Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.nach der rhetorischen Schulreiterei Herr Zander, der Redacteur des Volksboden Was das Brüllen anlangt, so war Greuter jedenfalls der Löwe des Abends. Nun, vielleicht giebt diese apokalyptische Auffassung der Dinge den Schlüssel Briefe vom Reichstag. II. Bismarck hat einmal gesagt, wir hätten zuviel Intelligenzen in Deutsch¬ Die "freie Vereinigung ist jedenfals ein Unicum rin Hause. Al nach der rhetorischen Schulreiterei Herr Zander, der Redacteur des Volksboden Was das Brüllen anlangt, so war Greuter jedenfalls der Löwe des Abends. Nun, vielleicht giebt diese apokalyptische Auffassung der Dinge den Schlüssel Briefe vom Reichstag. II. Bismarck hat einmal gesagt, wir hätten zuviel Intelligenzen in Deutsch¬ Die „freie Vereinigung ist jedenfals ein Unicum rin Hause. Al <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0122" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191883"/> <p xml:id="ID_302" prev="#ID_301"> nach der rhetorischen Schulreiterei Herr Zander, der Redacteur des Volksboden<lb/> aus München das Seinige als Clown. Sechs Orden vertraten die Schellen der<lb/> Kappe. Er sprach von dem traurigen Zustande der katholischen Kirche in<lb/> Bayern, Es waren viel bajuwarische Pfarrer da, sie lachten, daß ihnen Thrä¬<lb/> nen über die feisten Wangen kollerten.</p><lb/> <p xml:id="ID_303"> Was das Brüllen anlangt, so war Greuter jedenfalls der Löwe des Abends.<lb/> Mit was soll man seine Art von Beredsamkeit vergleichen? Am besten mit<lb/> einem Feuerwerk. Wie das zischt, kracht, knallt, lodert und sprüht, alles be¬<lb/> leuchtend, ohne daß man auch nur das Geringste erkennen kann. Der Mann<lb/> ist in der Thüre zwischen Declamations- und Fechtkunst stecken geblieben, eine<lb/> vollendete Kapuzinernatur, die überall da Leidenschaft hat, wo anderen Leuten<lb/> der Verstand sitzt. Den lehrreichsten Passus seiner Rede müssen Sie wohl oder<lb/> übel mit anhören. Er bezog sich auf das decorative Arrangement des Saales:<lb/> „An der Stelle, wo sonst die Schmerzensmutter steht, steht der heilige Vater,<lb/> an jener Stelle aber, wo Johannes der Verbannte aus Pathmos stand. —<lb/> Franz Joseph, der gesalbte apostolische König; und wenn Christus heute seinen<lb/> Mund öffnet und herabruft zum Repräsentanten der Kirche, so haden wir an<lb/> unserm Kaiser keinen schlechten Stellvertreter und Christus kann heute noch zum<lb/> Repräsentanten der Kirche sagen, was er einstens gesprochen hat: „Weib siehe<lb/> deinen Sohn!" Und ich bin der festen Ueberzeugung, daß die gekreuzigte un¬<lb/> sterbliche Liel'e zum gekrönten König (nämlich von Ungarn) sagen würde: „Sohn<lb/> siehe deine Mutter!" Aber auch Euch deutschen Brüdern ist unsterbliche Hoffnung<lb/> in eueren Herzen. O, es kann einmal die Zeit kommen, wo sich der Adler<lb/> von Pathmos einmal erbeben wird und unter seinem Flügelschlage entsteht die<lb/> Freiheit dem deutschen Reich!"</p><lb/> <p xml:id="ID_304"> Nun, vielleicht giebt diese apokalyptische Auffassung der Dinge den Schlüssel<lb/> zur Lösung der östreichischen Frage, die den ordinären Weisen soviel Kopfzer¬<lb/> brechen macht. —</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Briefe vom Reichstag.</head><lb/> <note type="byline"/><lb/> <div n="2"> <head> II.</head><lb/> <p xml:id="ID_305"> Bismarck hat einmal gesagt, wir hätten zuviel Intelligenzen in Deutsch¬<lb/> land, und deshalb kämen wir nickt vorwärts. Die Wahrheit dieses Ausspruchs<lb/> fiel mir schwer auf die Seele, als ich mein erstes Briefchen und damit die<lb/> linke Seite des Hauses besorgt und aufgehoben glaubte, und nun plötzlich die<lb/> „freie Vereinigung" ais unvesprochene Intelligenz leibhaftig vor mir<lb/> auf den Bänken des linken Centrums sitzen sah. Nur reumütkiger eiliger Nach¬<lb/> trag kann hier helfen. ."s</p><lb/> <p xml:id="ID_306" next="#ID_307"> Die „freie Vereinigung ist jedenfals ein Unicum rin Hause. Al<lb/> ihre berechtigte Eigenthümlichkeit kann gelten: sie ist so frei, daß sie aushört</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0122]
nach der rhetorischen Schulreiterei Herr Zander, der Redacteur des Volksboden
aus München das Seinige als Clown. Sechs Orden vertraten die Schellen der
Kappe. Er sprach von dem traurigen Zustande der katholischen Kirche in
Bayern, Es waren viel bajuwarische Pfarrer da, sie lachten, daß ihnen Thrä¬
nen über die feisten Wangen kollerten.
Was das Brüllen anlangt, so war Greuter jedenfalls der Löwe des Abends.
Mit was soll man seine Art von Beredsamkeit vergleichen? Am besten mit
einem Feuerwerk. Wie das zischt, kracht, knallt, lodert und sprüht, alles be¬
leuchtend, ohne daß man auch nur das Geringste erkennen kann. Der Mann
ist in der Thüre zwischen Declamations- und Fechtkunst stecken geblieben, eine
vollendete Kapuzinernatur, die überall da Leidenschaft hat, wo anderen Leuten
der Verstand sitzt. Den lehrreichsten Passus seiner Rede müssen Sie wohl oder
übel mit anhören. Er bezog sich auf das decorative Arrangement des Saales:
„An der Stelle, wo sonst die Schmerzensmutter steht, steht der heilige Vater,
an jener Stelle aber, wo Johannes der Verbannte aus Pathmos stand. —
Franz Joseph, der gesalbte apostolische König; und wenn Christus heute seinen
Mund öffnet und herabruft zum Repräsentanten der Kirche, so haden wir an
unserm Kaiser keinen schlechten Stellvertreter und Christus kann heute noch zum
Repräsentanten der Kirche sagen, was er einstens gesprochen hat: „Weib siehe
deinen Sohn!" Und ich bin der festen Ueberzeugung, daß die gekreuzigte un¬
sterbliche Liel'e zum gekrönten König (nämlich von Ungarn) sagen würde: „Sohn
siehe deine Mutter!" Aber auch Euch deutschen Brüdern ist unsterbliche Hoffnung
in eueren Herzen. O, es kann einmal die Zeit kommen, wo sich der Adler
von Pathmos einmal erbeben wird und unter seinem Flügelschlage entsteht die
Freiheit dem deutschen Reich!"
Nun, vielleicht giebt diese apokalyptische Auffassung der Dinge den Schlüssel
zur Lösung der östreichischen Frage, die den ordinären Weisen soviel Kopfzer¬
brechen macht. —
Briefe vom Reichstag.
II.
Bismarck hat einmal gesagt, wir hätten zuviel Intelligenzen in Deutsch¬
land, und deshalb kämen wir nickt vorwärts. Die Wahrheit dieses Ausspruchs
fiel mir schwer auf die Seele, als ich mein erstes Briefchen und damit die
linke Seite des Hauses besorgt und aufgehoben glaubte, und nun plötzlich die
„freie Vereinigung" ais unvesprochene Intelligenz leibhaftig vor mir
auf den Bänken des linken Centrums sitzen sah. Nur reumütkiger eiliger Nach¬
trag kann hier helfen. ."s
Die „freie Vereinigung ist jedenfals ein Unicum rin Hause. Al
ihre berechtigte Eigenthümlichkeit kann gelten: sie ist so frei, daß sie aushört
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