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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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Bauer sich mit dem Vertreter seiner Regierung über eines der Principien des
modernen Staatsrechts in Streit einlassen soll? Für diesen Landtag Kasten
die Principienfragen an den handgreiflichsten Gegenständen des unmittelbar über¬
schauten Gesichtskreises, und in solchen Angelegenheiten ist es auch in Waldeck
schon hart genug hergegangen. Wenigstens wissen wir es nickt anders zu
nennen, wenn man, als die Regierung im Interesse der Domanialkasse eine
gewisse Holzberechtigung beeinträchtigte, den Antrag auf Ministeranklage stellte,
und, als dieser abgeworfen, den Stre>t wenigstens permanent machte. Die
Regierung ihrerseits schritt bis zur Auflösung des Landtags, als derselbe 1839
seine Zustimmung zu einem neuen Wahlgesejzcntwurf, welcher die starre bäuer¬
liche Opposition beseitigen sollte, sowie die nachträgliche Genehmigung der aus
zu andern Zwecken bestimmten Fonds -- also im direkten Widerspruch mit
Artikel 87 der Verfassung -- entnommenen Kosten der damals sehr voreiligen
Expedition nach Luxemburg versagte. Den Etat freilich hatte sie mit dem un¬
gefügigen Landtage noch rechtzeitig vereinbart, jedoch nur, wie sie gleich offen¬
herzig genug erklärte, um nicht ganz okne Budget regieren zu müssen und in
der festen Erwartung, es würden die ihrer Ansicht nach unentbehrlichen Posten
noch nachträglich bewilligt werden. Erhoben und ausgegeben wurden also die
gestrichenen Positionen auf jeden Fall, im Uebrigen verließ man sich auf die
Appellation ans Volk. Man hatte nicht falsch gerechnet. Der neugewählte
Landtag sanctionirte die luxemburgischen Kriegskosten, konnte sich aber doch der
Rüge nicht entbrechen, daß die von der Regierung behauptete Unmöglichkeit,
den Landtag noch vor der Verausgabung jener Gelder einzuberufen, wohl nur
eine eingebildete gewesen, "wenn nicht etwa die Regierung die Nothwendigkeit
der Berufung gänzlich übersehen habe/' Unzweifelhait traf er damit das Rich¬
tige und gab zugleich den charakteristischsten Beleg, wie tief die constitutionelle
Idee unsrer vielgepriesenen streng verfassungstreuen Regierung in Fleisch und
Blut übergegangen.

Wir seben, auch in Waldeck ist das Budget das eigentliche, ja das einzige
bewegende Element des parlamentarischen Lebens. Fast scheint es, als ob auch
die Regierung ihre gesammte gesetzgeberische Thätigkeit nach der eventuellen
Bedeutung derselben für den Staatshaushalt bemesse. Jedenfalls eine gar
heikele Situation. Seit Jahren wachsen die Klagen über Karten Steuerdruck, --
wie da von dem überbürdeten Volke noch immer mehr erlangen? Hätte man
absolutistische Principien, was kümmerte man sich schließlich um das allgemeine
Verderben? Aber die waldccksche Regierung ist liberal, und es ist nicht leicht,
recht viele liberale Organisationen zu finden, bei deren Emil'ibrung zugleich dem
Fiscus ein Erkleckliches zufiele. Mit der "Gewerbefreiheit" glückte das Manöver,
acht aber mit dem sonderbaren Verkoppelungsgesetz. Traurige Aufgabe für
einen Staatsmann, der nicht gefühlloses Werkzeug geworden, immerdar begierig


Bauer sich mit dem Vertreter seiner Regierung über eines der Principien des
modernen Staatsrechts in Streit einlassen soll? Für diesen Landtag Kasten
die Principienfragen an den handgreiflichsten Gegenständen des unmittelbar über¬
schauten Gesichtskreises, und in solchen Angelegenheiten ist es auch in Waldeck
schon hart genug hergegangen. Wenigstens wissen wir es nickt anders zu
nennen, wenn man, als die Regierung im Interesse der Domanialkasse eine
gewisse Holzberechtigung beeinträchtigte, den Antrag auf Ministeranklage stellte,
und, als dieser abgeworfen, den Stre>t wenigstens permanent machte. Die
Regierung ihrerseits schritt bis zur Auflösung des Landtags, als derselbe 1839
seine Zustimmung zu einem neuen Wahlgesejzcntwurf, welcher die starre bäuer¬
liche Opposition beseitigen sollte, sowie die nachträgliche Genehmigung der aus
zu andern Zwecken bestimmten Fonds — also im direkten Widerspruch mit
Artikel 87 der Verfassung — entnommenen Kosten der damals sehr voreiligen
Expedition nach Luxemburg versagte. Den Etat freilich hatte sie mit dem un¬
gefügigen Landtage noch rechtzeitig vereinbart, jedoch nur, wie sie gleich offen¬
herzig genug erklärte, um nicht ganz okne Budget regieren zu müssen und in
der festen Erwartung, es würden die ihrer Ansicht nach unentbehrlichen Posten
noch nachträglich bewilligt werden. Erhoben und ausgegeben wurden also die
gestrichenen Positionen auf jeden Fall, im Uebrigen verließ man sich auf die
Appellation ans Volk. Man hatte nicht falsch gerechnet. Der neugewählte
Landtag sanctionirte die luxemburgischen Kriegskosten, konnte sich aber doch der
Rüge nicht entbrechen, daß die von der Regierung behauptete Unmöglichkeit,
den Landtag noch vor der Verausgabung jener Gelder einzuberufen, wohl nur
eine eingebildete gewesen, „wenn nicht etwa die Regierung die Nothwendigkeit
der Berufung gänzlich übersehen habe/' Unzweifelhait traf er damit das Rich¬
tige und gab zugleich den charakteristischsten Beleg, wie tief die constitutionelle
Idee unsrer vielgepriesenen streng verfassungstreuen Regierung in Fleisch und
Blut übergegangen.

Wir seben, auch in Waldeck ist das Budget das eigentliche, ja das einzige
bewegende Element des parlamentarischen Lebens. Fast scheint es, als ob auch
die Regierung ihre gesammte gesetzgeberische Thätigkeit nach der eventuellen
Bedeutung derselben für den Staatshaushalt bemesse. Jedenfalls eine gar
heikele Situation. Seit Jahren wachsen die Klagen über Karten Steuerdruck, —
wie da von dem überbürdeten Volke noch immer mehr erlangen? Hätte man
absolutistische Principien, was kümmerte man sich schließlich um das allgemeine
Verderben? Aber die waldccksche Regierung ist liberal, und es ist nicht leicht,
recht viele liberale Organisationen zu finden, bei deren Emil'ibrung zugleich dem
Fiscus ein Erkleckliches zufiele. Mit der „Gewerbefreiheit" glückte das Manöver,
acht aber mit dem sonderbaren Verkoppelungsgesetz. Traurige Aufgabe für
einen Staatsmann, der nicht gefühlloses Werkzeug geworden, immerdar begierig


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/97>, abgerufen am 24.08.2024.