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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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ist überflüssig zur Blüthe der Gewerbe; er muß blos Schutz leisten und Recht
sprechen. Alles Uebrige thut die Concurrenz. Selbst die Post -- so kann man
hören -- befindet sich sehr ungebührlich in den Händen des Staates. Private
würden das Alles viel besser machen. Aber, wenn eine Eisenbahn gebaut
werden soll, die voraussichtlich nur schlecht rentirt. wenn eine Dampfschiffahrls-
linie beabsichtigt wird, deren Ertragsfähigkeit man mit Grund bezweifelt, dann
ruft alle Welt nach der Hilfe des Staates, dann muß der Zins des Anlage¬
capitals der Eisenbahn garantirt, der Dampfschiffsverbindung mit Subsidien
in Gestalt von Postzuschüssen :c. geholfen werden. Freie Concurrenz -- aber,
wenn eine Gesellschaft eine Eisenbahn bauen will, dann dürfen der Grund-
eigenthümer, der Hausbesitzer und Gartenliebhaber nicht für ihr Grundstück
fordern, was sie wollen und was sie nach der Lage der Dinge bekommen
könnten, sondern sie müssen sich den Ansprüchen der "Gesellschaft" bequemen.
Der Staat, diese überflüssige, nur dem Schutze und der Rechtspflege dienende
Anstalt muß seine Macht einsetzen, um der "Gesellschaft" den Grund und
Boden für ihr Unternehmen hübsch billig zu schaffen. Es ist ja im "Interesse
des Ganzen", daß solches geschieht. Freie Concurrenz! aber, wenn eine Bank
gegründet wird, gleich ist der Verwaltungsrath da mit Petitionen wegen Zu¬
lassung der Banknoten in den Staatskassen. Es ist ja "im Interesse des Ver¬
kehrs"; da darf eine "Gesellschaft" wohl etwas voraus haben vor dem Einzelnen,
der Besitzende vor dem Capitallosen.

Der Staat ist da und wird angeschrieen bei jeder Gelegenheit, und muß
helfen, auch der Theorie der Privilegienlosigkeit und der freien Concurrenz. Ihr
Princip nun aber lautet, daß der Staat diejenigen Unternehmungen zu den
seinigen machen muß, welche nicht durch freie Concurrenz beliebig zu verviel¬
fältigen sind, sondern, um, ins Leben treten zu können, der besonderen
Dazwischenkunft des Staates bedürfen.

Vergegenwärtigt man sich das Verhältniß an der Post, so begreift sich von
selbst, daß eine allseitige Versorgung des Landes mit Anstalten für die Brief-
bcfördcrung kein Ding ist, das ohne den Staat, rein durch die freie Concurrenz
zu beschaffen sein würde. In einigen sehr verkehrsreichen Gegenden würde es
gehen. Hier würden sich genug Unternehmer aufthun und angestachelt durch
die Furcht zu verlieren, die Hoffnung zu gewinnen, ihre Sache leidlich machen.
In den ärmeren, wenig bevölkerten, abgelegenen Gegenden aber, also namentlich
auf dem Lande, den Dörfern, würde sich niemand finden, der die Vriefbeförde-
rung übernähme, denn berechnet er wenig, so verdient er nichts, berechnet er
viel, so schreibt Keiner Briefe. So ereignet es sich beispielsweise in London,
diesem Eldorado der freien Concurrenz, daß man in den lebhafteren Stadt¬
theilen die Wahl hat zwischen fünf oder sechs Omnibus verschiedener Linien,
und sich nicht retten kann vor den die Concurrenz pflegenden Conducteurs, aber


ist überflüssig zur Blüthe der Gewerbe; er muß blos Schutz leisten und Recht
sprechen. Alles Uebrige thut die Concurrenz. Selbst die Post — so kann man
hören — befindet sich sehr ungebührlich in den Händen des Staates. Private
würden das Alles viel besser machen. Aber, wenn eine Eisenbahn gebaut
werden soll, die voraussichtlich nur schlecht rentirt. wenn eine Dampfschiffahrls-
linie beabsichtigt wird, deren Ertragsfähigkeit man mit Grund bezweifelt, dann
ruft alle Welt nach der Hilfe des Staates, dann muß der Zins des Anlage¬
capitals der Eisenbahn garantirt, der Dampfschiffsverbindung mit Subsidien
in Gestalt von Postzuschüssen :c. geholfen werden. Freie Concurrenz — aber,
wenn eine Gesellschaft eine Eisenbahn bauen will, dann dürfen der Grund-
eigenthümer, der Hausbesitzer und Gartenliebhaber nicht für ihr Grundstück
fordern, was sie wollen und was sie nach der Lage der Dinge bekommen
könnten, sondern sie müssen sich den Ansprüchen der „Gesellschaft" bequemen.
Der Staat, diese überflüssige, nur dem Schutze und der Rechtspflege dienende
Anstalt muß seine Macht einsetzen, um der „Gesellschaft" den Grund und
Boden für ihr Unternehmen hübsch billig zu schaffen. Es ist ja im „Interesse
des Ganzen", daß solches geschieht. Freie Concurrenz! aber, wenn eine Bank
gegründet wird, gleich ist der Verwaltungsrath da mit Petitionen wegen Zu¬
lassung der Banknoten in den Staatskassen. Es ist ja „im Interesse des Ver¬
kehrs"; da darf eine „Gesellschaft" wohl etwas voraus haben vor dem Einzelnen,
der Besitzende vor dem Capitallosen.

Der Staat ist da und wird angeschrieen bei jeder Gelegenheit, und muß
helfen, auch der Theorie der Privilegienlosigkeit und der freien Concurrenz. Ihr
Princip nun aber lautet, daß der Staat diejenigen Unternehmungen zu den
seinigen machen muß, welche nicht durch freie Concurrenz beliebig zu verviel¬
fältigen sind, sondern, um, ins Leben treten zu können, der besonderen
Dazwischenkunft des Staates bedürfen.

Vergegenwärtigt man sich das Verhältniß an der Post, so begreift sich von
selbst, daß eine allseitige Versorgung des Landes mit Anstalten für die Brief-
bcfördcrung kein Ding ist, das ohne den Staat, rein durch die freie Concurrenz
zu beschaffen sein würde. In einigen sehr verkehrsreichen Gegenden würde es
gehen. Hier würden sich genug Unternehmer aufthun und angestachelt durch
die Furcht zu verlieren, die Hoffnung zu gewinnen, ihre Sache leidlich machen.
In den ärmeren, wenig bevölkerten, abgelegenen Gegenden aber, also namentlich
auf dem Lande, den Dörfern, würde sich niemand finden, der die Vriefbeförde-
rung übernähme, denn berechnet er wenig, so verdient er nichts, berechnet er
viel, so schreibt Keiner Briefe. So ereignet es sich beispielsweise in London,
diesem Eldorado der freien Concurrenz, daß man in den lebhafteren Stadt¬
theilen die Wahl hat zwischen fünf oder sechs Omnibus verschiedener Linien,
und sich nicht retten kann vor den die Concurrenz pflegenden Conducteurs, aber


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/90>, abgerufen am 22.07.2024.