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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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auch die ltterarischen Erscheinungen vollständig, so hatte ihn doch die große Bewegung
auf dem Gebiete philologisch-archäologischer Forschung, als deren Träger sich ramene.
l'es Welcker und K. O. Müller bezeichnen lassen, nicht im tiefsten Innern ergriffen.
Gerhard war seiner Natur nach weniger der historischen Auffassung zugewandt, son-
dem spürte den geheimsten Tiefen des religiösen Inhaltes künstlerischer Darstellungen
"ach und suchte mit einem unabweislichen Bedürfniß des Systematisirens. auch wohl
Schematisirens. diesen überall in einen Zusammenhang zu bringen. Der daraus
hervorgehenden Neigung, auch nicht sicher Bestimmtes und Bestimmbares mit
vorläufiger Benennung unter allgemeine Kategorien einzuordnen, verdanken wir
einen großen Theil grade seiner verdienstlichsten Arbeiten, jene großen Sammelwerke,
für die es gradezu nothwendig war, jedem einzelnen Werke einen bestimmten Platz
anzuweisen. Besonders deutlich wird diese seine Art an der "griechischen Mvtho.
logte", einem zweibändigen Werke erstaunlichen Fleißes (1854. 1855), welches
nach fünfundzwanzigjährigen Bestehen des Institutes dem alten römischen Ge-
nossen Bunsen gewidmet ward. Dem durch die umfassendsten Vorarbeiten gewon¬
nenen Reichthum des Stoffes und der knappen Gedrängtheit der Form gegen¬
über macht sich der Mangel der historischen Betrachtung. welche uns die Mytho¬
logie als Religionsgeschichte vorführt, besonders fühlbar. Indessen behält diese
systematische Darstellung auch neben Prellers Mythologie und Welckers Götter-
lehre theils als reichhaltiges Repertorium. theils wegen der Herbeiziehung der
verwandten Religionen, ganz abgesehen von beachtenswerthen Einzelansichten,
ihren selbständigen Werth.

Die Mythologie ging aus den Vorlesungen hervor, welche Gerhard
an der berliner Universität hielt, seit 1837 fast ohne Unterbrechung, in er.
weitertem Umfange, seit ihm 1843 eine außerordentliche und bald darauf (1845)
eine ordentliche Professur neben seiner Stellung am Museum übertragen war
Der Kreis seiner Vorlesungen umfaßte in mannigfachem Wechsel der einzelnen
Ueber alles, was in das Gebiet der classischen Archäologie und Mythologie
oder nach seinem Ausdruck der "monumentalen Philologie" gehört, wobei er
gern Müllers Handbuch der Archäologie zu Grunde legte. Neben den eigent-
lichen Vorlesungen gingen ferner fast ununterbrochen archäologische Uebun¬
gen her. welche die Studirenden in die schwierige Kunst des Betrachtens, Be-
urtheilers und Erklärens antiker Kunstwerke einführen sollten. Dem Bedürfniß
einer kleinen Handbibliothek und passender Vorlegeblätter half er zunächst durch
eine liberale Schenkung der mionnetschcn Münzabdrücke und einer ansehnlichen
Zahl von Büchern und Kupfern ab. Dadurch gelang es ihm, auch die Unter¬
stützung des Ministeriums für den so gegründeten archäologischen Apparat
ZU erwirken und damit ein Hifsmittel zu schaffen, welches bei den Schwierig,
ketten, die sich grade in Berlin der Benutzung der öffentlichen Bibliotheken durch
du Studirenden entgegenstellen, den Studien doppelt ersprießlich werden mußte.


auch die ltterarischen Erscheinungen vollständig, so hatte ihn doch die große Bewegung
auf dem Gebiete philologisch-archäologischer Forschung, als deren Träger sich ramene.
l'es Welcker und K. O. Müller bezeichnen lassen, nicht im tiefsten Innern ergriffen.
Gerhard war seiner Natur nach weniger der historischen Auffassung zugewandt, son-
dem spürte den geheimsten Tiefen des religiösen Inhaltes künstlerischer Darstellungen
«ach und suchte mit einem unabweislichen Bedürfniß des Systematisirens. auch wohl
Schematisirens. diesen überall in einen Zusammenhang zu bringen. Der daraus
hervorgehenden Neigung, auch nicht sicher Bestimmtes und Bestimmbares mit
vorläufiger Benennung unter allgemeine Kategorien einzuordnen, verdanken wir
einen großen Theil grade seiner verdienstlichsten Arbeiten, jene großen Sammelwerke,
für die es gradezu nothwendig war, jedem einzelnen Werke einen bestimmten Platz
anzuweisen. Besonders deutlich wird diese seine Art an der „griechischen Mvtho.
logte", einem zweibändigen Werke erstaunlichen Fleißes (1854. 1855), welches
nach fünfundzwanzigjährigen Bestehen des Institutes dem alten römischen Ge-
nossen Bunsen gewidmet ward. Dem durch die umfassendsten Vorarbeiten gewon¬
nenen Reichthum des Stoffes und der knappen Gedrängtheit der Form gegen¬
über macht sich der Mangel der historischen Betrachtung. welche uns die Mytho¬
logie als Religionsgeschichte vorführt, besonders fühlbar. Indessen behält diese
systematische Darstellung auch neben Prellers Mythologie und Welckers Götter-
lehre theils als reichhaltiges Repertorium. theils wegen der Herbeiziehung der
verwandten Religionen, ganz abgesehen von beachtenswerthen Einzelansichten,
ihren selbständigen Werth.

Die Mythologie ging aus den Vorlesungen hervor, welche Gerhard
an der berliner Universität hielt, seit 1837 fast ohne Unterbrechung, in er.
weitertem Umfange, seit ihm 1843 eine außerordentliche und bald darauf (1845)
eine ordentliche Professur neben seiner Stellung am Museum übertragen war
Der Kreis seiner Vorlesungen umfaßte in mannigfachem Wechsel der einzelnen
Ueber alles, was in das Gebiet der classischen Archäologie und Mythologie
oder nach seinem Ausdruck der „monumentalen Philologie" gehört, wobei er
gern Müllers Handbuch der Archäologie zu Grunde legte. Neben den eigent-
lichen Vorlesungen gingen ferner fast ununterbrochen archäologische Uebun¬
gen her. welche die Studirenden in die schwierige Kunst des Betrachtens, Be-
urtheilers und Erklärens antiker Kunstwerke einführen sollten. Dem Bedürfniß
einer kleinen Handbibliothek und passender Vorlegeblätter half er zunächst durch
eine liberale Schenkung der mionnetschcn Münzabdrücke und einer ansehnlichen
Zahl von Büchern und Kupfern ab. Dadurch gelang es ihm, auch die Unter¬
stützung des Ministeriums für den so gegründeten archäologischen Apparat
ZU erwirken und damit ein Hifsmittel zu schaffen, welches bei den Schwierig,
ketten, die sich grade in Berlin der Benutzung der öffentlichen Bibliotheken durch
du Studirenden entgegenstellen, den Studien doppelt ersprießlich werden mußte.


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[0463] auch die ltterarischen Erscheinungen vollständig, so hatte ihn doch die große Bewegung auf dem Gebiete philologisch-archäologischer Forschung, als deren Träger sich ramene. l'es Welcker und K. O. Müller bezeichnen lassen, nicht im tiefsten Innern ergriffen. Gerhard war seiner Natur nach weniger der historischen Auffassung zugewandt, son- dem spürte den geheimsten Tiefen des religiösen Inhaltes künstlerischer Darstellungen «ach und suchte mit einem unabweislichen Bedürfniß des Systematisirens. auch wohl Schematisirens. diesen überall in einen Zusammenhang zu bringen. Der daraus hervorgehenden Neigung, auch nicht sicher Bestimmtes und Bestimmbares mit vorläufiger Benennung unter allgemeine Kategorien einzuordnen, verdanken wir einen großen Theil grade seiner verdienstlichsten Arbeiten, jene großen Sammelwerke, für die es gradezu nothwendig war, jedem einzelnen Werke einen bestimmten Platz anzuweisen. Besonders deutlich wird diese seine Art an der „griechischen Mvtho. logte", einem zweibändigen Werke erstaunlichen Fleißes (1854. 1855), welches nach fünfundzwanzigjährigen Bestehen des Institutes dem alten römischen Ge- nossen Bunsen gewidmet ward. Dem durch die umfassendsten Vorarbeiten gewon¬ nenen Reichthum des Stoffes und der knappen Gedrängtheit der Form gegen¬ über macht sich der Mangel der historischen Betrachtung. welche uns die Mytho¬ logie als Religionsgeschichte vorführt, besonders fühlbar. Indessen behält diese systematische Darstellung auch neben Prellers Mythologie und Welckers Götter- lehre theils als reichhaltiges Repertorium. theils wegen der Herbeiziehung der verwandten Religionen, ganz abgesehen von beachtenswerthen Einzelansichten, ihren selbständigen Werth. Die Mythologie ging aus den Vorlesungen hervor, welche Gerhard an der berliner Universität hielt, seit 1837 fast ohne Unterbrechung, in er. weitertem Umfange, seit ihm 1843 eine außerordentliche und bald darauf (1845) eine ordentliche Professur neben seiner Stellung am Museum übertragen war Der Kreis seiner Vorlesungen umfaßte in mannigfachem Wechsel der einzelnen Ueber alles, was in das Gebiet der classischen Archäologie und Mythologie oder nach seinem Ausdruck der „monumentalen Philologie" gehört, wobei er gern Müllers Handbuch der Archäologie zu Grunde legte. Neben den eigent- lichen Vorlesungen gingen ferner fast ununterbrochen archäologische Uebun¬ gen her. welche die Studirenden in die schwierige Kunst des Betrachtens, Be- urtheilers und Erklärens antiker Kunstwerke einführen sollten. Dem Bedürfniß einer kleinen Handbibliothek und passender Vorlegeblätter half er zunächst durch eine liberale Schenkung der mionnetschcn Münzabdrücke und einer ansehnlichen Zahl von Büchern und Kupfern ab. Dadurch gelang es ihm, auch die Unter¬ stützung des Ministeriums für den so gegründeten archäologischen Apparat ZU erwirken und damit ein Hifsmittel zu schaffen, welches bei den Schwierig, ketten, die sich grade in Berlin der Benutzung der öffentlichen Bibliotheken durch du Studirenden entgegenstellen, den Studien doppelt ersprießlich werden mußte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/463>, abgerufen am 24.08.2024.