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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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Die,' große Mehrzahl der Gesellschaften, welche einen Antheil an diesem,
dem erwähnten französischen Staatscredit erlangten, sind rasch wieder unter¬
gegangen, nur zwei erfreuten sich eines glücklichen Gedeihens. Sehr viele
aber von den Associationen, welche eben zu jener Zeit entstanden und die gerade
keine Unterstützung vom Staate erhielten, entwickelten sich fort und in schönster
Blüthe. Das ist ein practischer Beweis, daß es nicht die Staatssubvention
ist. welche beim Gelingen der produktiven Associationen entscheidet. Mag auch
zugegeben werden, daß in Frankreich bei der Vertheilung jener drei Millionen
nicht immer die beste Wahl getroffen wurde; allein wo sollen Garantien her¬
genommen werden, daß anderwärts und zu anderen Zeiten glücklicher gewählt
Wird? Und ausgewählt muß werden, denn es ist gar nicht denkbar, daß der
Staat alle an ihn kommende Arbeitergesuche berücksichtigen könnte.

Nun lassen sich andrerseits allerdings Mittel finden, um eine Ausbeutung
des Staates durch unsinnige Anforderungen Einzelner zu verhindern. Aber
schon durch die Entscheidung über zur Unterstützung empfohlene Projecte wäre
den Bevorzugungen und dem Protectionssystem Thür und Thor geöffnet, und
außerdem müßte der Staat auch die Operationen und Geschäfte der einzelnen
Genossenschaften überwachen; er müßte sich vielfach in ihre Organisation, in
ihre innersten Verhältnisse mischen, wenn er vor Mißbräuchen sicher sein wollte.
Denken wir uns nun solche Arbeiter-Associationen allgemein verbreitet, so
hätte schließlich der Staat die ganze Production zu überwachen und zu leiten.
Hiermit ständen wir aber mitten im Socialismus mit seiner Uniformität,
mit seiner Aufhebung der freien individuellen Thätigkeit. Alles müßte nun den
von der höchsten staatlichen Weisheit festgesetzten Regeln unterworfen werden,
alles müßte sich in die von ihr bestimmten Formen zwingen lassen, die er¬
strebte Freiheit für alle wäre in eine Vielregiererei umgewandelt, mit welcher
verglichen die schlimmsten Polizeieinrichtungen unserer Tage wahres Amüsement
wären.

Dies war nun freilich nicht die Absicht Lasalle's; er verlangte ausdrücklich,
daß die arbeitenden Classen alle ihre individuellen Freiheiten bewahren und
zum Staate in keiner andern Beziehung stehen sollten, als daß ihnen
das erforderliche Capital resp, der erforderliche Credit zu ihrer Association ver¬
mittelt werde. Wie dies mit der nothwendigen Oberaufsicht des Staates bei
der Gründung dieser Vereine und mit der nöthigsten Controle ihrer Geschäfts¬
führung zu vereinbaren wäre, bleibt indeß Räthsel.

Zur Kurzweil werfen wir noch einen Blick auf den Begriff der Concurrenz
in dem so geordneten Staate. Wie soll es mit ihr, der Triebfeder alles Er¬
werbs und Fortschritts gehalten werden, wenn die Production in die Hände
von Arbeiter-Associationen gegeben ist, die durch Staats-Jnterven-
tionen die nöthigen Gelder zu ihrer Unternehmung erhalten haben? Soll der


Die,' große Mehrzahl der Gesellschaften, welche einen Antheil an diesem,
dem erwähnten französischen Staatscredit erlangten, sind rasch wieder unter¬
gegangen, nur zwei erfreuten sich eines glücklichen Gedeihens. Sehr viele
aber von den Associationen, welche eben zu jener Zeit entstanden und die gerade
keine Unterstützung vom Staate erhielten, entwickelten sich fort und in schönster
Blüthe. Das ist ein practischer Beweis, daß es nicht die Staatssubvention
ist. welche beim Gelingen der produktiven Associationen entscheidet. Mag auch
zugegeben werden, daß in Frankreich bei der Vertheilung jener drei Millionen
nicht immer die beste Wahl getroffen wurde; allein wo sollen Garantien her¬
genommen werden, daß anderwärts und zu anderen Zeiten glücklicher gewählt
Wird? Und ausgewählt muß werden, denn es ist gar nicht denkbar, daß der
Staat alle an ihn kommende Arbeitergesuche berücksichtigen könnte.

Nun lassen sich andrerseits allerdings Mittel finden, um eine Ausbeutung
des Staates durch unsinnige Anforderungen Einzelner zu verhindern. Aber
schon durch die Entscheidung über zur Unterstützung empfohlene Projecte wäre
den Bevorzugungen und dem Protectionssystem Thür und Thor geöffnet, und
außerdem müßte der Staat auch die Operationen und Geschäfte der einzelnen
Genossenschaften überwachen; er müßte sich vielfach in ihre Organisation, in
ihre innersten Verhältnisse mischen, wenn er vor Mißbräuchen sicher sein wollte.
Denken wir uns nun solche Arbeiter-Associationen allgemein verbreitet, so
hätte schließlich der Staat die ganze Production zu überwachen und zu leiten.
Hiermit ständen wir aber mitten im Socialismus mit seiner Uniformität,
mit seiner Aufhebung der freien individuellen Thätigkeit. Alles müßte nun den
von der höchsten staatlichen Weisheit festgesetzten Regeln unterworfen werden,
alles müßte sich in die von ihr bestimmten Formen zwingen lassen, die er¬
strebte Freiheit für alle wäre in eine Vielregiererei umgewandelt, mit welcher
verglichen die schlimmsten Polizeieinrichtungen unserer Tage wahres Amüsement
wären.

Dies war nun freilich nicht die Absicht Lasalle's; er verlangte ausdrücklich,
daß die arbeitenden Classen alle ihre individuellen Freiheiten bewahren und
zum Staate in keiner andern Beziehung stehen sollten, als daß ihnen
das erforderliche Capital resp, der erforderliche Credit zu ihrer Association ver¬
mittelt werde. Wie dies mit der nothwendigen Oberaufsicht des Staates bei
der Gründung dieser Vereine und mit der nöthigsten Controle ihrer Geschäfts¬
führung zu vereinbaren wäre, bleibt indeß Räthsel.

Zur Kurzweil werfen wir noch einen Blick auf den Begriff der Concurrenz
in dem so geordneten Staate. Wie soll es mit ihr, der Triebfeder alles Er¬
werbs und Fortschritts gehalten werden, wenn die Production in die Hände
von Arbeiter-Associationen gegeben ist, die durch Staats-Jnterven-
tionen die nöthigen Gelder zu ihrer Unternehmung erhalten haben? Soll der


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[0147] Die,' große Mehrzahl der Gesellschaften, welche einen Antheil an diesem, dem erwähnten französischen Staatscredit erlangten, sind rasch wieder unter¬ gegangen, nur zwei erfreuten sich eines glücklichen Gedeihens. Sehr viele aber von den Associationen, welche eben zu jener Zeit entstanden und die gerade keine Unterstützung vom Staate erhielten, entwickelten sich fort und in schönster Blüthe. Das ist ein practischer Beweis, daß es nicht die Staatssubvention ist. welche beim Gelingen der produktiven Associationen entscheidet. Mag auch zugegeben werden, daß in Frankreich bei der Vertheilung jener drei Millionen nicht immer die beste Wahl getroffen wurde; allein wo sollen Garantien her¬ genommen werden, daß anderwärts und zu anderen Zeiten glücklicher gewählt Wird? Und ausgewählt muß werden, denn es ist gar nicht denkbar, daß der Staat alle an ihn kommende Arbeitergesuche berücksichtigen könnte. Nun lassen sich andrerseits allerdings Mittel finden, um eine Ausbeutung des Staates durch unsinnige Anforderungen Einzelner zu verhindern. Aber schon durch die Entscheidung über zur Unterstützung empfohlene Projecte wäre den Bevorzugungen und dem Protectionssystem Thür und Thor geöffnet, und außerdem müßte der Staat auch die Operationen und Geschäfte der einzelnen Genossenschaften überwachen; er müßte sich vielfach in ihre Organisation, in ihre innersten Verhältnisse mischen, wenn er vor Mißbräuchen sicher sein wollte. Denken wir uns nun solche Arbeiter-Associationen allgemein verbreitet, so hätte schließlich der Staat die ganze Production zu überwachen und zu leiten. Hiermit ständen wir aber mitten im Socialismus mit seiner Uniformität, mit seiner Aufhebung der freien individuellen Thätigkeit. Alles müßte nun den von der höchsten staatlichen Weisheit festgesetzten Regeln unterworfen werden, alles müßte sich in die von ihr bestimmten Formen zwingen lassen, die er¬ strebte Freiheit für alle wäre in eine Vielregiererei umgewandelt, mit welcher verglichen die schlimmsten Polizeieinrichtungen unserer Tage wahres Amüsement wären. Dies war nun freilich nicht die Absicht Lasalle's; er verlangte ausdrücklich, daß die arbeitenden Classen alle ihre individuellen Freiheiten bewahren und zum Staate in keiner andern Beziehung stehen sollten, als daß ihnen das erforderliche Capital resp, der erforderliche Credit zu ihrer Association ver¬ mittelt werde. Wie dies mit der nothwendigen Oberaufsicht des Staates bei der Gründung dieser Vereine und mit der nöthigsten Controle ihrer Geschäfts¬ führung zu vereinbaren wäre, bleibt indeß Räthsel. Zur Kurzweil werfen wir noch einen Blick auf den Begriff der Concurrenz in dem so geordneten Staate. Wie soll es mit ihr, der Triebfeder alles Er¬ werbs und Fortschritts gehalten werden, wenn die Production in die Hände von Arbeiter-Associationen gegeben ist, die durch Staats-Jnterven- tionen die nöthigen Gelder zu ihrer Unternehmung erhalten haben? Soll der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/147>, abgerufen am 27.09.2024.