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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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stehenden Gefälle überwiegend aus Domanialintraden bestehen, wenn auch die
rechtliche Natur der einzelnen Abgaben noch näher zu untersuchen und festzu¬
stellen sei und schätzt in ungefähren Ueberschlage die in den stehenden Gefallen
enthaltenen Abgaben steuerlicher Natur aus ca. 300,000 Thlr. Mithin würden
ca. 300.000 Thlr. Pr. Domanialintraden auf dem Grundbesitze der Herzog,
tbümer lasten. Und zwar vorab der gewöhnlichen Grundsteuer, da die stehenden
Gefälle, weil und insoweit sie Domanialintraden sind, bei Ausgleichung der auf
dem Grund und Boden haftenden Lasten nickt zu berücksichtigen sein würden.
Wenn man nun ferner erwägt, daß die stehenden Gefälle in den Aemtern und
Landschaften, nicht aber in den adligen Gütern und Klöstern erhoben werden:
ist das Verlangen so unbillig, daß die Schleswig-holsteinische Ritterschaft durch
Verzicht auf die Klöster auch ihrerseits für Bildung des Doma-
niums ein Opfer bringt? Oder würde man den Staat der Gewaltthätig-
keit beschuldigen dürfen, wenn er, um den Bauernstand zu erleichtern, dem
Schleswig-holsteiniscken Adel wie früher 1810 dem preußischen der alten Pro¬
vinzen Stiftsgüter einseitig entzöge und nicht blos auf Kosten der kleineren
Grundbesitzer das Domanium bildete?

Zu den unschädlichen Vorrechten der Ritterschaft rechnen wir die Befugniß.
ihre Kinder an anderen Tagen als denjenigen des öffentlicken Gottesdienstes
confirmiren, sowie auch ihre Angehörigen aller Orten in den Herzogthümern
im Hause und ohne Proclamation copuliren zu lassen. Ebenso harmlos ist das
Vorrecht der Ritterschaft, eine eigene Uniform tragen zu dürfen; dieselbe
besteht aus einem carmoisinrothen Rocke, weißen Jnexpresstblcs, einem
Dreimaster und Stiefeln mit goldenen Sporen, auf den Epauletten ist das
Schleswig-holsteinische Wappen gestickt. Diese Uniform ist bei unsern Rittern
sehr beliebt, ja sogar bei dem officiellen Verkündigungsacte der Annexion er¬
blickte man den höchsten der königlichen Beamten unserer Provinz in jenen
Abzeichen seiner Corporation.

Doch genug von den Schleswig-holsteinischen Rittern! Wir rufen ihnen
hiermit ein herzliches Willkommen im preußischen Staate zu; aber unter die
ersten Bürger dieser Monarchie wollen wir sie nur zählen, wenn sie sich ihrer
unter der bisherigen anarchischen Verwaltung erzielten staatswidrigen Vorrechte
selbstlos und opferwillig entkleiden. Die Geschichte der letzten Jahre hat gelehrt,
daß ständischer Egoismus mit dem innersten Principe des preußischen Staates
unverträglich; jener ist aber doppelt gefährlich, wenn er zugleich als Protector
particularistischer Sonderbestrebungen des Volkes oder der Büreaukratie sich
geriren möchte. Hoffentlich wird die preußische Regierung auch dem schleswig¬
holsteinischen Adel lehren, was einer preußischen Ritterschaft wohl ansteht.




stehenden Gefälle überwiegend aus Domanialintraden bestehen, wenn auch die
rechtliche Natur der einzelnen Abgaben noch näher zu untersuchen und festzu¬
stellen sei und schätzt in ungefähren Ueberschlage die in den stehenden Gefallen
enthaltenen Abgaben steuerlicher Natur aus ca. 300,000 Thlr. Mithin würden
ca. 300.000 Thlr. Pr. Domanialintraden auf dem Grundbesitze der Herzog,
tbümer lasten. Und zwar vorab der gewöhnlichen Grundsteuer, da die stehenden
Gefälle, weil und insoweit sie Domanialintraden sind, bei Ausgleichung der auf
dem Grund und Boden haftenden Lasten nickt zu berücksichtigen sein würden.
Wenn man nun ferner erwägt, daß die stehenden Gefälle in den Aemtern und
Landschaften, nicht aber in den adligen Gütern und Klöstern erhoben werden:
ist das Verlangen so unbillig, daß die Schleswig-holsteinische Ritterschaft durch
Verzicht auf die Klöster auch ihrerseits für Bildung des Doma-
niums ein Opfer bringt? Oder würde man den Staat der Gewaltthätig-
keit beschuldigen dürfen, wenn er, um den Bauernstand zu erleichtern, dem
Schleswig-holsteiniscken Adel wie früher 1810 dem preußischen der alten Pro¬
vinzen Stiftsgüter einseitig entzöge und nicht blos auf Kosten der kleineren
Grundbesitzer das Domanium bildete?

Zu den unschädlichen Vorrechten der Ritterschaft rechnen wir die Befugniß.
ihre Kinder an anderen Tagen als denjenigen des öffentlicken Gottesdienstes
confirmiren, sowie auch ihre Angehörigen aller Orten in den Herzogthümern
im Hause und ohne Proclamation copuliren zu lassen. Ebenso harmlos ist das
Vorrecht der Ritterschaft, eine eigene Uniform tragen zu dürfen; dieselbe
besteht aus einem carmoisinrothen Rocke, weißen Jnexpresstblcs, einem
Dreimaster und Stiefeln mit goldenen Sporen, auf den Epauletten ist das
Schleswig-holsteinische Wappen gestickt. Diese Uniform ist bei unsern Rittern
sehr beliebt, ja sogar bei dem officiellen Verkündigungsacte der Annexion er¬
blickte man den höchsten der königlichen Beamten unserer Provinz in jenen
Abzeichen seiner Corporation.

Doch genug von den Schleswig-holsteinischen Rittern! Wir rufen ihnen
hiermit ein herzliches Willkommen im preußischen Staate zu; aber unter die
ersten Bürger dieser Monarchie wollen wir sie nur zählen, wenn sie sich ihrer
unter der bisherigen anarchischen Verwaltung erzielten staatswidrigen Vorrechte
selbstlos und opferwillig entkleiden. Die Geschichte der letzten Jahre hat gelehrt,
daß ständischer Egoismus mit dem innersten Principe des preußischen Staates
unverträglich; jener ist aber doppelt gefährlich, wenn er zugleich als Protector
particularistischer Sonderbestrebungen des Volkes oder der Büreaukratie sich
geriren möchte. Hoffentlich wird die preußische Regierung auch dem schleswig¬
holsteinischen Adel lehren, was einer preußischen Ritterschaft wohl ansteht.




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[0436] stehenden Gefälle überwiegend aus Domanialintraden bestehen, wenn auch die rechtliche Natur der einzelnen Abgaben noch näher zu untersuchen und festzu¬ stellen sei und schätzt in ungefähren Ueberschlage die in den stehenden Gefallen enthaltenen Abgaben steuerlicher Natur aus ca. 300,000 Thlr. Mithin würden ca. 300.000 Thlr. Pr. Domanialintraden auf dem Grundbesitze der Herzog, tbümer lasten. Und zwar vorab der gewöhnlichen Grundsteuer, da die stehenden Gefälle, weil und insoweit sie Domanialintraden sind, bei Ausgleichung der auf dem Grund und Boden haftenden Lasten nickt zu berücksichtigen sein würden. Wenn man nun ferner erwägt, daß die stehenden Gefälle in den Aemtern und Landschaften, nicht aber in den adligen Gütern und Klöstern erhoben werden: ist das Verlangen so unbillig, daß die Schleswig-holsteinische Ritterschaft durch Verzicht auf die Klöster auch ihrerseits für Bildung des Doma- niums ein Opfer bringt? Oder würde man den Staat der Gewaltthätig- keit beschuldigen dürfen, wenn er, um den Bauernstand zu erleichtern, dem Schleswig-holsteiniscken Adel wie früher 1810 dem preußischen der alten Pro¬ vinzen Stiftsgüter einseitig entzöge und nicht blos auf Kosten der kleineren Grundbesitzer das Domanium bildete? Zu den unschädlichen Vorrechten der Ritterschaft rechnen wir die Befugniß. ihre Kinder an anderen Tagen als denjenigen des öffentlicken Gottesdienstes confirmiren, sowie auch ihre Angehörigen aller Orten in den Herzogthümern im Hause und ohne Proclamation copuliren zu lassen. Ebenso harmlos ist das Vorrecht der Ritterschaft, eine eigene Uniform tragen zu dürfen; dieselbe besteht aus einem carmoisinrothen Rocke, weißen Jnexpresstblcs, einem Dreimaster und Stiefeln mit goldenen Sporen, auf den Epauletten ist das Schleswig-holsteinische Wappen gestickt. Diese Uniform ist bei unsern Rittern sehr beliebt, ja sogar bei dem officiellen Verkündigungsacte der Annexion er¬ blickte man den höchsten der königlichen Beamten unserer Provinz in jenen Abzeichen seiner Corporation. Doch genug von den Schleswig-holsteinischen Rittern! Wir rufen ihnen hiermit ein herzliches Willkommen im preußischen Staate zu; aber unter die ersten Bürger dieser Monarchie wollen wir sie nur zählen, wenn sie sich ihrer unter der bisherigen anarchischen Verwaltung erzielten staatswidrigen Vorrechte selbstlos und opferwillig entkleiden. Die Geschichte der letzten Jahre hat gelehrt, daß ständischer Egoismus mit dem innersten Principe des preußischen Staates unverträglich; jener ist aber doppelt gefährlich, wenn er zugleich als Protector particularistischer Sonderbestrebungen des Volkes oder der Büreaukratie sich geriren möchte. Hoffentlich wird die preußische Regierung auch dem schleswig¬ holsteinischen Adel lehren, was einer preußischen Ritterschaft wohl ansteht.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/436>, abgerufen am 24.08.2024.