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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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mischen Grundlage der Throne (fein ausgedrückt für: Schmälerung der
Civilliste) außer den Kreis aller Wahrscheinlichkeit fiele." Doch wozu weiter
abschreiben. Vergleichen Sie Ur. 120 des Beob.ichrers.

Während in den Verhandlungen des Abgeordnetenhauses über die Ver¬
fassung des norddeutschen Bundes von der Opposition die Berechtigung des
politischen Idealismus auf das nachdrücklichste hervorgehoben wurde, werden
Sie finden, daß die süddeutschen Gegner dieser Verfassung sehr realistisch zu
Werke gehn. Sie sagen zu ihren Fürsten ganz unverblümt: vo ut kg,eis,8,
d. h. wenn JKr die von uns befohlene Richtung der Politik einschlagt, dann
werden wir Euch die ökonomische Grundlage Eurer Throne garantiren, ja wir
werden Euch sogar unser Ideal, die Republik, "vorläufig" opfern; auf wie
lange -- das wird sich finden. Es ist die Melodie der Sanfedisten:


"Auch sei der König absolut,
Wenn er uns den Willen thut!"

Sie erinnern Sich ohne Zweifel ans Immermanns Münchhausen der kost¬
baren Figur des schwäbischen Bedienten Karl Buttervogel, der in seiner Heimath
eine Geliebte, Namens Riecke zurückgelassen hat, nicht ohne ihr ewige Treue zu
schwören, und der nun. durch das Schicksal auf das baufällige Schloß des alten
Barons verschlagen', dort der Gegenstand der Neigung des gnädigen Fräuleins
wird, welche in ihm einen verkappten Fürsten vermuthet. Lange widersteht er,
"furchtlos und treu", wie es im würtembergschen Wappen heißt, den Gunst¬
bezeigungen des gnädigen Fräulein, als dieselben aber schließlich die Form von
Fleisch und Wurst annehmen, da siegt leider die Eßlust über die Liebe und
Karl Buttervogel, der als gebildeter Diener ein Tagebuch führt, trägt in das-
sell'e die wohl überlegten Worte ein: "Hab' mich nun endlich risalvirt (resol-
virt). Riecken zu lieben und gnädiges Fräulein zu heirathen, wenn und woferne
fernerweite gute Verköstigung zugesichert wird." So wurde der Idealismus der
Republik, der sich in Riecke verkörperte, im Stich gelassen, nicht ohne sorgfäl¬
tige realistische Abwägung aller Umstände.

Und wie die Demokratie des Südens für das Kleinfürstenthum und hohe
Civillisten schwärmt, so schwärmen das Beamtenthum und der Klerus, welche
bisher jede liberale Regung und jede Reform verdammten und nichts Höheres
kannten als das Concordat und die Allweisheit der bureaukratischen Viel-
rcgiererei, nun für republikanische Staatsformen, für Selbstregierung, für das
Eelbstbestimmungsrecht der Völker und für Wiedereinsetzung der Dcpossedirten
vermittelst des allgemeinen Stimmrechts, müßte dasselbe auch vorher ein wenig
angeregt werden durch eine Stimmgabel, die in der Tasche einer rothen Hose
imponirt wird. Es ist lustig zu hören, wie Leute, welche bisher zu den eifrig¬
sten Verfechtern der Theorie des beschränkten Untcrthanenverstandes gehörten,
welche tausendmal erklärt haben, wer nicht die zünftigen Universitätsstudien


mischen Grundlage der Throne (fein ausgedrückt für: Schmälerung der
Civilliste) außer den Kreis aller Wahrscheinlichkeit fiele." Doch wozu weiter
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Während in den Verhandlungen des Abgeordnetenhauses über die Ver¬
fassung des norddeutschen Bundes von der Opposition die Berechtigung des
politischen Idealismus auf das nachdrücklichste hervorgehoben wurde, werden
Sie finden, daß die süddeutschen Gegner dieser Verfassung sehr realistisch zu
Werke gehn. Sie sagen zu ihren Fürsten ganz unverblümt: vo ut kg,eis,8,
d. h. wenn JKr die von uns befohlene Richtung der Politik einschlagt, dann
werden wir Euch die ökonomische Grundlage Eurer Throne garantiren, ja wir
werden Euch sogar unser Ideal, die Republik, „vorläufig" opfern; auf wie
lange — das wird sich finden. Es ist die Melodie der Sanfedisten:


„Auch sei der König absolut,
Wenn er uns den Willen thut!"

Sie erinnern Sich ohne Zweifel ans Immermanns Münchhausen der kost¬
baren Figur des schwäbischen Bedienten Karl Buttervogel, der in seiner Heimath
eine Geliebte, Namens Riecke zurückgelassen hat, nicht ohne ihr ewige Treue zu
schwören, und der nun. durch das Schicksal auf das baufällige Schloß des alten
Barons verschlagen', dort der Gegenstand der Neigung des gnädigen Fräuleins
wird, welche in ihm einen verkappten Fürsten vermuthet. Lange widersteht er,
„furchtlos und treu", wie es im würtembergschen Wappen heißt, den Gunst¬
bezeigungen des gnädigen Fräulein, als dieselben aber schließlich die Form von
Fleisch und Wurst annehmen, da siegt leider die Eßlust über die Liebe und
Karl Buttervogel, der als gebildeter Diener ein Tagebuch führt, trägt in das-
sell'e die wohl überlegten Worte ein: „Hab' mich nun endlich risalvirt (resol-
virt). Riecken zu lieben und gnädiges Fräulein zu heirathen, wenn und woferne
fernerweite gute Verköstigung zugesichert wird." So wurde der Idealismus der
Republik, der sich in Riecke verkörperte, im Stich gelassen, nicht ohne sorgfäl¬
tige realistische Abwägung aller Umstände.

Und wie die Demokratie des Südens für das Kleinfürstenthum und hohe
Civillisten schwärmt, so schwärmen das Beamtenthum und der Klerus, welche
bisher jede liberale Regung und jede Reform verdammten und nichts Höheres
kannten als das Concordat und die Allweisheit der bureaukratischen Viel-
rcgiererei, nun für republikanische Staatsformen, für Selbstregierung, für das
Eelbstbestimmungsrecht der Völker und für Wiedereinsetzung der Dcpossedirten
vermittelst des allgemeinen Stimmrechts, müßte dasselbe auch vorher ein wenig
angeregt werden durch eine Stimmgabel, die in der Tasche einer rothen Hose
imponirt wird. Es ist lustig zu hören, wie Leute, welche bisher zu den eifrig¬
sten Verfechtern der Theorie des beschränkten Untcrthanenverstandes gehörten,
welche tausendmal erklärt haben, wer nicht die zünftigen Universitätsstudien


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/516>, abgerufen am 24.08.2024.