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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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auf alle Frauen der Europäer ausgedehnt und es wurde nur verlangt, daß sich
dieselben in die Register der Rajas eintragen ließen. Hierdurch und durch
Scheinverkäufe d. h. durch Käufe mittelst eines vorgeschobenen türkischen Un¬
terthans, wurde bewirkt, daß nach und nach tausende von Europäern Besitze
von Grundstücken, namentlich in Constantinopel und Smyrna geworden sind.
Diese Fictionen waren aber immer precär und deshalb war es von jeher ein
Bestreben der fremden Gesandtschaften, den in der Türkei angesiedelten Unter¬
thanen das Recht zu verschaffen, Grundbesitz auf den eigenen Namen zu er¬
werben. Die langen Bemühungen schienen endlich mit Erfolg gekrönt zu wer¬
den,, als im Halt! Huma^our vom 18. Februar 18S6 bestimmt wurde:


"Da die Gesetze, die den Kauf, den Verkauf und den Besitz von Immo¬
bilien regeln, allen türkischen Unterthanen gemeinsam sind, so ist es auch
"den Fremden erlaubt. Immobilien zu besitzen, wenn sie sich den Landes-
"gesetzen und den Localpolizeivorschristen fügen und dieselben Abgaben,
"wie die Eingeborenen, zahlen. Dies soll jedoch erst dann eintreten, wenn
"Vereinbarungen zwischen dem Gouvernement und den fremden Mächten
"stattgefunden haben."

Dies Gesetz blieb indessen 11 Jahre lang unausgeführt. Die Vereinba¬
rungen kamen nicht zu Stande, da die Pforte das Verlangen stellte, die Kapi¬
tulationen aufzuheben oder wenigstens erheblich zu modificiren. Es hätten auch
leicht noch Jahrzehnte vergehen können, ohne daß es zur Ausführung gekommen
wäre, wenn nicht die politischen Verhältnisse des letzten Sommers die Einführung
von Reformen wünschenswerth gemacht hätte.

Ehe wir indessen zur Prüfung des Gesetzes vom 18. Juni 1867 über¬
gehen, ist es nothwendig, mit zwei Worten auf die Stellung zurückzugehen, die
die Europäer in der Türkei in Folge der Capitulationen haben.

Das eigentliche türkische Recht, das Scheriat, fand ursprünglich nur auf
die Muselmänner Anwendung. Den anderen der Pforte unterworfenen Na¬
tionen ist ihr früheres Recht gelassen und es ist namentlich in älterer Zeit
stets der Grundsatz aufgestellt, daß diese Nationen sich durch ihre Nationalbe¬
hörden und nach ihrem eigenen Rechte zu verwalten haben. Später ist dies
Princip mehrfach durchbrochen, aber auch noch heute finden wir es in vielen
Beziehungen gewahrt. Nur in einem Falle trat immereine Ausnahme ein; wenn
ein Muselmann in dieser oder jener Hinsicht bei der Angelegenheit betheiligt
war, so wurde die Sache vor die türkische Behörde gezogen und diese kümmerte
sich um das fremde Recht in keiner Weise.

Dies der türkischen Staatsverfassung eigenthümliche Princip der Nationa¬
lität des Rechts ist auch den Fremden gegenüber in den zwischen der Pforte
und den europäischen Mächten abgeschlossenen Capitulationen anerkannt. Die
wesentlichen Rechte, die den Fremden hiernach zustehen, sind die folgenden:


auf alle Frauen der Europäer ausgedehnt und es wurde nur verlangt, daß sich
dieselben in die Register der Rajas eintragen ließen. Hierdurch und durch
Scheinverkäufe d. h. durch Käufe mittelst eines vorgeschobenen türkischen Un¬
terthans, wurde bewirkt, daß nach und nach tausende von Europäern Besitze
von Grundstücken, namentlich in Constantinopel und Smyrna geworden sind.
Diese Fictionen waren aber immer precär und deshalb war es von jeher ein
Bestreben der fremden Gesandtschaften, den in der Türkei angesiedelten Unter¬
thanen das Recht zu verschaffen, Grundbesitz auf den eigenen Namen zu er¬
werben. Die langen Bemühungen schienen endlich mit Erfolg gekrönt zu wer¬
den,, als im Halt! Huma^our vom 18. Februar 18S6 bestimmt wurde:


„Da die Gesetze, die den Kauf, den Verkauf und den Besitz von Immo¬
bilien regeln, allen türkischen Unterthanen gemeinsam sind, so ist es auch
„den Fremden erlaubt. Immobilien zu besitzen, wenn sie sich den Landes-
„gesetzen und den Localpolizeivorschristen fügen und dieselben Abgaben,
„wie die Eingeborenen, zahlen. Dies soll jedoch erst dann eintreten, wenn
„Vereinbarungen zwischen dem Gouvernement und den fremden Mächten
„stattgefunden haben."

Dies Gesetz blieb indessen 11 Jahre lang unausgeführt. Die Vereinba¬
rungen kamen nicht zu Stande, da die Pforte das Verlangen stellte, die Kapi¬
tulationen aufzuheben oder wenigstens erheblich zu modificiren. Es hätten auch
leicht noch Jahrzehnte vergehen können, ohne daß es zur Ausführung gekommen
wäre, wenn nicht die politischen Verhältnisse des letzten Sommers die Einführung
von Reformen wünschenswerth gemacht hätte.

Ehe wir indessen zur Prüfung des Gesetzes vom 18. Juni 1867 über¬
gehen, ist es nothwendig, mit zwei Worten auf die Stellung zurückzugehen, die
die Europäer in der Türkei in Folge der Capitulationen haben.

Das eigentliche türkische Recht, das Scheriat, fand ursprünglich nur auf
die Muselmänner Anwendung. Den anderen der Pforte unterworfenen Na¬
tionen ist ihr früheres Recht gelassen und es ist namentlich in älterer Zeit
stets der Grundsatz aufgestellt, daß diese Nationen sich durch ihre Nationalbe¬
hörden und nach ihrem eigenen Rechte zu verwalten haben. Später ist dies
Princip mehrfach durchbrochen, aber auch noch heute finden wir es in vielen
Beziehungen gewahrt. Nur in einem Falle trat immereine Ausnahme ein; wenn
ein Muselmann in dieser oder jener Hinsicht bei der Angelegenheit betheiligt
war, so wurde die Sache vor die türkische Behörde gezogen und diese kümmerte
sich um das fremde Recht in keiner Weise.

Dies der türkischen Staatsverfassung eigenthümliche Princip der Nationa¬
lität des Rechts ist auch den Fremden gegenüber in den zwischen der Pforte
und den europäischen Mächten abgeschlossenen Capitulationen anerkannt. Die
wesentlichen Rechte, die den Fremden hiernach zustehen, sind die folgenden:


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[0136] auf alle Frauen der Europäer ausgedehnt und es wurde nur verlangt, daß sich dieselben in die Register der Rajas eintragen ließen. Hierdurch und durch Scheinverkäufe d. h. durch Käufe mittelst eines vorgeschobenen türkischen Un¬ terthans, wurde bewirkt, daß nach und nach tausende von Europäern Besitze von Grundstücken, namentlich in Constantinopel und Smyrna geworden sind. Diese Fictionen waren aber immer precär und deshalb war es von jeher ein Bestreben der fremden Gesandtschaften, den in der Türkei angesiedelten Unter¬ thanen das Recht zu verschaffen, Grundbesitz auf den eigenen Namen zu er¬ werben. Die langen Bemühungen schienen endlich mit Erfolg gekrönt zu wer¬ den,, als im Halt! Huma^our vom 18. Februar 18S6 bestimmt wurde: „Da die Gesetze, die den Kauf, den Verkauf und den Besitz von Immo¬ bilien regeln, allen türkischen Unterthanen gemeinsam sind, so ist es auch „den Fremden erlaubt. Immobilien zu besitzen, wenn sie sich den Landes- „gesetzen und den Localpolizeivorschristen fügen und dieselben Abgaben, „wie die Eingeborenen, zahlen. Dies soll jedoch erst dann eintreten, wenn „Vereinbarungen zwischen dem Gouvernement und den fremden Mächten „stattgefunden haben." Dies Gesetz blieb indessen 11 Jahre lang unausgeführt. Die Vereinba¬ rungen kamen nicht zu Stande, da die Pforte das Verlangen stellte, die Kapi¬ tulationen aufzuheben oder wenigstens erheblich zu modificiren. Es hätten auch leicht noch Jahrzehnte vergehen können, ohne daß es zur Ausführung gekommen wäre, wenn nicht die politischen Verhältnisse des letzten Sommers die Einführung von Reformen wünschenswerth gemacht hätte. Ehe wir indessen zur Prüfung des Gesetzes vom 18. Juni 1867 über¬ gehen, ist es nothwendig, mit zwei Worten auf die Stellung zurückzugehen, die die Europäer in der Türkei in Folge der Capitulationen haben. Das eigentliche türkische Recht, das Scheriat, fand ursprünglich nur auf die Muselmänner Anwendung. Den anderen der Pforte unterworfenen Na¬ tionen ist ihr früheres Recht gelassen und es ist namentlich in älterer Zeit stets der Grundsatz aufgestellt, daß diese Nationen sich durch ihre Nationalbe¬ hörden und nach ihrem eigenen Rechte zu verwalten haben. Später ist dies Princip mehrfach durchbrochen, aber auch noch heute finden wir es in vielen Beziehungen gewahrt. Nur in einem Falle trat immereine Ausnahme ein; wenn ein Muselmann in dieser oder jener Hinsicht bei der Angelegenheit betheiligt war, so wurde die Sache vor die türkische Behörde gezogen und diese kümmerte sich um das fremde Recht in keiner Weise. Dies der türkischen Staatsverfassung eigenthümliche Princip der Nationa¬ lität des Rechts ist auch den Fremden gegenüber in den zwischen der Pforte und den europäischen Mächten abgeschlossenen Capitulationen anerkannt. Die wesentlichen Rechte, die den Fremden hiernach zustehen, sind die folgenden:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/136>, abgerufen am 27.09.2024.