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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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Thätigkeit galt hauptsächlich dem Museum. Mit dem schon so oft bewährten
Geschick äußere Hindernisse hinwegzuräumen, wo es großen Zwecken galt, wußte
er es möglich zu machen, daß die hauptsächlichsten Schätze des berliner Muse¬
ums an gemalten Vasen von ihm in einer Reihe von Prachtwerken auf das
würdigste herausgegeben wurden und daß dies neueste Museum sich in dieser
Beziehung vor den älteren Kollegen nicht zu schämen brauchte; harren doch die
weit reicheren Sammlungen Münchens noch bis auf den heutigen Tag einer
gleichen Verwerthung. In den Besitz des Museums war serner ein großer
Theil der Zeichnungen übergegangen, welche Gerhard theils für seine unvoll¬
endet gebliebenen "antiken Bildwerke", theils inmitten der etruskischen Vasen¬
sunde hatte anfertigen lassen. Aus diesem stets umsichtig vermehrten Material
erwuchsen die "auserlesenen Vasenbilder", welche in vier starken Quart¬
bänden (seit 1839) eine in der That auserlesene Sammlung aus diesem Kunst-
zweige darbieten und ein wesentliches Verdienst um die Verbreitung und Popu-
larisirung dieser ganzen Dcnkmälerclasse sich erworben haben. Gerhard, der
über einen solchen Umfang der Autopsie gebot, wie nicht leicht ein Anderer,
durste wohl sagen, wer nur ein Kunstwerk gesehen, habe keines, wer Tausende,
nur eines gesehen; je tiefer diese Ueberzeugung in ihm wurzelte, desto eifriger
war er bestrebt den Anschauungsstoff zu vermehren.

Neben den auserlesenen Vasenbildern ging ein Werk her, welches von der
Akademie aus unterstützt ward, die "etruskischen Spiegel", d. h. die
gravirten Zeichnungen, welche die Rückseiten etruskischer Metallspiegel zu schmücken
pflegen. Es ist eine wenig anziehende Classe von Kunstwerken, nur in den
seltensten Fällen durch hervorragenden Kunstwerth ausgezeichnet. Die Meisten
würden wohl dadurch von einer Sammlung zurückgeschreckt sein. Gerhard aber,
auf den der vielfach räthselhcifte Inhalt der Darstellungen eine besondere
Anziehungskraft äußerte, erkannte richtig, daß jene Werke für die Wissenschaft
nur nutzbar wären, wenn sie in ihrer Gesammtheit zu überblicken wären. Dies
Werk, welches ihn seit 1839 bis zuletzt beschäftigte und im Druck fast ganz
vollendet ist, umfaßt ebenfalls vier reich ausgestattete Bände. Die Sammlung
der etruskischen Sarkophage unterblieb dagegen; die dafür bestimmten
Zeichnungen wurden später Brunn übergeben, der den gerhardschen Plan in
größerem Umfang wieder aufgenommen hat. -- Die Akademie bot Gerhard auch
Gelegenheit zu zahlreichen Abhandlungen über einzelne Kunstwerke oder ganze
Kreise von Darstellungen kunsthistorischen, religionsgeschichtlichen, ja auch rein
historischen Inhalts. Alle diese Arbeiten stehen in engster Beziehung zu den
schon angedeuteten Grundanschauungen Gerhards über die antiken Religionen,
welche auch hier das Studium derselben erschweren. Von Wichtigkeit ist es, daß
Gerhard eine lange Periode seiner eigenen Entwickelung fern von dem Mittel¬
punkt der gesammten wissenschaftlichen Bewegung zugebracht hat. Uebersah er


Thätigkeit galt hauptsächlich dem Museum. Mit dem schon so oft bewährten
Geschick äußere Hindernisse hinwegzuräumen, wo es großen Zwecken galt, wußte
er es möglich zu machen, daß die hauptsächlichsten Schätze des berliner Muse¬
ums an gemalten Vasen von ihm in einer Reihe von Prachtwerken auf das
würdigste herausgegeben wurden und daß dies neueste Museum sich in dieser
Beziehung vor den älteren Kollegen nicht zu schämen brauchte; harren doch die
weit reicheren Sammlungen Münchens noch bis auf den heutigen Tag einer
gleichen Verwerthung. In den Besitz des Museums war serner ein großer
Theil der Zeichnungen übergegangen, welche Gerhard theils für seine unvoll¬
endet gebliebenen „antiken Bildwerke", theils inmitten der etruskischen Vasen¬
sunde hatte anfertigen lassen. Aus diesem stets umsichtig vermehrten Material
erwuchsen die „auserlesenen Vasenbilder", welche in vier starken Quart¬
bänden (seit 1839) eine in der That auserlesene Sammlung aus diesem Kunst-
zweige darbieten und ein wesentliches Verdienst um die Verbreitung und Popu-
larisirung dieser ganzen Dcnkmälerclasse sich erworben haben. Gerhard, der
über einen solchen Umfang der Autopsie gebot, wie nicht leicht ein Anderer,
durste wohl sagen, wer nur ein Kunstwerk gesehen, habe keines, wer Tausende,
nur eines gesehen; je tiefer diese Ueberzeugung in ihm wurzelte, desto eifriger
war er bestrebt den Anschauungsstoff zu vermehren.

Neben den auserlesenen Vasenbildern ging ein Werk her, welches von der
Akademie aus unterstützt ward, die „etruskischen Spiegel", d. h. die
gravirten Zeichnungen, welche die Rückseiten etruskischer Metallspiegel zu schmücken
pflegen. Es ist eine wenig anziehende Classe von Kunstwerken, nur in den
seltensten Fällen durch hervorragenden Kunstwerth ausgezeichnet. Die Meisten
würden wohl dadurch von einer Sammlung zurückgeschreckt sein. Gerhard aber,
auf den der vielfach räthselhcifte Inhalt der Darstellungen eine besondere
Anziehungskraft äußerte, erkannte richtig, daß jene Werke für die Wissenschaft
nur nutzbar wären, wenn sie in ihrer Gesammtheit zu überblicken wären. Dies
Werk, welches ihn seit 1839 bis zuletzt beschäftigte und im Druck fast ganz
vollendet ist, umfaßt ebenfalls vier reich ausgestattete Bände. Die Sammlung
der etruskischen Sarkophage unterblieb dagegen; die dafür bestimmten
Zeichnungen wurden später Brunn übergeben, der den gerhardschen Plan in
größerem Umfang wieder aufgenommen hat. — Die Akademie bot Gerhard auch
Gelegenheit zu zahlreichen Abhandlungen über einzelne Kunstwerke oder ganze
Kreise von Darstellungen kunsthistorischen, religionsgeschichtlichen, ja auch rein
historischen Inhalts. Alle diese Arbeiten stehen in engster Beziehung zu den
schon angedeuteten Grundanschauungen Gerhards über die antiken Religionen,
welche auch hier das Studium derselben erschweren. Von Wichtigkeit ist es, daß
Gerhard eine lange Periode seiner eigenen Entwickelung fern von dem Mittel¬
punkt der gesammten wissenschaftlichen Bewegung zugebracht hat. Uebersah er


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/462>, abgerufen am 22.07.2024.