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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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entrichtende Mauth den Zauber des Princips der Steuerfreiheit des Adels brechen
würde, es ihm gelingen werde, den Adel zur Steuerzahlung für allgemeine
Zwecke zu gewöhne"." Aehnlich war Szschcnyis Plan einer Zweigroschen-
steuer. An eine Zustimmung des Adels zu einer allgemeinen Steuerpflicht konnte
nicht gedacht werden. Die Comitate wiesen 1841 den Antrag, zu den Do-
mesticalkosten beizutragen, mit sittlicher Entrüstung zurück. Szechenyi hoffte
vom nationalökonomischen Eigennutze zu erhalten, was der politische Egoismus
verweigerte. Er ersann eine Zweigroschensteuer, welche die Privilegien des
Adels nicht grundsätzlich berührte. "Jeder Adelige und Nichtadelige zahlt
jährlich von jedem Morgen Land zwei Groschen, was etwa die Summe von
5 Millionen Gulden betragen würde. Hierauf wurde eine Anleihe von
100 Millionen aufgenommen, deren Interessen (zu 3V-°/°) jährlich mit 3'/-
Millionen und die zur Amortisation dienende 1'/- Million von jener Zwei¬
groschensteuer abgezahlt werden sollten. Auf diese Weise wird das Reich 35
Jahre lang -- so lange sollte diese Steuer dauern -- über ein Anlagecapital
von 100 Millionen verfügen. Da man aber diese Summe nur nach Verlauf
mehrerer Jahre zweckmäßig investiren kann, so wird der Ueberschuß zur Errich¬
tung einer Bvdcncreditbank verwendet und den Grundbesitzern gegen einen um
1 °/" erhöhten Zins als Darlehen ausgegeben, wodurch dem Lande noch neben¬
bei 60--60 Millionen Gulden erworben werden. Und so wird die Nation in
36 Jahren im Stande sein, etwa 160 Millionen Gulden auf Investitionen zu
verwenden. Wenn das Anlehen getilgt ist, würde auch die Steuer aufhören."

'Wenn die Steuer nicht aufgehört, der Adel nach 36 Jahren dieselbe noch
ferner getragen hätte, würde Szechenyi sich gewiß beruhigt haben. Er war
durchaus kein Freund der avitischen Verfassung, kein blinder Verehrer der "Hunds¬
häute" wie er die Adelspergamente spöttisch nannte. Er besaß aber die Ueber¬
zeugung, daß Ungarn nicht kräftig genug sei, zu gleicher Zeit eine politische
und eine wirthschaftliche Revolution durchzuführen, daß die letztere die unbedingt
wichtigere sei und auch den politischen Fortschritt nach und nach mit sich bringen
werde. Sociale Reformen, welchen keine politische Bewegung zur Seite geht,
können nur durch eine providentielle Negierung in das Leben gerufen werden.
An eine solche dachte und glaubte Szechenyi. Und wenn er, für die Realisirung
seiner Pläne, leider viel zu spät, ein Regierungsamt annahm, so brach er dadurch
keineswegs mit seinen alten Ueberzeugungen, verfuhr er ganz folgerichtig. Nur
von einer weisen, maßvollen Negierung konnte Szechenyis Ideal den lebendigen
Körper empfangen. Persönlich ist er daher von der Inconsequenz freizusprechen,
nicht so die Sache selbst, die er verfocht. Er konnte und durste nicht erwarten,
daß die einmal ausgerüttelte Nation die Natur von Schachsteinen annehmen
werde, die sich ruhig und geduldig jeden Zug gefallen lassen; seine Bemühungen'
scheiterten an der Beschränktheit der östreichischen Regierung, an dem schlechten


entrichtende Mauth den Zauber des Princips der Steuerfreiheit des Adels brechen
würde, es ihm gelingen werde, den Adel zur Steuerzahlung für allgemeine
Zwecke zu gewöhne»." Aehnlich war Szschcnyis Plan einer Zweigroschen-
steuer. An eine Zustimmung des Adels zu einer allgemeinen Steuerpflicht konnte
nicht gedacht werden. Die Comitate wiesen 1841 den Antrag, zu den Do-
mesticalkosten beizutragen, mit sittlicher Entrüstung zurück. Szechenyi hoffte
vom nationalökonomischen Eigennutze zu erhalten, was der politische Egoismus
verweigerte. Er ersann eine Zweigroschensteuer, welche die Privilegien des
Adels nicht grundsätzlich berührte. „Jeder Adelige und Nichtadelige zahlt
jährlich von jedem Morgen Land zwei Groschen, was etwa die Summe von
5 Millionen Gulden betragen würde. Hierauf wurde eine Anleihe von
100 Millionen aufgenommen, deren Interessen (zu 3V-°/°) jährlich mit 3'/-
Millionen und die zur Amortisation dienende 1'/- Million von jener Zwei¬
groschensteuer abgezahlt werden sollten. Auf diese Weise wird das Reich 35
Jahre lang — so lange sollte diese Steuer dauern — über ein Anlagecapital
von 100 Millionen verfügen. Da man aber diese Summe nur nach Verlauf
mehrerer Jahre zweckmäßig investiren kann, so wird der Ueberschuß zur Errich¬
tung einer Bvdcncreditbank verwendet und den Grundbesitzern gegen einen um
1 °/« erhöhten Zins als Darlehen ausgegeben, wodurch dem Lande noch neben¬
bei 60—60 Millionen Gulden erworben werden. Und so wird die Nation in
36 Jahren im Stande sein, etwa 160 Millionen Gulden auf Investitionen zu
verwenden. Wenn das Anlehen getilgt ist, würde auch die Steuer aufhören."

'Wenn die Steuer nicht aufgehört, der Adel nach 36 Jahren dieselbe noch
ferner getragen hätte, würde Szechenyi sich gewiß beruhigt haben. Er war
durchaus kein Freund der avitischen Verfassung, kein blinder Verehrer der „Hunds¬
häute" wie er die Adelspergamente spöttisch nannte. Er besaß aber die Ueber¬
zeugung, daß Ungarn nicht kräftig genug sei, zu gleicher Zeit eine politische
und eine wirthschaftliche Revolution durchzuführen, daß die letztere die unbedingt
wichtigere sei und auch den politischen Fortschritt nach und nach mit sich bringen
werde. Sociale Reformen, welchen keine politische Bewegung zur Seite geht,
können nur durch eine providentielle Negierung in das Leben gerufen werden.
An eine solche dachte und glaubte Szechenyi. Und wenn er, für die Realisirung
seiner Pläne, leider viel zu spät, ein Regierungsamt annahm, so brach er dadurch
keineswegs mit seinen alten Ueberzeugungen, verfuhr er ganz folgerichtig. Nur
von einer weisen, maßvollen Negierung konnte Szechenyis Ideal den lebendigen
Körper empfangen. Persönlich ist er daher von der Inconsequenz freizusprechen,
nicht so die Sache selbst, die er verfocht. Er konnte und durste nicht erwarten,
daß die einmal ausgerüttelte Nation die Natur von Schachsteinen annehmen
werde, die sich ruhig und geduldig jeden Zug gefallen lassen; seine Bemühungen'
scheiterten an der Beschränktheit der östreichischen Regierung, an dem schlechten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/12>, abgerufen am 27.09.2024.