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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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trifft das Gesetz über den Wakuf mehr die städtischen Grundstücke.*) Damit
dessen Bestimmungen zur Anwendung kommen, müssen drei vorgeschriebene Be¬
dingungen eintreten:

1) das Grundstück muß entweder Constructionen tragen oder es muß ein
städtisches Grundstück sein, das einen Ertrag oder eine Rente einbringt;
2) das Grundstück muß mittelst läMewin d. h. mittelst der obenbeschrie-
benen doppelten Miethe in den Besitz von dritten Personen übergegan-
gen sein;
3) das Grundstück muß zu einer Stiftung gehören, die entweder vom Sul¬
tan oder von der kaiserlichen Familie oder von einer Privatperson, deren
Erben nicht mehr leben, gemacht worden ist.

Trotz dieser Beschränkungen soll das Gesetz aus die meisten Wakufgüter
anwendbar sein ; man hat mir von glaubwürdiger Seite versichert, daß bei 73°/"
der Wakufgüter die obigen Bedingungen eintreten.

Auch dies Gesetz hat nun bei den Wakufs der beschriebenen Art das Erb¬
recht der Verwandten des Detentors erheblich ausgedehnt. Wahren' früher
nur den Kindern ein Erbrecht zustand, so soll jetzt auch den Enkeln, den El¬
tern, den Geschwistern und dem überlebenden Ehegatten ein gleiches Recht ein¬
geräumt sein. Als Entschädigung soll die jährlich zu zahlende Miethe sirmeä-
Lenels) in entsprechender Weise durch ein noch zu erlassendes Specialreglement
vermehrt wenden. Die Berkaufssteuer (3°/<>) bleibt bestehen und die Erbschafts¬
steuer, die 1V"°/" beim ersten Grade betrug, wird bei den weiteren Graden eben¬
falls durch Svecialreglements erweitert werden.

Das Institut der üraKlri dit vetÄ wird auch bei den Wakufgütern aner¬
kannt, dagegen wird in diesem Gesetze nicht gesagt, ob die Wakufgrundstücke
auch für andere Schulden der Besitzer haftbar gemacht werden können.

Die Vergünstigungen des Gesetzes sind facultaliv. Nur der erwirbt sie,
der seinen Titel in der vorgeschriebenen Form mit dem Wakuf erneuert.

Dies sind die hauptsächlichsten Bestimmungen des Wakufgesetzcs. Dasselbe
ist nicht so befriedigend ausgefallen, wie das andere Gesetz. Der Hauptfehler
liegt in der facultativen Anwendung desselben. Wer das Verfahren in der
Türkei kennt, der wird leicht begreifen, daß die meisten Besitzer vorziehen wer¬
den, es beim Alten zu belassen. Die Verhandlungen beim Wakuf sind zu weit¬
läufig, die erforderlichen Trinkgelder zu groß, als daß die Besitzer ihre Nei¬
gung zur Ruhe überwinden sollten. Außerdem hängt aber die Ausführung des
Gesetzes auch noch von dem Erlaß einer Reihe von Reglements ab. Wenn diese



') Es scheint, daß die Domanicilgüter fast ausschließlich aus ländlichen Grundstücken
bestehen, während die Wakufgüter (abgesehen von den mevKuks-Gütern) grcißtentheils städtische
Grundstücke sind.

trifft das Gesetz über den Wakuf mehr die städtischen Grundstücke.*) Damit
dessen Bestimmungen zur Anwendung kommen, müssen drei vorgeschriebene Be¬
dingungen eintreten:

1) das Grundstück muß entweder Constructionen tragen oder es muß ein
städtisches Grundstück sein, das einen Ertrag oder eine Rente einbringt;
2) das Grundstück muß mittelst läMewin d. h. mittelst der obenbeschrie-
benen doppelten Miethe in den Besitz von dritten Personen übergegan-
gen sein;
3) das Grundstück muß zu einer Stiftung gehören, die entweder vom Sul¬
tan oder von der kaiserlichen Familie oder von einer Privatperson, deren
Erben nicht mehr leben, gemacht worden ist.

Trotz dieser Beschränkungen soll das Gesetz aus die meisten Wakufgüter
anwendbar sein ; man hat mir von glaubwürdiger Seite versichert, daß bei 73°/«
der Wakufgüter die obigen Bedingungen eintreten.

Auch dies Gesetz hat nun bei den Wakufs der beschriebenen Art das Erb¬
recht der Verwandten des Detentors erheblich ausgedehnt. Wahren' früher
nur den Kindern ein Erbrecht zustand, so soll jetzt auch den Enkeln, den El¬
tern, den Geschwistern und dem überlebenden Ehegatten ein gleiches Recht ein¬
geräumt sein. Als Entschädigung soll die jährlich zu zahlende Miethe sirmeä-
Lenels) in entsprechender Weise durch ein noch zu erlassendes Specialreglement
vermehrt wenden. Die Berkaufssteuer (3°/<>) bleibt bestehen und die Erbschafts¬
steuer, die 1V«°/» beim ersten Grade betrug, wird bei den weiteren Graden eben¬
falls durch Svecialreglements erweitert werden.

Das Institut der üraKlri dit vetÄ wird auch bei den Wakufgütern aner¬
kannt, dagegen wird in diesem Gesetze nicht gesagt, ob die Wakufgrundstücke
auch für andere Schulden der Besitzer haftbar gemacht werden können.

Die Vergünstigungen des Gesetzes sind facultaliv. Nur der erwirbt sie,
der seinen Titel in der vorgeschriebenen Form mit dem Wakuf erneuert.

Dies sind die hauptsächlichsten Bestimmungen des Wakufgesetzcs. Dasselbe
ist nicht so befriedigend ausgefallen, wie das andere Gesetz. Der Hauptfehler
liegt in der facultativen Anwendung desselben. Wer das Verfahren in der
Türkei kennt, der wird leicht begreifen, daß die meisten Besitzer vorziehen wer¬
den, es beim Alten zu belassen. Die Verhandlungen beim Wakuf sind zu weit¬
läufig, die erforderlichen Trinkgelder zu groß, als daß die Besitzer ihre Nei¬
gung zur Ruhe überwinden sollten. Außerdem hängt aber die Ausführung des
Gesetzes auch noch von dem Erlaß einer Reihe von Reglements ab. Wenn diese



') Es scheint, daß die Domanicilgüter fast ausschließlich aus ländlichen Grundstücken
bestehen, während die Wakufgüter (abgesehen von den mevKuks-Gütern) grcißtentheils städtische
Grundstücke sind.
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[0134] trifft das Gesetz über den Wakuf mehr die städtischen Grundstücke.*) Damit dessen Bestimmungen zur Anwendung kommen, müssen drei vorgeschriebene Be¬ dingungen eintreten: 1) das Grundstück muß entweder Constructionen tragen oder es muß ein städtisches Grundstück sein, das einen Ertrag oder eine Rente einbringt; 2) das Grundstück muß mittelst läMewin d. h. mittelst der obenbeschrie- benen doppelten Miethe in den Besitz von dritten Personen übergegan- gen sein; 3) das Grundstück muß zu einer Stiftung gehören, die entweder vom Sul¬ tan oder von der kaiserlichen Familie oder von einer Privatperson, deren Erben nicht mehr leben, gemacht worden ist. Trotz dieser Beschränkungen soll das Gesetz aus die meisten Wakufgüter anwendbar sein ; man hat mir von glaubwürdiger Seite versichert, daß bei 73°/« der Wakufgüter die obigen Bedingungen eintreten. Auch dies Gesetz hat nun bei den Wakufs der beschriebenen Art das Erb¬ recht der Verwandten des Detentors erheblich ausgedehnt. Wahren' früher nur den Kindern ein Erbrecht zustand, so soll jetzt auch den Enkeln, den El¬ tern, den Geschwistern und dem überlebenden Ehegatten ein gleiches Recht ein¬ geräumt sein. Als Entschädigung soll die jährlich zu zahlende Miethe sirmeä- Lenels) in entsprechender Weise durch ein noch zu erlassendes Specialreglement vermehrt wenden. Die Berkaufssteuer (3°/<>) bleibt bestehen und die Erbschafts¬ steuer, die 1V«°/» beim ersten Grade betrug, wird bei den weiteren Graden eben¬ falls durch Svecialreglements erweitert werden. Das Institut der üraKlri dit vetÄ wird auch bei den Wakufgütern aner¬ kannt, dagegen wird in diesem Gesetze nicht gesagt, ob die Wakufgrundstücke auch für andere Schulden der Besitzer haftbar gemacht werden können. Die Vergünstigungen des Gesetzes sind facultaliv. Nur der erwirbt sie, der seinen Titel in der vorgeschriebenen Form mit dem Wakuf erneuert. Dies sind die hauptsächlichsten Bestimmungen des Wakufgesetzcs. Dasselbe ist nicht so befriedigend ausgefallen, wie das andere Gesetz. Der Hauptfehler liegt in der facultativen Anwendung desselben. Wer das Verfahren in der Türkei kennt, der wird leicht begreifen, daß die meisten Besitzer vorziehen wer¬ den, es beim Alten zu belassen. Die Verhandlungen beim Wakuf sind zu weit¬ läufig, die erforderlichen Trinkgelder zu groß, als daß die Besitzer ihre Nei¬ gung zur Ruhe überwinden sollten. Außerdem hängt aber die Ausführung des Gesetzes auch noch von dem Erlaß einer Reihe von Reglements ab. Wenn diese ') Es scheint, daß die Domanicilgüter fast ausschließlich aus ländlichen Grundstücken bestehen, während die Wakufgüter (abgesehen von den mevKuks-Gütern) grcißtentheils städtische Grundstücke sind.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/134>, abgerufen am 27.09.2024.