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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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jenen Freudenruf in der Rheinischen Zeitung las, mir obgemeldete frestsche Rede
einfiel. Nach dem Lobspruch der "Rheinischen Zeitung" gehörten Schulze-Delitsch,
Franz Duncker. Ziegler und Waldeck zu den Gerechten, welche man nun ge¬
reinigt hat. Nach jener berühmten Rede von Frankfurt aber gehörten Schulze-
Delitsch, Franz Duncker, Ziegler und Waldeck selber zu dem Schmutz, von
welchem man den Gerechten, d. h. Herrn Dr. Johann Jacobi gereinigt hatte.
Und doch gehören die Rheinische Zeitung und der Dr. Frese alle beide zu der
Fortschrittspartei der "Allerentschicdensten".

Ebenso war es auf van verfassunggebenden Reichstag vom März und April
1866. Da gehörten z. B. Waldeck und Schrader zu derselben Partei der "ent¬
schiedenen" Linken; -- der Geheime Obertribunalrath Waldeck von Berlin, der
in vollkommen folgerichtiger Weise nach dem streng constitutionellen Einheits¬
staat strebt und deshalb vom Bundesstaat nichts wissen will, die Annectirung
von Schleswig'Holsicin ebensogut wie die von Hannover, Kurhessen. Frankfurt
und Nassau mit Freuden begrüßt und dem Ministerium keinen Vorwurf macht,
daß es nichts noch mehr annectirt habe -- und der Pastor Schrader von Kiel,
der den waldeckschen Einheitsstaat detestirt und für den Bundesstaat schwärmt,
sowie für die Reichsverfassung von 1849. welche zwar in socialer und wirth¬
schaftlicher Beziehung unnöthiger und gemeinschädlicher Weise uniformirt und
nivellirt. dagegen in politischen Dingen, z. B. in Concentrirung der deutschen
Wehrkraft weit hinter bescheidenen und gerechtfertigten Erwartungen zurückbleibt.

Ich hoffe, Sie werden mir die Bemerkung gestatten, daß auch Sie, hoch¬
verehrter Herr, trotzdem, daß Sie und Herr Waldeck einer und derselben Partei
angehören und in Betreff der Verfassung des norddeutschen Bundes einen und
denselben Protest unterzeichnet haben, in dem, was man die deutsche Frage
nennt, sobald es sich nicht um bloße Negetationcn, sondern um die positive
Seite der Sache handelt, dem Rundschauer der Kreuzzeitung weit näher stehen,
als Herrn Waldeck, der nicht nur im Abgeordnetenhause, sondern auch im
Reichstag die Nothwendigkeit der bereits vollzogenen nicht nur, sondern auch
weiterer Annectirungen mit jener jugendlichen Frische und Wärme vertheidigt
hat. die diesem zähen Sohne der rothen Erde eigenthümlich ist. Sie dagegen,
hochverehrter Herr, haben sich, wenn ich nicht irre, sowohl früher, als auch bei
der Discussion der norddeutschen Verfassung, stets auf dem Standpunkte des
Herrn Schrader behauptet, wie das auch von einem Manne mit Ihrer außer¬
ordentlichen Consequenz gar nicht anders zu erwarten war. Noch in der Sitzung
vom 6. Mai 1867 haben Sie sich den Titel "eines der ältesten Kämpfer für
den Rechtsstaat in Preußen" aus eigner Machtvollkommenheit beigelegt und auf
Grund dieses Titels die nationale Macht und Ehre, wie wir Andern sie ver¬
stehen und meinen, für "in Trugbild erklärt, gegen die "gewaltsame Aneig¬
nung deutschen Bundesgebiets durch Preußen" protestirt und behauptet, Ihr"


jenen Freudenruf in der Rheinischen Zeitung las, mir obgemeldete frestsche Rede
einfiel. Nach dem Lobspruch der „Rheinischen Zeitung" gehörten Schulze-Delitsch,
Franz Duncker. Ziegler und Waldeck zu den Gerechten, welche man nun ge¬
reinigt hat. Nach jener berühmten Rede von Frankfurt aber gehörten Schulze-
Delitsch, Franz Duncker, Ziegler und Waldeck selber zu dem Schmutz, von
welchem man den Gerechten, d. h. Herrn Dr. Johann Jacobi gereinigt hatte.
Und doch gehören die Rheinische Zeitung und der Dr. Frese alle beide zu der
Fortschrittspartei der „Allerentschicdensten".

Ebenso war es auf van verfassunggebenden Reichstag vom März und April
1866. Da gehörten z. B. Waldeck und Schrader zu derselben Partei der „ent¬
schiedenen" Linken; — der Geheime Obertribunalrath Waldeck von Berlin, der
in vollkommen folgerichtiger Weise nach dem streng constitutionellen Einheits¬
staat strebt und deshalb vom Bundesstaat nichts wissen will, die Annectirung
von Schleswig'Holsicin ebensogut wie die von Hannover, Kurhessen. Frankfurt
und Nassau mit Freuden begrüßt und dem Ministerium keinen Vorwurf macht,
daß es nichts noch mehr annectirt habe — und der Pastor Schrader von Kiel,
der den waldeckschen Einheitsstaat detestirt und für den Bundesstaat schwärmt,
sowie für die Reichsverfassung von 1849. welche zwar in socialer und wirth¬
schaftlicher Beziehung unnöthiger und gemeinschädlicher Weise uniformirt und
nivellirt. dagegen in politischen Dingen, z. B. in Concentrirung der deutschen
Wehrkraft weit hinter bescheidenen und gerechtfertigten Erwartungen zurückbleibt.

Ich hoffe, Sie werden mir die Bemerkung gestatten, daß auch Sie, hoch¬
verehrter Herr, trotzdem, daß Sie und Herr Waldeck einer und derselben Partei
angehören und in Betreff der Verfassung des norddeutschen Bundes einen und
denselben Protest unterzeichnet haben, in dem, was man die deutsche Frage
nennt, sobald es sich nicht um bloße Negetationcn, sondern um die positive
Seite der Sache handelt, dem Rundschauer der Kreuzzeitung weit näher stehen,
als Herrn Waldeck, der nicht nur im Abgeordnetenhause, sondern auch im
Reichstag die Nothwendigkeit der bereits vollzogenen nicht nur, sondern auch
weiterer Annectirungen mit jener jugendlichen Frische und Wärme vertheidigt
hat. die diesem zähen Sohne der rothen Erde eigenthümlich ist. Sie dagegen,
hochverehrter Herr, haben sich, wenn ich nicht irre, sowohl früher, als auch bei
der Discussion der norddeutschen Verfassung, stets auf dem Standpunkte des
Herrn Schrader behauptet, wie das auch von einem Manne mit Ihrer außer¬
ordentlichen Consequenz gar nicht anders zu erwarten war. Noch in der Sitzung
vom 6. Mai 1867 haben Sie sich den Titel „eines der ältesten Kämpfer für
den Rechtsstaat in Preußen" aus eigner Machtvollkommenheit beigelegt und auf
Grund dieses Titels die nationale Macht und Ehre, wie wir Andern sie ver¬
stehen und meinen, für «in Trugbild erklärt, gegen die „gewaltsame Aneig¬
nung deutschen Bundesgebiets durch Preußen" protestirt und behauptet, Ihr«


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/472>, abgerufen am 22.07.2024.