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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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der Baukunst in Rom", geschweige denn zu einer "Geschichte der römischen
Baukunst", da zu einer solchen alle in den einzelnen Provinzen Europas. Asiens
und Afrikas zerstreuten, oft noch wohl erhaltenen Baudenkmale in Betrage
gezogen werden müssen.

Eine Geschichte der Baukunst in Rom läßt sich -- das ist gegenüber man¬
chen neueren Arbeiten zu erinnern nicht überflüssig -- nur in Rom selbst, im
Angesicht der Monumente schreiben. Die reichsten Mittel dazu hatte der mit
vielen Kenntnissen und genauester Kunde des Lokals ausgestattete L. Carina.
Doch sind seine großen und sehr kostbaren, daher wenig verbreiteten, Werke --
manche Verdienste unbestritten -- wissenschaftlich geradezu unbrauchbar. Seine
meist ungenauen, ganz fabrikmäßig angefertigten Zeichnungen, stellen leider nie¬
mals das Monument dar wie es ist, sondern wie Carina es sich zur Zeit seiner
Vollendung dachte. Seine Restaurationen sind keineswegs immer im Geiste
des Alterthums erfunden. Ja es kommt vor. daß er dasselbe Bauwerk --
z. B. den sogenannten terrrpio act vio Reäioulo -- in zwei verschiedenen
Werken auf zwei gänzlich verschiedene Weisen restaurirt darstellt, ohne im Text
jemals anzugeben, wie viel von dem Dargestellten alt, wie viel nach eigener
Idee hinzugefügt ist. Carina liefert sogar Zeichnungen von Bauwerken --
s. LäiLsj äei contorm al Roms, das. 20 -- davon keine Spur vorhanden ist,
welche wahrscheinlich auch gar nicht existirt haben. Seine Werke sind daher
geeignet, die größeste Verwirrung hervorzurufen, und haben in der That schon man-
chen, welcher der Autorität des berühmten Mannes traute, getäuscht. Man
darf sie daher nur vor den Monumenten selbst und immer nur mit der
größesten Vorsicht beruhen.

Alle diese Werke enthalten nur Vorarbeiten für eine Geschichte. Es sind
mehr oder weniger bearbeitete fast nie fertige Bausteine. Von einer wissen¬
schaftlichen Geschichte der römischen Baukunst verlangen wir aber eine
möglichst klare Darlegung der den Architekten in den verschiedenen Periode"
gestellten Aufgaben, eine Beschreibung der denselben zu Gebote stehenden Mittel
an Material :c., eine Untersuchung, auf welche Weise die Architekten ihre Auf¬
gaben unter Berücksichtigung des Klimas, der Sitten und Gebräuche des Volkes
und der ihnen zu Gebote stehenden Mittel gelöst haben, also besonders eine
Entwickelung der Grundrißformen von Baulichkeiten für besondere Zwecke (Ba¬
siliken, Thermen, Privathäuser:c.). ferner eine Darstellung der Entwickelung
und Ausbildung der auf dem Material und der jedesmaligen Ausbildung der
Technik beruhenden Constructionen, der an die Constructionen sich anschließenden
einzelnen ästhetischen Kunstformen u. s. w. Constructive und ästhetische For¬
men sind oft durch Einflüsse von auswärts modificirt worden. Solche Ein¬
flüsse, mögen sie durch den Cultus, durch Handelsverbindungen oder politische
Ereignisse, durch bedeutende einflußreiche Männer (August, Hadrian, Apollodor),


der Baukunst in Rom", geschweige denn zu einer „Geschichte der römischen
Baukunst", da zu einer solchen alle in den einzelnen Provinzen Europas. Asiens
und Afrikas zerstreuten, oft noch wohl erhaltenen Baudenkmale in Betrage
gezogen werden müssen.

Eine Geschichte der Baukunst in Rom läßt sich — das ist gegenüber man¬
chen neueren Arbeiten zu erinnern nicht überflüssig — nur in Rom selbst, im
Angesicht der Monumente schreiben. Die reichsten Mittel dazu hatte der mit
vielen Kenntnissen und genauester Kunde des Lokals ausgestattete L. Carina.
Doch sind seine großen und sehr kostbaren, daher wenig verbreiteten, Werke —
manche Verdienste unbestritten — wissenschaftlich geradezu unbrauchbar. Seine
meist ungenauen, ganz fabrikmäßig angefertigten Zeichnungen, stellen leider nie¬
mals das Monument dar wie es ist, sondern wie Carina es sich zur Zeit seiner
Vollendung dachte. Seine Restaurationen sind keineswegs immer im Geiste
des Alterthums erfunden. Ja es kommt vor. daß er dasselbe Bauwerk —
z. B. den sogenannten terrrpio act vio Reäioulo — in zwei verschiedenen
Werken auf zwei gänzlich verschiedene Weisen restaurirt darstellt, ohne im Text
jemals anzugeben, wie viel von dem Dargestellten alt, wie viel nach eigener
Idee hinzugefügt ist. Carina liefert sogar Zeichnungen von Bauwerken —
s. LäiLsj äei contorm al Roms, das. 20 — davon keine Spur vorhanden ist,
welche wahrscheinlich auch gar nicht existirt haben. Seine Werke sind daher
geeignet, die größeste Verwirrung hervorzurufen, und haben in der That schon man-
chen, welcher der Autorität des berühmten Mannes traute, getäuscht. Man
darf sie daher nur vor den Monumenten selbst und immer nur mit der
größesten Vorsicht beruhen.

Alle diese Werke enthalten nur Vorarbeiten für eine Geschichte. Es sind
mehr oder weniger bearbeitete fast nie fertige Bausteine. Von einer wissen¬
schaftlichen Geschichte der römischen Baukunst verlangen wir aber eine
möglichst klare Darlegung der den Architekten in den verschiedenen Periode»
gestellten Aufgaben, eine Beschreibung der denselben zu Gebote stehenden Mittel
an Material :c., eine Untersuchung, auf welche Weise die Architekten ihre Auf¬
gaben unter Berücksichtigung des Klimas, der Sitten und Gebräuche des Volkes
und der ihnen zu Gebote stehenden Mittel gelöst haben, also besonders eine
Entwickelung der Grundrißformen von Baulichkeiten für besondere Zwecke (Ba¬
siliken, Thermen, Privathäuser:c.). ferner eine Darstellung der Entwickelung
und Ausbildung der auf dem Material und der jedesmaligen Ausbildung der
Technik beruhenden Constructionen, der an die Constructionen sich anschließenden
einzelnen ästhetischen Kunstformen u. s. w. Constructive und ästhetische For¬
men sind oft durch Einflüsse von auswärts modificirt worden. Solche Ein¬
flüsse, mögen sie durch den Cultus, durch Handelsverbindungen oder politische
Ereignisse, durch bedeutende einflußreiche Männer (August, Hadrian, Apollodor),


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[0019] der Baukunst in Rom", geschweige denn zu einer „Geschichte der römischen Baukunst", da zu einer solchen alle in den einzelnen Provinzen Europas. Asiens und Afrikas zerstreuten, oft noch wohl erhaltenen Baudenkmale in Betrage gezogen werden müssen. Eine Geschichte der Baukunst in Rom läßt sich — das ist gegenüber man¬ chen neueren Arbeiten zu erinnern nicht überflüssig — nur in Rom selbst, im Angesicht der Monumente schreiben. Die reichsten Mittel dazu hatte der mit vielen Kenntnissen und genauester Kunde des Lokals ausgestattete L. Carina. Doch sind seine großen und sehr kostbaren, daher wenig verbreiteten, Werke — manche Verdienste unbestritten — wissenschaftlich geradezu unbrauchbar. Seine meist ungenauen, ganz fabrikmäßig angefertigten Zeichnungen, stellen leider nie¬ mals das Monument dar wie es ist, sondern wie Carina es sich zur Zeit seiner Vollendung dachte. Seine Restaurationen sind keineswegs immer im Geiste des Alterthums erfunden. Ja es kommt vor. daß er dasselbe Bauwerk — z. B. den sogenannten terrrpio act vio Reäioulo — in zwei verschiedenen Werken auf zwei gänzlich verschiedene Weisen restaurirt darstellt, ohne im Text jemals anzugeben, wie viel von dem Dargestellten alt, wie viel nach eigener Idee hinzugefügt ist. Carina liefert sogar Zeichnungen von Bauwerken — s. LäiLsj äei contorm al Roms, das. 20 — davon keine Spur vorhanden ist, welche wahrscheinlich auch gar nicht existirt haben. Seine Werke sind daher geeignet, die größeste Verwirrung hervorzurufen, und haben in der That schon man- chen, welcher der Autorität des berühmten Mannes traute, getäuscht. Man darf sie daher nur vor den Monumenten selbst und immer nur mit der größesten Vorsicht beruhen. Alle diese Werke enthalten nur Vorarbeiten für eine Geschichte. Es sind mehr oder weniger bearbeitete fast nie fertige Bausteine. Von einer wissen¬ schaftlichen Geschichte der römischen Baukunst verlangen wir aber eine möglichst klare Darlegung der den Architekten in den verschiedenen Periode» gestellten Aufgaben, eine Beschreibung der denselben zu Gebote stehenden Mittel an Material :c., eine Untersuchung, auf welche Weise die Architekten ihre Auf¬ gaben unter Berücksichtigung des Klimas, der Sitten und Gebräuche des Volkes und der ihnen zu Gebote stehenden Mittel gelöst haben, also besonders eine Entwickelung der Grundrißformen von Baulichkeiten für besondere Zwecke (Ba¬ siliken, Thermen, Privathäuser:c.). ferner eine Darstellung der Entwickelung und Ausbildung der auf dem Material und der jedesmaligen Ausbildung der Technik beruhenden Constructionen, der an die Constructionen sich anschließenden einzelnen ästhetischen Kunstformen u. s. w. Constructive und ästhetische For¬ men sind oft durch Einflüsse von auswärts modificirt worden. Solche Ein¬ flüsse, mögen sie durch den Cultus, durch Handelsverbindungen oder politische Ereignisse, durch bedeutende einflußreiche Männer (August, Hadrian, Apollodor),

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/19>, abgerufen am 27.09.2024.