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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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liebes Gesetz enthält allgemeine Rechtsregeln und Normen, der Etat ist eine
Ermächtigung zu gewissen Einnahmen und Ausgaben während des Jahres, mit¬
hin keine Aufstellung von Regeln, sondern ein bloßer einzelner Rechtsact und
zwar ein Act der Finanzverwaltung; die Form des "Gesetzes" ist also durchaus
nicht die dem Inhalt des Etats gemäße.

Was nun hier von der preußischen Verfassung gesagt ist, gilt ebenso für
jede andere, die den Etat einfach durch ein "Gesetz" feststellen läßt, ohne in
der Art, wie der Inhalt des Gesetzes zu, Stande kommt, einen
Unterschied zwischen diesem und anderen Gesetzen zu machen.

Ein solcher Unterschied besteht nun nach der englischen Verfassung und
zwar dergestalt:

Der Inhalt aller Finanzgesetze, die Bewilligung von Einnahmen und Aus¬
gaben, geht rein vom Unterhause aus, nicht, wie z. B, in Preußen, von den
drei Factoren -- das Unterhaus ist der Gebende, die Regierung der Bedürftige
und Empfangende, der also, da Etwas besser ist als nichts, nehmen muß, was
man ihm bietet. Jener Inhalt wird dann in die Form von Gesetzen gegossen
und diese kann sowohl das Oberhaus als die Krone en dive verwerfen, sie be¬
dürfen der Genehmigung en divo des Oberhauses und der Sanction des Mon¬
archen. Allein erstens ist die Verwerfung von Finanzgcsetzen durch das Ober¬
haus eine außerordentliche Seltenheit und eine Verwerfung Seitens der Krone
kommt gar nicht mehr vor; zweitens, und dies ist die Hauptsache, ist
es in England durch die geschäftliche Behandlung der Sache vollkommen et^r.
daß die Gesetzesform eben nur die Form für den vom Unterhaus zu
bestimmende" Inhalt ist, eine Form, welche dadurch motivirt ist, daß man
es dem konstitutionellen (Zeremoniell nicht gemäß fand, Beschlüsse des Unterhauses
allein, dem doch nicht die Souverainetät zusteht, eine Rcchtcwirkung nach Außen
hervorbringen zu lassen.

Man wird vielleicht einwenden, dies sei eine Subtilität, kein praktischer
Unterschied gegen die Einrichtung, wie sie z. B. nach der preußischen Verfassung
besteht, denn der Erfolg sei doch schließlich derselbe wie bei uns. Krone und
Oberhaus könnten die vom Unterhaus angenommenen Finanzgesetze im Ganzen
irr wtmitum verwerfen, wenn ihnen ein einzelner Posten nicht genehm sei.

Letzteres ist richtig, es macht aber gleichwohl juristisch und politisch einen
wesentlichen Unterschied: ob die Bewilligung der Einnahmen und Ausgaben
von vornherein Sacke der drei Factoren ist (preußischer Zustand), oder nur Sache
des Unterhauses, wogegen den anderen Factoren ein blos nachträgliches, durch
rein formelle Rücksichten motivirtes Genehmigungs- resp. Verwerfungsrecht zu¬
steht (englischer Zustand). Denn wenn sich die Regierung mit dem Unterhause
nicht sachlich verständigen kann und also das Finanzgesetz nicht zu Stande
kommt, so liegt im ersten Falle ti" Sache so. daß die Regierung formell und


liebes Gesetz enthält allgemeine Rechtsregeln und Normen, der Etat ist eine
Ermächtigung zu gewissen Einnahmen und Ausgaben während des Jahres, mit¬
hin keine Aufstellung von Regeln, sondern ein bloßer einzelner Rechtsact und
zwar ein Act der Finanzverwaltung; die Form des „Gesetzes" ist also durchaus
nicht die dem Inhalt des Etats gemäße.

Was nun hier von der preußischen Verfassung gesagt ist, gilt ebenso für
jede andere, die den Etat einfach durch ein „Gesetz" feststellen läßt, ohne in
der Art, wie der Inhalt des Gesetzes zu, Stande kommt, einen
Unterschied zwischen diesem und anderen Gesetzen zu machen.

Ein solcher Unterschied besteht nun nach der englischen Verfassung und
zwar dergestalt:

Der Inhalt aller Finanzgesetze, die Bewilligung von Einnahmen und Aus¬
gaben, geht rein vom Unterhause aus, nicht, wie z. B, in Preußen, von den
drei Factoren — das Unterhaus ist der Gebende, die Regierung der Bedürftige
und Empfangende, der also, da Etwas besser ist als nichts, nehmen muß, was
man ihm bietet. Jener Inhalt wird dann in die Form von Gesetzen gegossen
und diese kann sowohl das Oberhaus als die Krone en dive verwerfen, sie be¬
dürfen der Genehmigung en divo des Oberhauses und der Sanction des Mon¬
archen. Allein erstens ist die Verwerfung von Finanzgcsetzen durch das Ober¬
haus eine außerordentliche Seltenheit und eine Verwerfung Seitens der Krone
kommt gar nicht mehr vor; zweitens, und dies ist die Hauptsache, ist
es in England durch die geschäftliche Behandlung der Sache vollkommen et^r.
daß die Gesetzesform eben nur die Form für den vom Unterhaus zu
bestimmende» Inhalt ist, eine Form, welche dadurch motivirt ist, daß man
es dem konstitutionellen (Zeremoniell nicht gemäß fand, Beschlüsse des Unterhauses
allein, dem doch nicht die Souverainetät zusteht, eine Rcchtcwirkung nach Außen
hervorbringen zu lassen.

Man wird vielleicht einwenden, dies sei eine Subtilität, kein praktischer
Unterschied gegen die Einrichtung, wie sie z. B. nach der preußischen Verfassung
besteht, denn der Erfolg sei doch schließlich derselbe wie bei uns. Krone und
Oberhaus könnten die vom Unterhaus angenommenen Finanzgesetze im Ganzen
irr wtmitum verwerfen, wenn ihnen ein einzelner Posten nicht genehm sei.

Letzteres ist richtig, es macht aber gleichwohl juristisch und politisch einen
wesentlichen Unterschied: ob die Bewilligung der Einnahmen und Ausgaben
von vornherein Sacke der drei Factoren ist (preußischer Zustand), oder nur Sache
des Unterhauses, wogegen den anderen Factoren ein blos nachträgliches, durch
rein formelle Rücksichten motivirtes Genehmigungs- resp. Verwerfungsrecht zu¬
steht (englischer Zustand). Denn wenn sich die Regierung mit dem Unterhause
nicht sachlich verständigen kann und also das Finanzgesetz nicht zu Stande
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[0049] liebes Gesetz enthält allgemeine Rechtsregeln und Normen, der Etat ist eine Ermächtigung zu gewissen Einnahmen und Ausgaben während des Jahres, mit¬ hin keine Aufstellung von Regeln, sondern ein bloßer einzelner Rechtsact und zwar ein Act der Finanzverwaltung; die Form des „Gesetzes" ist also durchaus nicht die dem Inhalt des Etats gemäße. Was nun hier von der preußischen Verfassung gesagt ist, gilt ebenso für jede andere, die den Etat einfach durch ein „Gesetz" feststellen läßt, ohne in der Art, wie der Inhalt des Gesetzes zu, Stande kommt, einen Unterschied zwischen diesem und anderen Gesetzen zu machen. Ein solcher Unterschied besteht nun nach der englischen Verfassung und zwar dergestalt: Der Inhalt aller Finanzgesetze, die Bewilligung von Einnahmen und Aus¬ gaben, geht rein vom Unterhause aus, nicht, wie z. B, in Preußen, von den drei Factoren — das Unterhaus ist der Gebende, die Regierung der Bedürftige und Empfangende, der also, da Etwas besser ist als nichts, nehmen muß, was man ihm bietet. Jener Inhalt wird dann in die Form von Gesetzen gegossen und diese kann sowohl das Oberhaus als die Krone en dive verwerfen, sie be¬ dürfen der Genehmigung en divo des Oberhauses und der Sanction des Mon¬ archen. Allein erstens ist die Verwerfung von Finanzgcsetzen durch das Ober¬ haus eine außerordentliche Seltenheit und eine Verwerfung Seitens der Krone kommt gar nicht mehr vor; zweitens, und dies ist die Hauptsache, ist es in England durch die geschäftliche Behandlung der Sache vollkommen et^r. daß die Gesetzesform eben nur die Form für den vom Unterhaus zu bestimmende» Inhalt ist, eine Form, welche dadurch motivirt ist, daß man es dem konstitutionellen (Zeremoniell nicht gemäß fand, Beschlüsse des Unterhauses allein, dem doch nicht die Souverainetät zusteht, eine Rcchtcwirkung nach Außen hervorbringen zu lassen. Man wird vielleicht einwenden, dies sei eine Subtilität, kein praktischer Unterschied gegen die Einrichtung, wie sie z. B. nach der preußischen Verfassung besteht, denn der Erfolg sei doch schließlich derselbe wie bei uns. Krone und Oberhaus könnten die vom Unterhaus angenommenen Finanzgesetze im Ganzen irr wtmitum verwerfen, wenn ihnen ein einzelner Posten nicht genehm sei. Letzteres ist richtig, es macht aber gleichwohl juristisch und politisch einen wesentlichen Unterschied: ob die Bewilligung der Einnahmen und Ausgaben von vornherein Sacke der drei Factoren ist (preußischer Zustand), oder nur Sache des Unterhauses, wogegen den anderen Factoren ein blos nachträgliches, durch rein formelle Rücksichten motivirtes Genehmigungs- resp. Verwerfungsrecht zu¬ steht (englischer Zustand). Denn wenn sich die Regierung mit dem Unterhause nicht sachlich verständigen kann und also das Finanzgesetz nicht zu Stande kommt, so liegt im ersten Falle ti« Sache so. daß die Regierung formell und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/49>, abgerufen am 22.07.2024.