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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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vorwiegenden Geschäftscharccktcr vereinfachen und concentnren, von Bremen aus
schiffe nach den Vereinigten Staaten, von Hamburg aus nach Brasilien laufen
lassen; die Eisenbahn vermittelte dann die Beiladung beider Plätze. Diese wäre
nach unserer Voraussetzung dann auch, wenn nicht principiell, so doch in weit
größeren Umfang Staatssache, aber Sache des neuen deutschen sogenannten
Bundesstaates, dessen particuläres Interesse das schlechthin "umfassende ist und
welcher daher die Harmonie aller Specialwünschc allein repräsentiren kann.

Bei der angedeuteten Stellung würde der Staat d.um auch Mittel ent¬
decken, die Kriegsmarinemannschaft in Friedenszeiten passend zu verwenden. --


IiM.


Noch einmal die Lage Waldecks.
(Schluß zu vorigem Hefte.)

Der Waldecker ist nicht wenig stolz auf seine "liberale und in legalem
Wege zu Stande gekommene" Verfassung^ So ganz glatt ist es aber doch
auch im Glase Wasser nicht hergegangen. Der Sturm von 1848 warf die
alten Landstände über den Haufen; mit dem 1. Juni 1849 trat das Staats-
grundgcsetz vom 23. Mai desselben Jahres in Kraft. Die gleichzeitig erlassene
Wahlordnung sollte mit Ablauf von zwei Jahre" "einer Revision im Wege
der gewöhnlichen Gesetzgebung unterworfen werden". Ende Juli 18S1. zwei
Monate also nach der festgesetzten Frist, berief die Fürstin-!1iegentin einen außer¬
ordentlichen Landtag zu diesem Behufe, Die Regierung anerkannte also still¬
schweigend die Gütigkeit der provisorischen Wahlordnung auch über jene zwei
Jahre hinaus. Ihr Abänderungsvorschlag beseitigte die geheime Abstimmung;
begreiflich, daß der Landtag ihn ablehnte. Er ward aufgelöst und die neue
Wahlordnung octroyirt, auf Grund des § 137 des Se. G. G, Es ist der-
selbe, welcher im Sommer 1863 auch in der preußischen Verfassungsgeschichte
berüchtigt wurde, der vom Octroyirungsrechte in dringenden, durchaus keinen
Aufschub leidenden Fällen, vorausgesetzt, daß der Landtag nicht ver¬
sammelt ist. Jedes Kind begreift die Unzulässigkeit im vorliegenden Falle;
indeß, die Reg'erung. trotzdem sie selbst den angesetzten Termin sorglos hatte
verstreichen lassen, fand jetzt plötzlich eine Lücke im waldeckschen Rechtsboden,
die ohne Verzug ausgefüllt werden mußte. Der ncugewcihlte Landtag genas-


vorwiegenden Geschäftscharccktcr vereinfachen und concentnren, von Bremen aus
schiffe nach den Vereinigten Staaten, von Hamburg aus nach Brasilien laufen
lassen; die Eisenbahn vermittelte dann die Beiladung beider Plätze. Diese wäre
nach unserer Voraussetzung dann auch, wenn nicht principiell, so doch in weit
größeren Umfang Staatssache, aber Sache des neuen deutschen sogenannten
Bundesstaates, dessen particuläres Interesse das schlechthin "umfassende ist und
welcher daher die Harmonie aller Specialwünschc allein repräsentiren kann.

Bei der angedeuteten Stellung würde der Staat d.um auch Mittel ent¬
decken, die Kriegsmarinemannschaft in Friedenszeiten passend zu verwenden. —


IiM.


Noch einmal die Lage Waldecks.
(Schluß zu vorigem Hefte.)

Der Waldecker ist nicht wenig stolz auf seine „liberale und in legalem
Wege zu Stande gekommene" Verfassung^ So ganz glatt ist es aber doch
auch im Glase Wasser nicht hergegangen. Der Sturm von 1848 warf die
alten Landstände über den Haufen; mit dem 1. Juni 1849 trat das Staats-
grundgcsetz vom 23. Mai desselben Jahres in Kraft. Die gleichzeitig erlassene
Wahlordnung sollte mit Ablauf von zwei Jahre» „einer Revision im Wege
der gewöhnlichen Gesetzgebung unterworfen werden". Ende Juli 18S1. zwei
Monate also nach der festgesetzten Frist, berief die Fürstin-!1iegentin einen außer¬
ordentlichen Landtag zu diesem Behufe, Die Regierung anerkannte also still¬
schweigend die Gütigkeit der provisorischen Wahlordnung auch über jene zwei
Jahre hinaus. Ihr Abänderungsvorschlag beseitigte die geheime Abstimmung;
begreiflich, daß der Landtag ihn ablehnte. Er ward aufgelöst und die neue
Wahlordnung octroyirt, auf Grund des § 137 des Se. G. G, Es ist der-
selbe, welcher im Sommer 1863 auch in der preußischen Verfassungsgeschichte
berüchtigt wurde, der vom Octroyirungsrechte in dringenden, durchaus keinen
Aufschub leidenden Fällen, vorausgesetzt, daß der Landtag nicht ver¬
sammelt ist. Jedes Kind begreift die Unzulässigkeit im vorliegenden Falle;
indeß, die Reg'erung. trotzdem sie selbst den angesetzten Termin sorglos hatte
verstreichen lassen, fand jetzt plötzlich eine Lücke im waldeckschen Rechtsboden,
die ohne Verzug ausgefüllt werden mußte. Der ncugewcihlte Landtag genas-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/94>, abgerufen am 22.07.2024.