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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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Em schwäbischer Diplomat am Hofe der Königin Elisabeth

Der Herzog Friedrich von Würiemberg, Landesherr von 1593 bis 1608,
ist noch kürzlich von einer schwäbischen Feder als ein Regent von ausgezeich¬
neter Gcistesbegabung und außergewöhnlicher Willenskraft gerühmt worden.
Uns andern Deutschen ist er verschollen wie die meisten seines Stammes. Auch
sein Bild lebt nur aus Büchern wieder auf und die unmittelbare Geschichts-
traditivn weiß nichts mehr von ihm. Sie begnügt sich mit den Gestalten eines
Eberhard des Greiner, des verschlagenen und zähen Feindes der Reichsstädte,
eines andem Eberhard des Rauschebards, "der sein Haupt kann sicher legen in
jedes Unterthanen Schoß", was er aber weislich nie versucht hat, eines
Ulrichs, der eigentlich nur durch seinen erhabenen Feind Ulrich von Hütten
über das Niveau eines wüsten Raufboldes und Meuchelmörders gehoben wird,
eines "Karl Herzog", um seine volksmäßige charakteristische Titulatur beizube¬
halten, der gleichfalls eigenilich nur seinem Ringen gegen zwei Giganten,
Friedrich den Großen und Friedrich Schiller, sein frisches Fortleben in der
Nation verdankt, und endlich des "dicken" Königs, den Napoleon einmal mit
seinen beliebten Ehrennamen "ein Mann" beglückt haben soll. Die Ueber¬
setzung dieses französischen Mannesbcgriffes ins echte Deutsch, wie sie der Frei¬
herr vom Stein geliefe>t hat, ist jedenfalls durch Prägnanz und Plastik aus¬
gezeichnet "ein Vitellius an Gestalt, ein Nerv an Gemüth", aber doch der erste
König aus dem Stamm jenes alten Grafen Eberhard, der einst dem biedern
Rudolph von Habsburg das Leben und das Kaiseramt mehr als alle Ottokare
von Böhmen und alle Myriaden von Raubrittern im ganzen heiligen Reiche
sauer gemacht hat. Ohne Zweifel lauter hervorragende Gestalten und des Bor¬
zugs würdig, wirkliche geschichtliche Figuren zu werden, d. h. solche, die nicht
blos in Büchern und bei Buchgelehrtcn oder Lesern ihr Dasein zu fristen ver¬
urtheilt sind, aver alle, vielleicht jenen Eberhard Rauschebart ausgeschlossen, von
mindestens zweideutiger Signatur, ein Gemisch von finstern und glänzenden
Eigenschaften, namentlich von schroff herausgearbeiteter Begehrlichkeit, aber auch
ebenso großer Zähigkeit des Willens, der sich indeß niemals Zielen zuwandte,
die unsrem Bewußtsein als große und edle gelten, ja die nicht einmal nach
dem Maße ihrer Zeit gemessen als damals erlaubte oder gebilligte angesehen
werden dürfen. Denn die Zeitgenossen aller der erwähnten Koryphäen des
Fürstenhauses, das nicht ohne tiefere Symbolik Hirschgeweihe zu dem Schilde


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Em schwäbischer Diplomat am Hofe der Königin Elisabeth

Der Herzog Friedrich von Würiemberg, Landesherr von 1593 bis 1608,
ist noch kürzlich von einer schwäbischen Feder als ein Regent von ausgezeich¬
neter Gcistesbegabung und außergewöhnlicher Willenskraft gerühmt worden.
Uns andern Deutschen ist er verschollen wie die meisten seines Stammes. Auch
sein Bild lebt nur aus Büchern wieder auf und die unmittelbare Geschichts-
traditivn weiß nichts mehr von ihm. Sie begnügt sich mit den Gestalten eines
Eberhard des Greiner, des verschlagenen und zähen Feindes der Reichsstädte,
eines andem Eberhard des Rauschebards, „der sein Haupt kann sicher legen in
jedes Unterthanen Schoß", was er aber weislich nie versucht hat, eines
Ulrichs, der eigentlich nur durch seinen erhabenen Feind Ulrich von Hütten
über das Niveau eines wüsten Raufboldes und Meuchelmörders gehoben wird,
eines „Karl Herzog", um seine volksmäßige charakteristische Titulatur beizube¬
halten, der gleichfalls eigenilich nur seinem Ringen gegen zwei Giganten,
Friedrich den Großen und Friedrich Schiller, sein frisches Fortleben in der
Nation verdankt, und endlich des „dicken" Königs, den Napoleon einmal mit
seinen beliebten Ehrennamen „ein Mann" beglückt haben soll. Die Ueber¬
setzung dieses französischen Mannesbcgriffes ins echte Deutsch, wie sie der Frei¬
herr vom Stein geliefe>t hat, ist jedenfalls durch Prägnanz und Plastik aus¬
gezeichnet „ein Vitellius an Gestalt, ein Nerv an Gemüth", aber doch der erste
König aus dem Stamm jenes alten Grafen Eberhard, der einst dem biedern
Rudolph von Habsburg das Leben und das Kaiseramt mehr als alle Ottokare
von Böhmen und alle Myriaden von Raubrittern im ganzen heiligen Reiche
sauer gemacht hat. Ohne Zweifel lauter hervorragende Gestalten und des Bor¬
zugs würdig, wirkliche geschichtliche Figuren zu werden, d. h. solche, die nicht
blos in Büchern und bei Buchgelehrtcn oder Lesern ihr Dasein zu fristen ver¬
urtheilt sind, aver alle, vielleicht jenen Eberhard Rauschebart ausgeschlossen, von
mindestens zweideutiger Signatur, ein Gemisch von finstern und glänzenden
Eigenschaften, namentlich von schroff herausgearbeiteter Begehrlichkeit, aber auch
ebenso großer Zähigkeit des Willens, der sich indeß niemals Zielen zuwandte,
die unsrem Bewußtsein als große und edle gelten, ja die nicht einmal nach
dem Maße ihrer Zeit gemessen als damals erlaubte oder gebilligte angesehen
werden dürfen. Denn die Zeitgenossen aller der erwähnten Koryphäen des
Fürstenhauses, das nicht ohne tiefere Symbolik Hirschgeweihe zu dem Schilde


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[0007] Em schwäbischer Diplomat am Hofe der Königin Elisabeth Der Herzog Friedrich von Würiemberg, Landesherr von 1593 bis 1608, ist noch kürzlich von einer schwäbischen Feder als ein Regent von ausgezeich¬ neter Gcistesbegabung und außergewöhnlicher Willenskraft gerühmt worden. Uns andern Deutschen ist er verschollen wie die meisten seines Stammes. Auch sein Bild lebt nur aus Büchern wieder auf und die unmittelbare Geschichts- traditivn weiß nichts mehr von ihm. Sie begnügt sich mit den Gestalten eines Eberhard des Greiner, des verschlagenen und zähen Feindes der Reichsstädte, eines andem Eberhard des Rauschebards, „der sein Haupt kann sicher legen in jedes Unterthanen Schoß", was er aber weislich nie versucht hat, eines Ulrichs, der eigentlich nur durch seinen erhabenen Feind Ulrich von Hütten über das Niveau eines wüsten Raufboldes und Meuchelmörders gehoben wird, eines „Karl Herzog", um seine volksmäßige charakteristische Titulatur beizube¬ halten, der gleichfalls eigenilich nur seinem Ringen gegen zwei Giganten, Friedrich den Großen und Friedrich Schiller, sein frisches Fortleben in der Nation verdankt, und endlich des „dicken" Königs, den Napoleon einmal mit seinen beliebten Ehrennamen „ein Mann" beglückt haben soll. Die Ueber¬ setzung dieses französischen Mannesbcgriffes ins echte Deutsch, wie sie der Frei¬ herr vom Stein geliefe>t hat, ist jedenfalls durch Prägnanz und Plastik aus¬ gezeichnet „ein Vitellius an Gestalt, ein Nerv an Gemüth", aber doch der erste König aus dem Stamm jenes alten Grafen Eberhard, der einst dem biedern Rudolph von Habsburg das Leben und das Kaiseramt mehr als alle Ottokare von Böhmen und alle Myriaden von Raubrittern im ganzen heiligen Reiche sauer gemacht hat. Ohne Zweifel lauter hervorragende Gestalten und des Bor¬ zugs würdig, wirkliche geschichtliche Figuren zu werden, d. h. solche, die nicht blos in Büchern und bei Buchgelehrtcn oder Lesern ihr Dasein zu fristen ver¬ urtheilt sind, aver alle, vielleicht jenen Eberhard Rauschebart ausgeschlossen, von mindestens zweideutiger Signatur, ein Gemisch von finstern und glänzenden Eigenschaften, namentlich von schroff herausgearbeiteter Begehrlichkeit, aber auch ebenso großer Zähigkeit des Willens, der sich indeß niemals Zielen zuwandte, die unsrem Bewußtsein als große und edle gelten, ja die nicht einmal nach dem Maße ihrer Zeit gemessen als damals erlaubte oder gebilligte angesehen werden dürfen. Denn die Zeitgenossen aller der erwähnten Koryphäen des Fürstenhauses, das nicht ohne tiefere Symbolik Hirschgeweihe zu dem Schilde 1*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/7>, abgerufen am 22.07.2024.