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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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Wasserversorgung der Städte u. tgi. fragen, so bedürfen wir des Beirathes
der Ingenieure, welche diese einzelnen Zweige ihrer Kunst zu besonderer techni¬
scher Ausbildung gebracht haben, wir bedürfen der Bau- und anderer Behör¬
den, um die erlangten Resultate derartiger Reformen zuverlässig zu erfahren
u. s. w. Demnach möchte manches dafür sprechen, alljährlich in Deutschland
einen Congreß für öffentliche Gesundheitspflege und zeitweise derartige inter¬
nationale Congresse zu hallen."

"Dagegen aber lasse sich einwenden, daß ohne Noth die Zahl der wissen¬
schaftlichen Jahresversammlungen nicht vermehrt werden solle u. f. w. Vor
allem aber scheint folgende Betrachtung für diesen Anschluß zu sprechen. Die
öffentliche Gesundheitspflege, welche, in der Regel als untergeordneter Theil der
gerichtlichen Medicin behandelt, bisher in Deutschland gegen Frankreich und
namentlich gegen England im Vergleich zu anderen Zweigen zurückgeblieben ist,
kann in ihrer wissenschaftlichen Ausbildung wie in ihren practischen Leistungen
nur dann gedeihen, wenn ihre Bedeutung in immer weiteren Kreisen, zunächst
der Aerzte und sodann des gesammten Publikums und der Behörden erkannt
wird. Wer hierin fördern will, wird einsehen, daß es gilt, den Aerzten diese
Fragen erst nahe zu bringen; die Hygienisten müssen deshalb die Aerzte aus¬
suchen; dies geschieht am besten auf unserer jährlichen Wanderversammlung.
Allerdings wird die Behandlung der einzelnen zur Discussion kommenden Ge¬
genstände großentheils verschieden sein müssen von derjenigen in anderen Sec-
tionen. Es wird namentlich sehr geeignet sein, in der Versammlung des einen
Jahres mehrere Fragen im voraus für die Tagesordnung des folgenden Jah¬
res zu bestimmen und vorzubereiten." Zur Verhandlung werden sodann vorge¬
schlagen die Fragen 1) der Aetiologie des Thphus, 2) der Entwässerung der
Städte, 3) der Ursachen der hohen Kinder-Sterblichkeit.

Nach Aufforderung des Vorsitzenden Prof. Griesinger entwickelte Dr. Var-
rentrapp die Ansichten weiter und führte namentlich aus, daß die hygienische
Section sich entschließen müsse, das Ergebniß ihrer jeweiligen Berathungen in
gewissen bestimmten Thesen auszusprechen. Dieselben, ob mit Mehrheit oder
Einstimmigkeit angenommen, könnten keineswegs beabsichtigen, in der Wissen¬
schaft irgend etwas als absolut und bleibend richtig zu octroyiren. sondern nur
der jeweiligen herrschenden Ansicht der Sachverständigen bestimmten Ausdruck
zu geben. In Betreff der Entwässerung, Canalisirung und Abfuhr z. B. ver¬
langten Ingenieure wie Magistrate von den Hygienisten eine bestimmte Mei'
nungsäußerung darüber, was die öffentliche Gesundheit als gut bezeichne, wo
sie Gefahren oder Mißstände fürchte. Es komme bei solchen Verhandlungen
keineswegs, wie in den anderen Sectionen, zumeist darauf an, daß die Anwe¬
senden sich gegenseitig belehrten, sondern sie müßten Aussprüche feststellen, welche
die Wahl anderer leiten, oder deren technische Ausführung zur Grundlage


Wasserversorgung der Städte u. tgi. fragen, so bedürfen wir des Beirathes
der Ingenieure, welche diese einzelnen Zweige ihrer Kunst zu besonderer techni¬
scher Ausbildung gebracht haben, wir bedürfen der Bau- und anderer Behör¬
den, um die erlangten Resultate derartiger Reformen zuverlässig zu erfahren
u. s. w. Demnach möchte manches dafür sprechen, alljährlich in Deutschland
einen Congreß für öffentliche Gesundheitspflege und zeitweise derartige inter¬
nationale Congresse zu hallen."

„Dagegen aber lasse sich einwenden, daß ohne Noth die Zahl der wissen¬
schaftlichen Jahresversammlungen nicht vermehrt werden solle u. f. w. Vor
allem aber scheint folgende Betrachtung für diesen Anschluß zu sprechen. Die
öffentliche Gesundheitspflege, welche, in der Regel als untergeordneter Theil der
gerichtlichen Medicin behandelt, bisher in Deutschland gegen Frankreich und
namentlich gegen England im Vergleich zu anderen Zweigen zurückgeblieben ist,
kann in ihrer wissenschaftlichen Ausbildung wie in ihren practischen Leistungen
nur dann gedeihen, wenn ihre Bedeutung in immer weiteren Kreisen, zunächst
der Aerzte und sodann des gesammten Publikums und der Behörden erkannt
wird. Wer hierin fördern will, wird einsehen, daß es gilt, den Aerzten diese
Fragen erst nahe zu bringen; die Hygienisten müssen deshalb die Aerzte aus¬
suchen; dies geschieht am besten auf unserer jährlichen Wanderversammlung.
Allerdings wird die Behandlung der einzelnen zur Discussion kommenden Ge¬
genstände großentheils verschieden sein müssen von derjenigen in anderen Sec-
tionen. Es wird namentlich sehr geeignet sein, in der Versammlung des einen
Jahres mehrere Fragen im voraus für die Tagesordnung des folgenden Jah¬
res zu bestimmen und vorzubereiten." Zur Verhandlung werden sodann vorge¬
schlagen die Fragen 1) der Aetiologie des Thphus, 2) der Entwässerung der
Städte, 3) der Ursachen der hohen Kinder-Sterblichkeit.

Nach Aufforderung des Vorsitzenden Prof. Griesinger entwickelte Dr. Var-
rentrapp die Ansichten weiter und führte namentlich aus, daß die hygienische
Section sich entschließen müsse, das Ergebniß ihrer jeweiligen Berathungen in
gewissen bestimmten Thesen auszusprechen. Dieselben, ob mit Mehrheit oder
Einstimmigkeit angenommen, könnten keineswegs beabsichtigen, in der Wissen¬
schaft irgend etwas als absolut und bleibend richtig zu octroyiren. sondern nur
der jeweiligen herrschenden Ansicht der Sachverständigen bestimmten Ausdruck
zu geben. In Betreff der Entwässerung, Canalisirung und Abfuhr z. B. ver¬
langten Ingenieure wie Magistrate von den Hygienisten eine bestimmte Mei'
nungsäußerung darüber, was die öffentliche Gesundheit als gut bezeichne, wo
sie Gefahren oder Mißstände fürchte. Es komme bei solchen Verhandlungen
keineswegs, wie in den anderen Sectionen, zumeist darauf an, daß die Anwe¬
senden sich gegenseitig belehrten, sondern sie müßten Aussprüche feststellen, welche
die Wahl anderer leiten, oder deren technische Ausführung zur Grundlage


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[0192] Wasserversorgung der Städte u. tgi. fragen, so bedürfen wir des Beirathes der Ingenieure, welche diese einzelnen Zweige ihrer Kunst zu besonderer techni¬ scher Ausbildung gebracht haben, wir bedürfen der Bau- und anderer Behör¬ den, um die erlangten Resultate derartiger Reformen zuverlässig zu erfahren u. s. w. Demnach möchte manches dafür sprechen, alljährlich in Deutschland einen Congreß für öffentliche Gesundheitspflege und zeitweise derartige inter¬ nationale Congresse zu hallen." „Dagegen aber lasse sich einwenden, daß ohne Noth die Zahl der wissen¬ schaftlichen Jahresversammlungen nicht vermehrt werden solle u. f. w. Vor allem aber scheint folgende Betrachtung für diesen Anschluß zu sprechen. Die öffentliche Gesundheitspflege, welche, in der Regel als untergeordneter Theil der gerichtlichen Medicin behandelt, bisher in Deutschland gegen Frankreich und namentlich gegen England im Vergleich zu anderen Zweigen zurückgeblieben ist, kann in ihrer wissenschaftlichen Ausbildung wie in ihren practischen Leistungen nur dann gedeihen, wenn ihre Bedeutung in immer weiteren Kreisen, zunächst der Aerzte und sodann des gesammten Publikums und der Behörden erkannt wird. Wer hierin fördern will, wird einsehen, daß es gilt, den Aerzten diese Fragen erst nahe zu bringen; die Hygienisten müssen deshalb die Aerzte aus¬ suchen; dies geschieht am besten auf unserer jährlichen Wanderversammlung. Allerdings wird die Behandlung der einzelnen zur Discussion kommenden Ge¬ genstände großentheils verschieden sein müssen von derjenigen in anderen Sec- tionen. Es wird namentlich sehr geeignet sein, in der Versammlung des einen Jahres mehrere Fragen im voraus für die Tagesordnung des folgenden Jah¬ res zu bestimmen und vorzubereiten." Zur Verhandlung werden sodann vorge¬ schlagen die Fragen 1) der Aetiologie des Thphus, 2) der Entwässerung der Städte, 3) der Ursachen der hohen Kinder-Sterblichkeit. Nach Aufforderung des Vorsitzenden Prof. Griesinger entwickelte Dr. Var- rentrapp die Ansichten weiter und führte namentlich aus, daß die hygienische Section sich entschließen müsse, das Ergebniß ihrer jeweiligen Berathungen in gewissen bestimmten Thesen auszusprechen. Dieselben, ob mit Mehrheit oder Einstimmigkeit angenommen, könnten keineswegs beabsichtigen, in der Wissen¬ schaft irgend etwas als absolut und bleibend richtig zu octroyiren. sondern nur der jeweiligen herrschenden Ansicht der Sachverständigen bestimmten Ausdruck zu geben. In Betreff der Entwässerung, Canalisirung und Abfuhr z. B. ver¬ langten Ingenieure wie Magistrate von den Hygienisten eine bestimmte Mei' nungsäußerung darüber, was die öffentliche Gesundheit als gut bezeichne, wo sie Gefahren oder Mißstände fürchte. Es komme bei solchen Verhandlungen keineswegs, wie in den anderen Sectionen, zumeist darauf an, daß die Anwe¬ senden sich gegenseitig belehrten, sondern sie müßten Aussprüche feststellen, welche die Wahl anderer leiten, oder deren technische Ausführung zur Grundlage

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/192>, abgerufen am 27.09.2024.