Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.Land ganz von der östreichischen Oberherrlichkeit zu befreien. Je geringer der In der Erörterung des ungarischen Beitrags zu den Reichsfinanzen, der Land ganz von der östreichischen Oberherrlichkeit zu befreien. Je geringer der In der Erörterung des ungarischen Beitrags zu den Reichsfinanzen, der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0017" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191778"/> <p xml:id="ID_26" prev="#ID_25"> Land ganz von der östreichischen Oberherrlichkeit zu befreien. Je geringer der<lb/> Tribut ausfällt, desto besser. Die herrschende Partei hält wohl Ungarn für ein<lb/> lebendiges Glied des Kaiserstaates, glaubt an eine dauernde Verbindung, wagt<lb/> aber mit den Vorurtheilen der Landsleute nicht zu brechen, sieht nicht ein, daß<lb/> nur in der Abstraction der Dualismus die gegenseitige Gleichgiltigkeit bedeutet,<lb/> daß in Wirklichkeit das ungarische Interesse nur dann gewahrt bleibt, wenn der<lb/> ungarische Standpunkt auch in den allgemeinen östreichischen Angelegenheiten mit<lb/> zur Geltung kommt.</p><lb/> <p xml:id="ID_27"> In der Erörterung des ungarischen Beitrags zu den Reichsfinanzen, der<lb/> gegenwärtig die Deputirten des ungarischen Reichstags beschäftigt, wird, wie<lb/> uns scheint, ein bedenklicher Weg eingeschlagen. Es mag für den Augenblick<lb/> bequemer sein, die Quote recht niedrig zu stellen, sich ein Prcicipuum zu be¬<lb/> dingen, im Uebrigen es den Erbstaaten zu überlassen, wie sie den Rest auf¬<lb/> bringen. Das geringfügige Anbot ist in Ungarn populär, die Nichteinmischung<lb/> in die „cisleithauischen" Finanzen entspricht dem formalen Rechte. Aber unpo¬<lb/> litisch ist und bleibt es in hohem Grade. Man kann zugeben, daß die politische<lb/> Halbirung des Reichs nicht süglich auf die Finanzen übertragen werden kann,<lb/> Ungarn an Leistungsfähigkeit hinter der andern Reichshälfte zurücksteht. Dann<lb/> aber mußte nicht achselzuckend gesagt werden: Wir können nur so viel oder so<lb/> wenig bieten, seht zu, wie ihr das andere herauspreßt. Gerade die Ungarn<lb/> müßten sich der ohnehin hartbestcuerten Erbländer annehmen und so argumen-<lb/> tiren: Weil wir nicht mehr geben können, die Ergänzung des Fehlenden aber<lb/> die Erbländer zu hart träfe, so muß das Gesammterforderniß herabgesetzt werden.<lb/> Statt um die Höhe der eigenen Quote zu feilschen, müssen die Ungarn auf<lb/> eine durchgreifende Finanzreform dringen. Staatsbankerott ist freilich ein<lb/> häßliches Wort, und daß die magyarischen Staatsmänner dasselbe nicht<lb/> gern im Munde führen, begreiflich. Ist denn aber die stetige Steigerung des<lb/> Deficits, die periodische Vermehrung des Staatspapiergeldes eine lachende Per-<lb/> spective? Den gegenwärtigen Machthabern in Wien ist es nur darum zu<lb/> thun, den Credit so lange sich zu erhalten, bis bessere politische Conjuncturen<lb/> die Wiederaufnahme der alten Politik, das deutsche Primat und die Centrali¬<lb/> sation in Oestreich möglich zu machen. Wollen die Ungarn dazu helfen, dann<lb/> muß man ihnen die hettliche Schonung der Staatsschuld empfehlen; wollen sie<lb/> aber ihre Verfassung sichern, wollen sie den notorischen Vellöitäten der wiener<lb/> Regierung einen Riegel vorschieben, dann dürfen sie auch vor der Frage, wie<lb/> die Kosten der Staatsschuld zu mindern sind, nicht ängstlich stehe» bleiben.<lb/> Das gegenwärtige Geschlecht außerhalb Ungarns wird, wenn sie es aus seinen<lb/> Bequemlichkeiten aufrütteln und Opfer verlangen, ihnen fluchen, gewiß; im an¬<lb/> dern Falle werden sie aber die künftigen Geschlechter innerhalb und außerhalb<lb/><note type="byline"> Anton Springer.</note> Ungarns verdammen. </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0017]
Land ganz von der östreichischen Oberherrlichkeit zu befreien. Je geringer der
Tribut ausfällt, desto besser. Die herrschende Partei hält wohl Ungarn für ein
lebendiges Glied des Kaiserstaates, glaubt an eine dauernde Verbindung, wagt
aber mit den Vorurtheilen der Landsleute nicht zu brechen, sieht nicht ein, daß
nur in der Abstraction der Dualismus die gegenseitige Gleichgiltigkeit bedeutet,
daß in Wirklichkeit das ungarische Interesse nur dann gewahrt bleibt, wenn der
ungarische Standpunkt auch in den allgemeinen östreichischen Angelegenheiten mit
zur Geltung kommt.
In der Erörterung des ungarischen Beitrags zu den Reichsfinanzen, der
gegenwärtig die Deputirten des ungarischen Reichstags beschäftigt, wird, wie
uns scheint, ein bedenklicher Weg eingeschlagen. Es mag für den Augenblick
bequemer sein, die Quote recht niedrig zu stellen, sich ein Prcicipuum zu be¬
dingen, im Uebrigen es den Erbstaaten zu überlassen, wie sie den Rest auf¬
bringen. Das geringfügige Anbot ist in Ungarn populär, die Nichteinmischung
in die „cisleithauischen" Finanzen entspricht dem formalen Rechte. Aber unpo¬
litisch ist und bleibt es in hohem Grade. Man kann zugeben, daß die politische
Halbirung des Reichs nicht süglich auf die Finanzen übertragen werden kann,
Ungarn an Leistungsfähigkeit hinter der andern Reichshälfte zurücksteht. Dann
aber mußte nicht achselzuckend gesagt werden: Wir können nur so viel oder so
wenig bieten, seht zu, wie ihr das andere herauspreßt. Gerade die Ungarn
müßten sich der ohnehin hartbestcuerten Erbländer annehmen und so argumen-
tiren: Weil wir nicht mehr geben können, die Ergänzung des Fehlenden aber
die Erbländer zu hart träfe, so muß das Gesammterforderniß herabgesetzt werden.
Statt um die Höhe der eigenen Quote zu feilschen, müssen die Ungarn auf
eine durchgreifende Finanzreform dringen. Staatsbankerott ist freilich ein
häßliches Wort, und daß die magyarischen Staatsmänner dasselbe nicht
gern im Munde führen, begreiflich. Ist denn aber die stetige Steigerung des
Deficits, die periodische Vermehrung des Staatspapiergeldes eine lachende Per-
spective? Den gegenwärtigen Machthabern in Wien ist es nur darum zu
thun, den Credit so lange sich zu erhalten, bis bessere politische Conjuncturen
die Wiederaufnahme der alten Politik, das deutsche Primat und die Centrali¬
sation in Oestreich möglich zu machen. Wollen die Ungarn dazu helfen, dann
muß man ihnen die hettliche Schonung der Staatsschuld empfehlen; wollen sie
aber ihre Verfassung sichern, wollen sie den notorischen Vellöitäten der wiener
Regierung einen Riegel vorschieben, dann dürfen sie auch vor der Frage, wie
die Kosten der Staatsschuld zu mindern sind, nicht ängstlich stehe» bleiben.
Das gegenwärtige Geschlecht außerhalb Ungarns wird, wenn sie es aus seinen
Bequemlichkeiten aufrütteln und Opfer verlangen, ihnen fluchen, gewiß; im an¬
dern Falle werden sie aber die künftigen Geschlechter innerhalb und außerhalb
Anton Springer. Ungarns verdammen.
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