Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

überein. wie wird man daran denken, ihm die Mittel dazu zu verweigern?
Die Executive muß sich wenigstens in den deutschen Provinzen freier bewegen,
zumal sie auch die Deutschen gegen slawische llebergriffe dann besser sichert, in
der Ausführung der Pläne, welche die Interessen des Gesammtreiches fördern,
nicht eingeengt werden. Eine Sonderregierung für die Länder diesseits der
Leitha. mit den gleichen Prärogativen ausgestattet wie das ungarische Ministe-
rium. wäre vorn Uebel, ein Reichsrath mit so großen Rechten bedacht wie das
ungarische Parlament, ein Hemmschuh für die Macht Oestreichs. Bleiben doch
Wien und die altöstreichischen Provinzen der wahre Mittelpunkt des Reiches,
werden doch von hier aus zu der Richtung, welche der Gesammtstaat einschlägt,
die wichtigsten Impulse gegeben. Da ziemt es sich denn, daß die Regierung
dieser Länder zu der Reichsregierung in enger, stets befreundeter Beziehung be-
harre, auf die Interessen des Reiches der Hauptnachdruck gegeben werde. Kein
Sonderministerium für Deutschöstreich, oder wenn doch ein solches geschaffen
werden muß, eine beschränkte Wirksamkeit für dasselbe; keine Concentration
von Rechten im Reichstage, sondern liberale Ausstattung der gemeinsamen
Delegationen in denselben. Freilich wird die Delegirtenversammlung. von deren
Natur noch niemand einen klaren Begriff hat, sich schwerfällig bewegen, wird
Ungarn nur ungern dieselbe beschicken, ihre Wirksamkeit einschränken; um so
dringender ist dann nun die Pflicht der Deutschöstreicher, an diesem letzten
Bande der Staatseinheit festzuhalten.

Wie man sich in Regierungskreisen dann die Bewegung der Staatsma¬
schine denkt, kann man bereits durch einzelne praktische Beispiele erläutern. Der
Kriegsminister, Freiherr v. John, beschleunigt auf den Befehl des Monarchen
die Befestigung von Wien. Da er gleichzeitig General ist, muß er dem
kaiserlichen Befehle unbedingt gehorchen und die für die Arbeiten nöthigen
Gelder austreiben, obwohl er zu dieser Ausgabe durch kein Gesetz ermächtigt
ist. Aufgefordert, dem wiener Reichstage Rede zu stehen, weist er auf den
Umstand hin, daß ja die Befestigung Wiens eine gemeinsame Reichsangelegen¬
heit sei. zur Competenz des wiener Sonderparlamentes nicht gehöre. Er ist
dabei sicher, daß im Schoße des ungarischen Parlaments keine Einwendung
gegen das Werk erhoben wird, da es nicht aus dem ungarischen Seckel be¬
zahlt wird.

Der östreichische Finanzminister, Hr. v. Becke, hat durch die Emission der
Staatsnoten den Bertrag mit der östreichischen Nationalbank gebrochen. Diese
will den Finanzminister verklagen, dringt auf Herstellung des Rechtszustandes,
verlangt Schadenersatz. Nichts ist nach dem Wortlaute des Vertrages klarer,
als daß nur die Nationalbank das Privilegium der Notenausgabe besitzt, die
Emission der Staatsnoten, die kein Ende nimmt, die Nationalbank in ihrer
Existenz bedroht. Wieder fehlt aber das competente Organ, um die Entschei-


überein. wie wird man daran denken, ihm die Mittel dazu zu verweigern?
Die Executive muß sich wenigstens in den deutschen Provinzen freier bewegen,
zumal sie auch die Deutschen gegen slawische llebergriffe dann besser sichert, in
der Ausführung der Pläne, welche die Interessen des Gesammtreiches fördern,
nicht eingeengt werden. Eine Sonderregierung für die Länder diesseits der
Leitha. mit den gleichen Prärogativen ausgestattet wie das ungarische Ministe-
rium. wäre vorn Uebel, ein Reichsrath mit so großen Rechten bedacht wie das
ungarische Parlament, ein Hemmschuh für die Macht Oestreichs. Bleiben doch
Wien und die altöstreichischen Provinzen der wahre Mittelpunkt des Reiches,
werden doch von hier aus zu der Richtung, welche der Gesammtstaat einschlägt,
die wichtigsten Impulse gegeben. Da ziemt es sich denn, daß die Regierung
dieser Länder zu der Reichsregierung in enger, stets befreundeter Beziehung be-
harre, auf die Interessen des Reiches der Hauptnachdruck gegeben werde. Kein
Sonderministerium für Deutschöstreich, oder wenn doch ein solches geschaffen
werden muß, eine beschränkte Wirksamkeit für dasselbe; keine Concentration
von Rechten im Reichstage, sondern liberale Ausstattung der gemeinsamen
Delegationen in denselben. Freilich wird die Delegirtenversammlung. von deren
Natur noch niemand einen klaren Begriff hat, sich schwerfällig bewegen, wird
Ungarn nur ungern dieselbe beschicken, ihre Wirksamkeit einschränken; um so
dringender ist dann nun die Pflicht der Deutschöstreicher, an diesem letzten
Bande der Staatseinheit festzuhalten.

Wie man sich in Regierungskreisen dann die Bewegung der Staatsma¬
schine denkt, kann man bereits durch einzelne praktische Beispiele erläutern. Der
Kriegsminister, Freiherr v. John, beschleunigt auf den Befehl des Monarchen
die Befestigung von Wien. Da er gleichzeitig General ist, muß er dem
kaiserlichen Befehle unbedingt gehorchen und die für die Arbeiten nöthigen
Gelder austreiben, obwohl er zu dieser Ausgabe durch kein Gesetz ermächtigt
ist. Aufgefordert, dem wiener Reichstage Rede zu stehen, weist er auf den
Umstand hin, daß ja die Befestigung Wiens eine gemeinsame Reichsangelegen¬
heit sei. zur Competenz des wiener Sonderparlamentes nicht gehöre. Er ist
dabei sicher, daß im Schoße des ungarischen Parlaments keine Einwendung
gegen das Werk erhoben wird, da es nicht aus dem ungarischen Seckel be¬
zahlt wird.

Der östreichische Finanzminister, Hr. v. Becke, hat durch die Emission der
Staatsnoten den Bertrag mit der östreichischen Nationalbank gebrochen. Diese
will den Finanzminister verklagen, dringt auf Herstellung des Rechtszustandes,
verlangt Schadenersatz. Nichts ist nach dem Wortlaute des Vertrages klarer,
als daß nur die Nationalbank das Privilegium der Notenausgabe besitzt, die
Emission der Staatsnoten, die kein Ende nimmt, die Nationalbank in ihrer
Existenz bedroht. Wieder fehlt aber das competente Organ, um die Entschei-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0495" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191189"/>
            <p xml:id="ID_1598" prev="#ID_1597"> überein. wie wird man daran denken, ihm die Mittel dazu zu verweigern?<lb/>
Die Executive muß sich wenigstens in den deutschen Provinzen freier bewegen,<lb/>
zumal sie auch die Deutschen gegen slawische llebergriffe dann besser sichert, in<lb/>
der Ausführung der Pläne, welche die Interessen des Gesammtreiches fördern,<lb/>
nicht eingeengt werden. Eine Sonderregierung für die Länder diesseits der<lb/>
Leitha. mit den gleichen Prärogativen ausgestattet wie das ungarische Ministe-<lb/>
rium. wäre vorn Uebel, ein Reichsrath mit so großen Rechten bedacht wie das<lb/>
ungarische Parlament, ein Hemmschuh für die Macht Oestreichs. Bleiben doch<lb/>
Wien und die altöstreichischen Provinzen der wahre Mittelpunkt des Reiches,<lb/>
werden doch von hier aus zu der Richtung, welche der Gesammtstaat einschlägt,<lb/>
die wichtigsten Impulse gegeben. Da ziemt es sich denn, daß die Regierung<lb/>
dieser Länder zu der Reichsregierung in enger, stets befreundeter Beziehung be-<lb/>
harre, auf die Interessen des Reiches der Hauptnachdruck gegeben werde. Kein<lb/>
Sonderministerium für Deutschöstreich, oder wenn doch ein solches geschaffen<lb/>
werden muß, eine beschränkte Wirksamkeit für dasselbe; keine Concentration<lb/>
von Rechten im Reichstage, sondern liberale Ausstattung der gemeinsamen<lb/>
Delegationen in denselben. Freilich wird die Delegirtenversammlung. von deren<lb/>
Natur noch niemand einen klaren Begriff hat, sich schwerfällig bewegen, wird<lb/>
Ungarn nur ungern dieselbe beschicken, ihre Wirksamkeit einschränken; um so<lb/>
dringender ist dann nun die Pflicht der Deutschöstreicher, an diesem letzten<lb/>
Bande der Staatseinheit festzuhalten.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1599"> Wie man sich in Regierungskreisen dann die Bewegung der Staatsma¬<lb/>
schine denkt, kann man bereits durch einzelne praktische Beispiele erläutern. Der<lb/>
Kriegsminister, Freiherr v. John, beschleunigt auf den Befehl des Monarchen<lb/>
die Befestigung von Wien. Da er gleichzeitig General ist, muß er dem<lb/>
kaiserlichen Befehle unbedingt gehorchen und die für die Arbeiten nöthigen<lb/>
Gelder austreiben, obwohl er zu dieser Ausgabe durch kein Gesetz ermächtigt<lb/>
ist. Aufgefordert, dem wiener Reichstage Rede zu stehen, weist er auf den<lb/>
Umstand hin, daß ja die Befestigung Wiens eine gemeinsame Reichsangelegen¬<lb/>
heit sei. zur Competenz des wiener Sonderparlamentes nicht gehöre. Er ist<lb/>
dabei sicher, daß im Schoße des ungarischen Parlaments keine Einwendung<lb/>
gegen das Werk erhoben wird, da es nicht aus dem ungarischen Seckel be¬<lb/>
zahlt wird.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1600" next="#ID_1601"> Der östreichische Finanzminister, Hr. v. Becke, hat durch die Emission der<lb/>
Staatsnoten den Bertrag mit der östreichischen Nationalbank gebrochen. Diese<lb/>
will den Finanzminister verklagen, dringt auf Herstellung des Rechtszustandes,<lb/>
verlangt Schadenersatz. Nichts ist nach dem Wortlaute des Vertrages klarer,<lb/>
als daß nur die Nationalbank das Privilegium der Notenausgabe besitzt, die<lb/>
Emission der Staatsnoten, die kein Ende nimmt, die Nationalbank in ihrer<lb/>
Existenz bedroht. Wieder fehlt aber das competente Organ, um die Entschei-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0495] überein. wie wird man daran denken, ihm die Mittel dazu zu verweigern? Die Executive muß sich wenigstens in den deutschen Provinzen freier bewegen, zumal sie auch die Deutschen gegen slawische llebergriffe dann besser sichert, in der Ausführung der Pläne, welche die Interessen des Gesammtreiches fördern, nicht eingeengt werden. Eine Sonderregierung für die Länder diesseits der Leitha. mit den gleichen Prärogativen ausgestattet wie das ungarische Ministe- rium. wäre vorn Uebel, ein Reichsrath mit so großen Rechten bedacht wie das ungarische Parlament, ein Hemmschuh für die Macht Oestreichs. Bleiben doch Wien und die altöstreichischen Provinzen der wahre Mittelpunkt des Reiches, werden doch von hier aus zu der Richtung, welche der Gesammtstaat einschlägt, die wichtigsten Impulse gegeben. Da ziemt es sich denn, daß die Regierung dieser Länder zu der Reichsregierung in enger, stets befreundeter Beziehung be- harre, auf die Interessen des Reiches der Hauptnachdruck gegeben werde. Kein Sonderministerium für Deutschöstreich, oder wenn doch ein solches geschaffen werden muß, eine beschränkte Wirksamkeit für dasselbe; keine Concentration von Rechten im Reichstage, sondern liberale Ausstattung der gemeinsamen Delegationen in denselben. Freilich wird die Delegirtenversammlung. von deren Natur noch niemand einen klaren Begriff hat, sich schwerfällig bewegen, wird Ungarn nur ungern dieselbe beschicken, ihre Wirksamkeit einschränken; um so dringender ist dann nun die Pflicht der Deutschöstreicher, an diesem letzten Bande der Staatseinheit festzuhalten. Wie man sich in Regierungskreisen dann die Bewegung der Staatsma¬ schine denkt, kann man bereits durch einzelne praktische Beispiele erläutern. Der Kriegsminister, Freiherr v. John, beschleunigt auf den Befehl des Monarchen die Befestigung von Wien. Da er gleichzeitig General ist, muß er dem kaiserlichen Befehle unbedingt gehorchen und die für die Arbeiten nöthigen Gelder austreiben, obwohl er zu dieser Ausgabe durch kein Gesetz ermächtigt ist. Aufgefordert, dem wiener Reichstage Rede zu stehen, weist er auf den Umstand hin, daß ja die Befestigung Wiens eine gemeinsame Reichsangelegen¬ heit sei. zur Competenz des wiener Sonderparlamentes nicht gehöre. Er ist dabei sicher, daß im Schoße des ungarischen Parlaments keine Einwendung gegen das Werk erhoben wird, da es nicht aus dem ungarischen Seckel be¬ zahlt wird. Der östreichische Finanzminister, Hr. v. Becke, hat durch die Emission der Staatsnoten den Bertrag mit der östreichischen Nationalbank gebrochen. Diese will den Finanzminister verklagen, dringt auf Herstellung des Rechtszustandes, verlangt Schadenersatz. Nichts ist nach dem Wortlaute des Vertrages klarer, als daß nur die Nationalbank das Privilegium der Notenausgabe besitzt, die Emission der Staatsnoten, die kein Ende nimmt, die Nationalbank in ihrer Existenz bedroht. Wieder fehlt aber das competente Organ, um die Entschei-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/495
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/495>, abgerufen am 01.10.2024.