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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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Welche Sie ein volles Menschenalter hindurch Freunde und Waffengefährten
genannt haben? Ist es Recht, daß Männer wie Tochter, Unruh, Hennig und
Forkenbeck von einem liberalen Blatte in jenem frivolen Stil tractirt werden,
den man sich sonst nur in seichtem Feuilleton gegenüber einer zweideutigen
Soubrette oder einer unzweideutigen Ballerina gefallen ließ?

Die Nationalliberalen haben Grund, sich darüber auszusprechen, daß,
während sie als rechter Flügel der liberalen Partei marschiren, der linke Flügel
derselben aus sie schießt, statt auf den Feind, und zwar oft mit nicht allzu
kriegsgerechten Projectilen, und daß der Kampf nicht blos aus preußischem,
sondern sogar auf fremdem Gebiet geführt wird. Denn es ist eine nicht be-
streitbare Thatsache, daß. während ein Theil der wiener Presse Feuer und
Flamme spie gegen die preußische Monarchie und gegen die Preußen überhaupt,
mochten sie liberale oder konservative Preußen sein, während sie den Preußen
Niederlagen und Untergang prophezeihte und wünschte und sich, als für den
Augenblick wenigstens sich das Kriegsgewölk verzogen hatte, zwar nicht darüber
zu trösten wußte, daß diese Gelegenheit, Preußen zu demoliren, abermals un¬
benutzt vorübergegangen sei, daß grade während dieser Zeit diese östreichische
Presse von preußischen Korrespondenten bedient wurde, welche in gleichem Sinne,
wie das Blatt, das Ihren Namen als Flagge führt, vom Standpunkte der
"entschiedensten" Linken gegen die nationalliberale Partei eine Polemik führte,
welche an persönlicher Gehässigkeit und Kctzerrichterei nichts zu wünschen
übrig ließ.

Was würden wir dazu sagen, wenn einmal die Altconscrvativen ein solches
Verfahren gegenüber den Freiconservativen beobachteten? Bis jetzt ist diese
eigenthümliche Taktik eines Theils der liberalen Partei gegen den andern
seitens der conservativen Partei nicht nachgeahmt worden. Diese haben, wie
sich Napoleon der Erste derb ausdrückte, ihre schmutzige Wäsche zu Hause ge-
Waschen, und namentlich haben sie weder sich unter einander, noch auch -- diese
Anerkennung sind wir ihnen für die neueste Zeit schuldig -- Sie, oder uns, in
der östreichischen Presse so besprochen, wie dies den "nationalen" Seitens der
"Entschiedener" tagtäglich geschieht, offenbar zu dem Zwecke, damit das Aus-
land einen anschaulichen Begriff davon erhalte, was es mit den yuörölles
aUemaväeg auf sich habe.

Doch Sie werden mir vielleicht, verehrter Herr, sagen, die Correspondenten
der wiener Zeitungen, das sind nicht die Männer der "Zukunft" und des "Frank-
furter Journal", das sind nicht unsre Guido Weiß, nicht unsre Eugenius Richter.
Gott weiß, wer jene sind, -- vielleicht Julius Frese, vielleicht Martin May
aus Schleswig-Holstein oder aus Schlesien? -- wer weiß das.

Gewiß, ich bin überzeugt, Sie wissen es nicht. Aber warum ziehen Sie
Nicht eine Grenze zwischen sich, den Preußen, und jenen, den Oestreichern?


Welche Sie ein volles Menschenalter hindurch Freunde und Waffengefährten
genannt haben? Ist es Recht, daß Männer wie Tochter, Unruh, Hennig und
Forkenbeck von einem liberalen Blatte in jenem frivolen Stil tractirt werden,
den man sich sonst nur in seichtem Feuilleton gegenüber einer zweideutigen
Soubrette oder einer unzweideutigen Ballerina gefallen ließ?

Die Nationalliberalen haben Grund, sich darüber auszusprechen, daß,
während sie als rechter Flügel der liberalen Partei marschiren, der linke Flügel
derselben aus sie schießt, statt auf den Feind, und zwar oft mit nicht allzu
kriegsgerechten Projectilen, und daß der Kampf nicht blos aus preußischem,
sondern sogar auf fremdem Gebiet geführt wird. Denn es ist eine nicht be-
streitbare Thatsache, daß. während ein Theil der wiener Presse Feuer und
Flamme spie gegen die preußische Monarchie und gegen die Preußen überhaupt,
mochten sie liberale oder konservative Preußen sein, während sie den Preußen
Niederlagen und Untergang prophezeihte und wünschte und sich, als für den
Augenblick wenigstens sich das Kriegsgewölk verzogen hatte, zwar nicht darüber
zu trösten wußte, daß diese Gelegenheit, Preußen zu demoliren, abermals un¬
benutzt vorübergegangen sei, daß grade während dieser Zeit diese östreichische
Presse von preußischen Korrespondenten bedient wurde, welche in gleichem Sinne,
wie das Blatt, das Ihren Namen als Flagge führt, vom Standpunkte der
»entschiedensten" Linken gegen die nationalliberale Partei eine Polemik führte,
welche an persönlicher Gehässigkeit und Kctzerrichterei nichts zu wünschen
übrig ließ.

Was würden wir dazu sagen, wenn einmal die Altconscrvativen ein solches
Verfahren gegenüber den Freiconservativen beobachteten? Bis jetzt ist diese
eigenthümliche Taktik eines Theils der liberalen Partei gegen den andern
seitens der conservativen Partei nicht nachgeahmt worden. Diese haben, wie
sich Napoleon der Erste derb ausdrückte, ihre schmutzige Wäsche zu Hause ge-
Waschen, und namentlich haben sie weder sich unter einander, noch auch — diese
Anerkennung sind wir ihnen für die neueste Zeit schuldig — Sie, oder uns, in
der östreichischen Presse so besprochen, wie dies den „nationalen" Seitens der
»Entschiedener" tagtäglich geschieht, offenbar zu dem Zwecke, damit das Aus-
land einen anschaulichen Begriff davon erhalte, was es mit den yuörölles
aUemaväeg auf sich habe.

Doch Sie werden mir vielleicht, verehrter Herr, sagen, die Correspondenten
der wiener Zeitungen, das sind nicht die Männer der „Zukunft" und des „Frank-
furter Journal", das sind nicht unsre Guido Weiß, nicht unsre Eugenius Richter.
Gott weiß, wer jene sind, — vielleicht Julius Frese, vielleicht Martin May
aus Schleswig-Holstein oder aus Schlesien? — wer weiß das.

Gewiß, ich bin überzeugt, Sie wissen es nicht. Aber warum ziehen Sie
Nicht eine Grenze zwischen sich, den Preußen, und jenen, den Oestreichern?


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[0469] Welche Sie ein volles Menschenalter hindurch Freunde und Waffengefährten genannt haben? Ist es Recht, daß Männer wie Tochter, Unruh, Hennig und Forkenbeck von einem liberalen Blatte in jenem frivolen Stil tractirt werden, den man sich sonst nur in seichtem Feuilleton gegenüber einer zweideutigen Soubrette oder einer unzweideutigen Ballerina gefallen ließ? Die Nationalliberalen haben Grund, sich darüber auszusprechen, daß, während sie als rechter Flügel der liberalen Partei marschiren, der linke Flügel derselben aus sie schießt, statt auf den Feind, und zwar oft mit nicht allzu kriegsgerechten Projectilen, und daß der Kampf nicht blos aus preußischem, sondern sogar auf fremdem Gebiet geführt wird. Denn es ist eine nicht be- streitbare Thatsache, daß. während ein Theil der wiener Presse Feuer und Flamme spie gegen die preußische Monarchie und gegen die Preußen überhaupt, mochten sie liberale oder konservative Preußen sein, während sie den Preußen Niederlagen und Untergang prophezeihte und wünschte und sich, als für den Augenblick wenigstens sich das Kriegsgewölk verzogen hatte, zwar nicht darüber zu trösten wußte, daß diese Gelegenheit, Preußen zu demoliren, abermals un¬ benutzt vorübergegangen sei, daß grade während dieser Zeit diese östreichische Presse von preußischen Korrespondenten bedient wurde, welche in gleichem Sinne, wie das Blatt, das Ihren Namen als Flagge führt, vom Standpunkte der »entschiedensten" Linken gegen die nationalliberale Partei eine Polemik führte, welche an persönlicher Gehässigkeit und Kctzerrichterei nichts zu wünschen übrig ließ. Was würden wir dazu sagen, wenn einmal die Altconscrvativen ein solches Verfahren gegenüber den Freiconservativen beobachteten? Bis jetzt ist diese eigenthümliche Taktik eines Theils der liberalen Partei gegen den andern seitens der conservativen Partei nicht nachgeahmt worden. Diese haben, wie sich Napoleon der Erste derb ausdrückte, ihre schmutzige Wäsche zu Hause ge- Waschen, und namentlich haben sie weder sich unter einander, noch auch — diese Anerkennung sind wir ihnen für die neueste Zeit schuldig — Sie, oder uns, in der östreichischen Presse so besprochen, wie dies den „nationalen" Seitens der »Entschiedener" tagtäglich geschieht, offenbar zu dem Zwecke, damit das Aus- land einen anschaulichen Begriff davon erhalte, was es mit den yuörölles aUemaväeg auf sich habe. Doch Sie werden mir vielleicht, verehrter Herr, sagen, die Correspondenten der wiener Zeitungen, das sind nicht die Männer der „Zukunft" und des „Frank- furter Journal", das sind nicht unsre Guido Weiß, nicht unsre Eugenius Richter. Gott weiß, wer jene sind, — vielleicht Julius Frese, vielleicht Martin May aus Schleswig-Holstein oder aus Schlesien? — wer weiß das. Gewiß, ich bin überzeugt, Sie wissen es nicht. Aber warum ziehen Sie Nicht eine Grenze zwischen sich, den Preußen, und jenen, den Oestreichern?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/469>, abgerufen am 22.07.2024.