden steigt tiefer gelegt, b) auf diesem niedern Standpunkt gleichmäßig und e) überhaupt rein erhalten werden. Dies wird erzielt durch ein systematisches Netz von tiefer als die Keller¬ boden gelegten Canälen. — Ihre Größe berechnet sich nach der Menge des wegzuführenden Meteorwassers, zu welcher Aufgabe außerdem Ueberflußröhren für außerordentliche Fälle mitwirken. Form und innere Wand müssen schleu¬ nigsten Fluß und innere Reibung im Auge haben. Die Canalwand muß der Kosten und des Drainirens halber möglichst dünn und porös (außer den Haupt« canalem nur in der Stärke eines Backsteines), aber möglichst fest (mit gutem Cement) hergestellt werden. Diese Canäle sind zur Aufnahme des durchsickernden Grundwassers, so wie des Meteorwassers, der Haushaltungs-, Wahns- und Badewasser, der flüssigen Jndustrieabfälle (mit ganz speciellen sehr seltenen Beschränkungen) und allen flüssigen Straßen- und sonstigen Unrathes bestimmt. Alle diese flüssigen Stoffe sind möglichst rasch in gehöriger Entfernung unterhalb der Städte zu führen. Handelt es sich um kleine oder mittlere Städte, welche an großen Wasserläufen liegen, so kann diesen jener flüssige Unrath getrost überliefert werden; handelt es sich dagegen um große an kleinen Wasserläufen liegende Städte, so wird möglicherweise eine bemerkbare Verunreinigung des Wassers entstehen, und diese

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/194>, abgerufen am 20.10.2024.